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Reutlinger Ägyptologe: Entdecker einer relativen Ewigkeit

Ein Reutlinger Ägyptologe machte 2024 international Schlagzeilen wegen seiner Athribis-Forschung. Zum Jahresende blickt Professor Dr. Christian Leitz zurück - auf Reisen, Erkenntnisse und Debatten.

Der Ägyptologe der Uni Tübingen, Prof. Dr. Christian Leitz, in seiner Privatbibliothek in Reutlingen.
Der Ägyptologe der Uni Tübingen, Prof. Dr. Christian Leitz, in seiner Privatbibliothek in Reutlingen. Foto: Frank Pieth
Der Ägyptologe der Uni Tübingen, Prof. Dr. Christian Leitz, in seiner Privatbibliothek in Reutlingen.
Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN/TÜBINGEN. Warum hängt an einem Reutlinger Haus ein Schild mit der Aufschrift »IANES – Institut für die Kulturen des Alten Orients«? Hat dort die Ägyptologie, Altorientalische Philologie und Vorderasiatische Archäologie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen eine Außenstelle? Der Hausbesitzer verneint – mit verschmitztem Lächeln. »Als die Schilder an der Uni erneuert wurden, dachte ich, bevor wir sie wegwerfen, häng’ ich sie hier auf«, sagt Professor Dr. Christian Leitz, der dort seit fast 20 Jahren wohnt. Vom Schreibtisch seines Büros im Schloss Hohentübingen blickt der international bekannte Ägyptologe auf dreieinhalb Meter hohe Replikationen einer Säule des Pronaos von Esna. Den Gang zur Bibliothek zieren nachgebildete Tempelsäulen. Sie sind von einer Ausstellung im Rittersaal übriggeblieben.

In Reutlingen arbeitet der 64-Jährige meist mehrere Tage die Woche in seiner Privatbibliothek. In einem der drei Räume steht zudem der Schreibtisch seiner Frau Dr. Daniela Mendel-Leitz, ebenfalls Ägyptologin, die seit 20 Jahren mit ihm Ausgrabungsstätten und Funde im Niltal dokumentiert. Beide sind dazu regelmäßig in Esna, gut 50 Kilometer südlich von Luxor, und in Athribis, 200 Kilometer nördlich, wo sie mit einem internationalen Team zwischen 2004 und 2020 den Tempel der Löwengöttin Repit, einen der sechs großen Tempel der ägyptischen Spätzeit, freigelegt haben.

Eine Wand des Athribis-Projekts.
Eine Wand des Athribis-Projekts. Foto: Privat
Eine Wand des Athribis-Projekts.
Foto: Privat

Während Daniela Mendel-Leitz am heimischen Computer Hieroglyphen von neu entdeckten Deckenbemalungen abzeichnet und übersetzt, ist Christian Leitz zurzeit wieder unterwegs. Jüngst hielt er Vorträge im Pariser Louvre und im British Museum in London. Ein Jet-Setter im Auftrag der altertümlichen Bildung? Dafür wirkt der Mann mit den hellwach-freundlichen Augen ganz schön auf dem Boden geblieben.

Herr Professor Leitz, was verschlägt einen weltweit gefragten Ägyptologen nach Reutlingen?

Prof. Christian Leitz: Nachdem ich im Frühjahr 2004 den Ruf an die Uni Tübingen bekam, wohnten wir die ersten zwei Jahre in Tübingen. Dann folgte die Überlegung, ob wir uns dort eine Wohnung kaufen oder in Reutlingen ein Haus, was damals vergleichsweise erschwinglich war. Mittlerweile bin ich sehr zufrieden. Mit dem Auto ist man schnell in Tübingen. Durch meine große Bibliothek muss ich aber nicht jeden Tag in der Uni sein. Dort erledige ich Verwaltungsaufgaben und gebe Unterricht. Doch 90 Prozent meiner Arbeit, das heißt, den ganzen wissenschaftlichen Teil, mache ich hier.

Was mögen Sie an Reutlingen?

Leitz: Reutlingen ist besser zum Einkaufen und auch ein bisschen größer. Der Markt ist deutlich besser.

Ägyptologe Christian Leitz in seiner Bibliothek in Reutlingen.
Ägyptologe Christian Leitz in seiner Bibliothek in Reutlingen. Foto: Frank Pieth
Ägyptologe Christian Leitz in seiner Bibliothek in Reutlingen.
Foto: Frank Pieth

Lässt Ihr Beruf dafür überhaupt Zeit?

Leitz: Zeit, um in Reutlingen auf den Markt zu gehen, hab’ ich samstagmorgens. Diesen Herbst bin ich jedoch viel gereist. Es fing am 10. September an, als ich mit meiner Frau nach New York flog. In Yale haben wir zusammen ein bisschen unterrichtet, unterbrochen durch zwei Tage in Boston, wo ich einen Vortrag in Harvard hielt. Nach einer Tagung in Tübingen flogen wir nach Ägypten. Das mit Paris Ende Oktober hatte sich zufällig ergeben: Zu »L’Archéologie à Midi« sollte ich um 12.30 Uhr sprechen. Mit der Deutschen Bahn am selben Tag anzureisen, ist hyperriskant, also musste ich schon einen Tag vorher hinfahren. Und schließlich wollte mein Esna-Projekt-Partner wieder mal nach London und meinte, wir sollten zusammen einen Vortrag halten. Da konnte ich dann auch nicht raus. Aber das war letztendlich zu viel und ist nicht immer so.

Wie oft sind Sie in Ägypten?

Leitz: Unter zwei Wochen lohnt es sich nicht, dorthin zu fliegen. Da ich mit Esna und Athribis nun mal zwei Unternehmungen dort habe, ist es perfekt, beide Orte direkt nacheinander zu besuchen. Meist bin ich über Weihnachten in Athribis. Da ist eine Woche vorlesungsfrei und für die zweite ziehe ich den Unterricht vor oder hole ihn nach. In den Semesterferien bin ich in der Regel zudem zweimal im Jahr in Esna und zweimal in Athribis.

Was tun Sie dort?

Leitz: In Esna haben wir 20 bis 30 Restauratoren. Wenn die fertig sind an einer Stelle, ist es geschickt, dass ich für die Dokumentation dazukomme. Dafür ist die Uni Tübingen zusammen mit dem Ministerium zuständig, aber wir machen die gesamte Buchführung und werten alles aus.

Das Grabungsgelände der Tübinger an der Tempelanlage  im ägyptischen  Athribis.
Das Grabungsgelände der Tübinger an der Tempelanlage im ägyptischen Athribis. Foto: Müller/Uni Tübingen
Das Grabungsgelände der Tübinger an der Tempelanlage im ägyptischen Athribis.
Foto: Müller/Uni Tübingen

Was ist die wichtigste Eigenschaft für Ihren Beruf?

Leitz: Geduld. Das dauert. Im Moment arbeitet das ganze Team in Athribis an einem Pylonen. Direkt dahinter erhebt sich ein etwa 180 Meter hoher Berg. Wir hoffen, dass sich darin auch noch ein Tempel verbirgt. Und man muss sich beschränken können: Alles auszugraben, würde 100 Jahre dauern, also das erlebe ich zumindest nicht mehr.

Was ist das wichtigste Arbeitsgerät?

Leitz: Unterschiedlich. Aus der Sicht des Philologen sind es die Augen. Um die Inschriften wirklich erkennen zu können. Für Archäologen ist es vielleicht ein Tachymeter. Das ist ein Vermessungsgerät, mit dessen Hilfe detaillierte Pläne erstellt werden.

Der Reutlinger Ägyptologe Christian Leitz bei der Arbeit in Esna.
Der Reutlinger Ägyptologe Christian Leitz bei der Arbeit in Esna. Foto: Privat
Der Reutlinger Ägyptologe Christian Leitz bei der Arbeit in Esna.
Foto: Privat

Und eine Kamera?

Leitz: Klar, wir machen auch die fotografische Dokumentation.

In Großbritannien sind hobbymäßige »Detectorists« mit Sonden unterwegs. Helfen die bei Ihrer Arbeit auch?

Leitz: Wir haben es mal mit einer Art Geo-Radar versucht, ein interessantes Verfahren, das im Nildelta ganz gut funktioniert. Wenn Sie mit solch einem Gerät über ein abgemähtes Feld gehen, kann das Lehmziegel- oder Steinstrukturen aufspüren. Da kriegen Sie unter Umständen einen Grundriss, was natürlich viel einfacher ist, als wenn Sie das alles ausgraben müssen. Gerade wenn es sich um ein Riesengelände handelt. Aber in Athribis hat es nicht gut funktioniert, weil das Gelände sehr uneben ist und Abermillionen von Scherben draufliegen. Da kriegen Sie die Strukturen drunter nicht. Das heißt: Man muss graben. Es geht darum, unendliche Schichten über der antiken Stätte zu beseitigen.

Was steckt dort darunter?

Leitz: Außer Gebäudestrukturen finden wir vorrangig Ostraka, beschriftete Tonscherben. Das sind im Prinzip antike Wegwerfartikel. Aus kurzen Notizen oder Quittungen erfahren wir, dass jemand einen Sack Weizen gekauft hat oder einen Esel für zwei Wochen geliehen. Das Besondere bei uns ist, dass die Mitarbeiter den Auftrag haben, die Scherben jeweils nochmal umzudrehen, bevor sie abtransportiert werden.

Eine Scherbe mit einer Kinderzeichnung aus der Tempelanlage von Athribis.
Eine Scherbe mit einer Kinderzeichnung aus der Tempelanlage von Athribis. Foto: Privat
Eine Scherbe mit einer Kinderzeichnung aus der Tempelanlage von Athribis.
Foto: Privat

Lässt das Rückschlüsse aufs tägliche Leben damals zu?

Leitz: Um den Tempel haben ja Leute gewohnt. Wir wissen schon von weit mehr als 1.000 Individuen, mit Namen, teilweise auch mit ihren Berufen und der sogenannten Filiation. Dazu finden sich Teile eines Schulbetriebs mit kleinen Rechenaufgaben oder Listen von Monatsnamen, die die Kleinen lernten. 75 Prozent sind Demotisch, das ist eine Schreibschrift, 15 Prozent Griechisch, dazu 1 Prozent Hieratisch und Hieroglyphisch sowie etwa 3 Prozent Bildostraka – mehr als an allen andern Orten Ägyptens zusammen.

Um welchen Zeitraum geht es hierbei?

Leitz: Vom 1. Jahrhundert vor Christus bis ins frühe Mittelalter.

Wie viele Sprachen beherrschen Sie?

Leitz: In Prag halte ich Vorträge auf Englisch, in Kairo auch, in Paris auf Französisch. In der Schule hatte ich zwar außer Englisch nur Latein und Griechisch, aber nach meiner Dissertation war ich ein Jahr in Lyon. Entweder Sie lernen da etwas Französisch oder Sie sind sehr einsam. Dazu kann ich natürlich Ägyptisch, das ist ja mein Job, und ein wenig Ägyptisch-Arabisch. Zum Einkaufen und zur Verständigung mit den Arbeitern reicht es. Alle andern Sprachen, die ich früher gelernt habe, hab’ ich wieder vergessen, Keilschrift, Hebräisch, Hocharabisch, das ist alles weg.

Der Nordturm des Tempels in Athribis mit der neu entdeckten Kammer.
Der Nordturm des Tempels in Athribis mit der neu entdeckten Kammer. Foto: Marcus Müller, Athribis-Projekt
Der Nordturm des Tempels in Athribis mit der neu entdeckten Kammer.
Foto: Marcus Müller, Athribis-Projekt

In vielen Bereichen wird heute im postkolonialen Kontext über Aneignung diskutiert. Trifft das auch auf die Ägyptologie zu?

Leitz: Für laufende Unternehmungen ist das weniger der Fall. Das liegt daran, dass es bis in die 1960er-Jahre eine sogenannte Fundteilung gab. Das hieße heute, von den gefundenen Ostraka müsste ich für die Hälfte in Tübingen entsprechende Lagerräume finden. Doch das wurde abgeschafft. Seit gut 50 Jahren verbleiben alle Funde in Ägypten. Egal, ob das eine ägyptische oder europäische Grabung ist. Das nimmt der Kolonialismusdebatte den Wind aus den Segeln. Außerdem ist dies in unserem Fall ein Kooperationsprojekt.

Bei außergewöhnlichen Fächern wie Ägyptologie geht es politisch und gesellschaftlich oft ums Geld. Gelten Sie als Prophet im eigenen Land weniger als im Rest der Welt?

Leitz: Kommt drauf an. Ich bin nicht als Person gefährdet, aber das sogenannte kleine Fach, das ich vertrete. Berechnungen des Landesrechnungshofes Baden-Württemberg ergaben: Ich habe weniger als zehn Master-Studenten. Aber die Lehre für die Master-Studiengänge macht höchstens fünf Prozent meiner Zeit aus. Ich halte es für eine schlechte Begründung, wenn man sich einen winzigen Teilaspekt ansieht und daraus weitreichende Schlussfolgerungen wie Einstellen oder Zusammenlegen zieht. Bei so einem großen Gebiet, das über 3.000 Jahre umfasst, sowohl Archäologie als auch Philologie, also die ganze Sprache, mit Geschichte, Religion, Architektur und materieller Kultur, ist es unrealistisch, dass eine einzelne Person das alles vertreten könnte. An jedem Institut in Deutschland ist die Ausrichtung anders. Wenn Sie eine Stelle streichen, entsorgen Sie republikweit den ganzen Teilbereich des Fachs.

Reliefs am Tempel von Esna mit dem falkenköpfigen Gott Horus.
Reliefs am Tempel von Edfu mit dem falkenköpfigen Gott Horus. Foto: Archivfoto: Christian Leitz
Reliefs am Tempel von Edfu mit dem falkenköpfigen Gott Horus.
Foto: Archivfoto: Christian Leitz

Warum braucht es Ägyptologie?

Leitz: Wer unter Kultur Doku-Soaps auf RTL II versteht, braucht das nicht. Aber Ägyptologie ist eine im Wesentlichen europäische und amerikanische Wissenschaft. In Ägypten gibt es zwar auch Ägyptologen, aber die Fachliteratur ist auf Englisch und Französisch. Das begann mit Jean-Francois Champollion, der vor über 200 Jahren die Hieroglyphen entziffert hat, und ist ein bedeutendes Erbe der Weltgeschichte. Es gibt weltweit nicht unendlich viele Leute, die dies auf einem gehobenen Niveau betreiben können. Und das Dokumentieren und Auswerten lässt sich nicht ewig ausdehnen: Niemand weiß, ob wir in zehn Jahren dort noch wissenschaftlich tätig sein können. Aus politischen Gründen, wegen des gigantischen Bevölkerungswachstums. Mit aktuell über 100 Millionen Einwohnern auf einer landwirtschaftlich nutzbaren Fläche, die kleiner ist als Baden-Württemberg? Immer mehr archäologische Stätten, die de jure geschützt sind von der Altertümerverwaltung, werden überbaut. Das ist nicht mehr rückgängig zu machen.

Sind geschichtliche Erkenntnisse, egal aus welcher Epoche und Region, für die Gesellschaft an sich von Bedeutung?

Leitz: Es sollte auf jeden Fall selbstverständlich sein, dass man an einer sogenannten Elite-Uni auch Arabisch, Chinesisch, Japanisch studieren kann. Und zwar nicht nur als eine Art Dolmetscherausbildung, sondern, dass es da auch Leute gibt, die sich mit der Kultur in einem weiteren Sinne auskennen.

Prof. Christian Leitz vor seinem Büro im Schloss Hohentübingen mit Nachbildungen altägyptischer Säulen.
Prof. Christian Leitz vor seinem Büro im Schloss Hohentübingen mit Nachbildungen altägyptischer Säulen. Foto: Privat
Prof. Christian Leitz vor seinem Büro im Schloss Hohentübingen mit Nachbildungen altägyptischer Säulen.
Foto: Privat

Inwiefern profitiert die Uni Tübingen von Ihrer Tätigkeit?

Leitz: Beispielsweise legt die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG für jeweils 100.000 Euro, die Sie dort besorgen, noch 22 Prozent, also 22.000 Euro, drauf. Davon gehen 75 Prozent an die Wilhelmstraße 5, das hat das Rektorat mehr oder weniger zur freien Verfügung. Nur das letzte Viertel kommt bei mir an. Ich bin also nicht nur Kostgänger.

Zudem gehen Berichte über die Erfolge Ihres Esna- und Athribis-Projekts mit schönen Bildern um die Welt.

Leitz: Das ist letztlich Werbung für die Uni Tübingen. Leider nimmt das der Rechnungshof so nicht wahr. Die meinen, wenn da weniger als zehn Masterstudenten sind, sitzen die Professoren nur dumm rum. Aber ich denke, das ist jetzt weitestgehend vom Tisch. Kleine geisteswissenschaftliche Fächer gehören zu einer Volluniversität nun mal dazu.

Am Grabungsort in Esna kam vor Jahren dieses Skorpion-Sternzeichen zu Tage und wurde durch Christian Leitz restauriert.
Am Grabungsort in Esna kam vor Jahren dieses Skorpion-Sternzeichen zu Tage und wurde durch das ägyptische Restauratorenteam restauriert. Foto: Ahmed Amin/ Ministry of Tourism and Antiquities
Am Grabungsort in Esna kam vor Jahren dieses Skorpion-Sternzeichen zu Tage und wurde durch das ägyptische Restauratorenteam restauriert.
Foto: Ahmed Amin/ Ministry of Tourism and Antiquities

Wer hat die ganzen vielfältig aufeinander Bezug nehmenden Inschriften am Tempel von Esna geplant?

Leitz: Wer das persönlich war, kriegt man nicht raus. Aber ich gehe davon aus, dass das aus einem Guss geplant wurde. Das war sicher jemand, meinetwegen der Chefpriester, der während der Bauzeit von zehn oder 15 Jahren viel Zeit damit verbracht hat, sich die Dekorierung zu überlegen. Das war sicherlich sein Lebenswerk. Die Leute waren ja nicht abgelenkt, die mussten nicht alle zehn Minuten auf ihr Smartphone kucken, sondern konnte sich auf die Planung konzentrieren.

Geschah das mit dem Ziel, Informationen für die Nachwelt zu erhalten?

Leitz: Die sind ja nicht davon ausgegangen, dass ihre Ära langsam schon den Bach runter geht. Wir wissen das natürlich im Nachhinein, aber aus der damaligen Perspektive war das nicht so klar erkennbar. Mag sein, dass jemand aus dem Jahr 2128 in der Retrospektive aufs Jahr 2024 blickt und sagt, das war kurz bevor Deutschland doch eine russische Kolonie geworden ist, weil Trump sich aus allem zurückgezogen hat. Aber wir wissen das ja heute nicht. Aus der damaligen Sicht hat man sicher gedacht, das geht alles so weiter. Anders kann ich es mir nicht vorstellen. Es war klar, dass man immer wieder neue Tempel bauen musste, einmal, weil die Alten verfielen - in der Ptolemäerzeit haben die nicht ohne Grund schon fünf bis sechs Meter tiefe Fundamente gemacht. Trotz Erdbeben sind die wahrscheinlich davon ausgegangen, dass das tendenziell für die Ewigkeit steht. Zumindest eine aus ihrer Sicht überschaubare Ewigkeit. (GEA)

Zur Person

Prof. Dr. Christian Leitz ist Direktor der Abteilung für Ägyptologie sowie Geschäftsführender Direktor des Instituts für die Kulturen des Alten Orients (IANES) an der Universität Tübingen. Seine Forschungsschwerpunkte sind Ägyptische Religion und Wissenschaft sowie griechisch-römische Tempelinschriften.

Geboren wurde er am 7. August 1960 in Borghorst/Westfalen. Die Familie zog durch den Beruf des Vaters alle drei Jahre um – die letzten 15 Jahre seines Lebens war der Textildesigner am Technikum in Reutlingen tätig – über Bielefeld nach Hof und Bopfingen, sodann 1974 nach Riedlingen, wo Christian Leitz Abitur machte. Nach dem Militärdienst in Ulm studierte er zunächst Germanistik und Philosophie in Marburg, was er alsbald in Ägyptologie, Assyriologie und Koptologie änderte – später auch in Göttingen. 1989 folgte dort die Promotion mit Studien zur ägyptischen Astronomie. 1993 habilitierte er in Köln.

Zwischen 1993 und 1998 erhielt er das Heisenberg-Stipendium der DFG, darauf folgten etliche weitere Auszeichnungen. Von 2010 bis 2022 war er Forschungsstellenleiter des Projekts »Der Tempel als Kanon der religiösen Literatur Ägyptens«. Seit 1991 veröffentlichte er zahlreiche Studien und Bücher, zurzeit etwa eines pro Jahr. (dia)