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Aktuell Abschied

Reutlingens Amtsleiter Uwe Weber sagt Servus

Uwe Weber, langjähriger Hüter der Reutlinger Schulen, Sportstätten und Jugendeinrichtungen, sagt Servus und hält Rückschau auf vier Dekaden im Verwaltungsdienst.

Uwe Weber
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REUTLINGEN. Beschleunigte Gangart, beschleunigtes Sprechtempo: Uwe Weber mochte und mag es zackig. Als Sportler hat er binnen der zurückliegenden vier Dekaden raschen Schrittes zahllose Kilometer unter die Sohlen genommen und als Leiter des kommunalen Amts für Schulen, Jugend und Sport Wortbeiträge meist ohne Punkt und Komma rausgehauen. Denn wo andere, entschleunigtere Naturen, noch im Begriff stehen, ihren allerersten Satz zu formulieren, sind Uwe Weber bereits fünf über die Lippen gekommen. Ach was, sieben!

Wiewohl es niemals Sprechblasen waren, die der jüngst aus dem Amt geschiedene Behörden-Chef in Ratssälen und Konferenzräumen, bei Vereinsjubiläen oder Richtfesten aufsteigen ließ, sondern Fakten, Fakten, Fakten: detailliert und stimmig, fundiert und flitze-flott präsentiert. Was die mit Block und Stift hantierende Lokalpresse zuweilen in Verdrückung brachte - »äh, wie war das noch gleich im Mittelteil?«

Zuverlässige Antworten auf Fragen

Nun, es ließ sich klären. Denn auch dafür war der Amtsleiter bekannt: für seine zuverlässigen zeitnahen Antworten auf Nach-, Verständnis- oder Zusatzfragen. Eine lange Bank? Die suchte man in seinem Büro vergebens. Obschon der Raum groß genug für jenes berüchtigte Verwaltungsmöbel gewesen wäre, auf das sich - zumindest sprichwörtlich - manches schieben lässt.

Im zweiten Stock des Alten Rathauses untergebracht, empfängt Webers bisherige und unlängst von seinem Nachfolger Kurt Meyer bezogene Amtsstube die Besucher mit reichlich Tageslicht. Hell ist sie, zweckmäßig eingerichtet und mittlerweile komplett »entwebert«. Seine »persönlichen Sachen, die Bilder«, sagt der 60-Jährige, »sind schon weggeräumt«. Nur fürs Fotoshooting setzt sich der gebürtige Rübgartener noch einmal an den vertrauten Schreibtisch, der jetzt nicht mehr seiner ist.

Mit seiner »Freundin« unterwegs

Die Kamera klickt und Weber erzählt, dass er froh darüber war, als er und sein Team anno 2009 vom ursprünglichen Amtssitz im »Hamburg-Mannheimer-Gebäude« in die Rathausstraße 6 umziehen konnten. Der kürzeren Wege wegen. Hatte sich das Hin-und-Her zwischen Konrad-Adenauer-Straße und Reutlinger Rathaus doch als suboptimal erwiesen.

Gependelt ist Weber damals mit einem Fahrrad, dass das Frauenjournal »Freundin« irgendwann einmal auf den Markt gebracht hatte. Ein gebrauchter Drahtesel nebst Zeitschriften-Logo war's - »günstig erworben« - der seinen Zweck erfüllte und die Kollegenschaft in der Stadtverwaltung zum Schmunzeln brachte: »Ja, ja, der Weber. Ist wieder mit seiner 'Freundin' unterwegs …«

Nach mehr als 40 Jahren verlässt Uwe Weber (links) die Stadtverwaltung, Reutlingens OB Thomas Keck würdigte jüngst seine Arbeit
Nach mehr als 40 Jahren verlässt Uwe Weber (links) die Stadtverwaltung, Reutlingens OB Thomas Keck würdigte jüngst seine Arbeit bei der offiziellen Abschiedsfeier und begrüßte den Nachfolger im Amt für Jugend, Schule und Sport, Kurt Meyer (rechts). Foto: Norbert Leister
Nach mehr als 40 Jahren verlässt Uwe Weber (links) die Stadtverwaltung, Reutlingens OB Thomas Keck würdigte jüngst seine Arbeit bei der offiziellen Abschiedsfeier und begrüßte den Nachfolger im Amt für Jugend, Schule und Sport, Kurt Meyer (rechts).
Foto: Norbert Leister

Die Erinnerung daran bringt den 60-Jährigen unwillkürlich zum Lachen. Am Ende des Pressegesprächs wird er erklären, dass er - selbst wenn es eine autobiografische Reset-Taste gäbe - »alles wieder genau so machen würde, wie ich es getan habe«.

Erfüllend waren für ihn die vergangenen 40 Berufsjahre in der Reutlinger Stadtverwaltung. Zuweilen herausfordernd und - ja, auch das - manchmal belastend. Unterm Strich jedoch »richtig gut, überwiegend positiver Stress«.

Dass seine nun beginnende Freistellungsphase - den tatsächlichen Ruhestand tritt Uwe Weber erst 2027 an - einem harten Cut gleichkommt, ist ihm klar. Allerdings handelt es sich um einen lebensläufigen Einschnitt, der von längerer Hand geplant war. »Ganz ehrlich, ich freue mich darauf, dass mein Kalender jetzt wieder mir gehört, die Tage nicht mehr so straff durchgetaktet sind.« Auch die zahlreichen offiziellen Wochenendtermine wird Uwe Weber, der sich als Mann mit »eher preußisch-schwäbischer Grundhaltung« charakterisiert, kaum vermissen. Wiewohl ihm der Zeitpunkt seines beruflichen Ausscheidens trotzdem »ein bisschen unglücklich« erscheint: mit Blick auf die anstehenden Veränderungen in der baden-württembergischen Bildungslandschaft.

Schwergewichtiges Reform-Paket aus Stuttgart

Das jüngst vom Stuttgarter Landtag verabschiedete Reform-Paket, so Weber sinngemäß, sei ein beispielloses Schwergewicht. Denn nie zuvor habe er während seiner 26-jährigen Amtsleiterschaft eine solche Fülle parallel oder kurz hintereinander umzusetzender Neuerungen erlebt.

Schon allein die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium sei eine personelle und räumliche - das für Weber in Zeiten knapper Kassen alternativlose evangelische Gymnasium lässt grüßen - Herkules-Aufgabe. Ein »Kraftakt«, der indes von weiteren Kraftakten flankiert wird. Weber nennt unter anderem für 2028/29 geplante Juniorklassen. Er spricht von der Einrichtung sogenannter Sprachfördergruppen im Rahmen des »Sprach-fit-Programms« und vom Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung auch während der Schulferien, von Oberstufenverbünden und davon, dass »vieles« - Stand heute - noch mit Fragezeichen behaftet sei.

Erst Sozialamt, dann persönlicher Referent von OB Oechsle

Keine Zweifel: Bildung ist ein weites Feld, von dessen Dimensionen und tektonischen Verwerfungen Uwe Weber zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn nachvollziehbar keine blasse Ahnung hatte; also 1984, als er nach dem Abitur seine Ausbildung für den gehobenen nicht-technischen Verwaltungsdienst in Angriff nahm und diese 1988 erfolgreich abschloss, um sodann im städtischen Sozialamt zu landen, eher er 1994 persönlicher Referent von Oberbürgermeister Dr. Manfred Oechsle wurde.

Im Februar 1999 schließlich: ein bemerkenswerter Karrieresprung. Weber wurde mit Aufbau und Leitung des Reutlinger Amts für Jugend und Sport betraut - nachdem die große Politik der präventiven, professionellen Jugend-Sozialarbeit kurz vor der Jahrtausendwende den Weg geebnet hatte und landauf, landab betreute Freizeit-Einrichtungen für Teenager aus dem Boden gestampft wurden. So auch in Reutlingen.

OB Thomas Keck (links) plauderte vor geraumer Zeit mit Uwe Weber über das »unverzichtbare« Ehrenamt.
OB Thomas Keck (links) plauderte vor geraumer Zeit mit Uwe Weber über das »unverzichtbare« Ehrenamt. Foto: SPIESS
OB Thomas Keck (links) plauderte vor geraumer Zeit mit Uwe Weber über das »unverzichtbare« Ehrenamt.
Foto: SPIESS

Uwe Weber begleitete hier den Auf- und Ausbau von insgesamt acht Jugendtreffs- und -häusern wie zum Beispiel dem »Ariba« im Ringelbachgebiet (1999), dem Holzhaus im Hohbuch (2000) und dem Jugendcafé am Federnseeplatz (2003). Nebenher und zwischendurch der Aufstieg des SSV Reutlingen in die Zweite Bundesliga nebst (umstrittenem) Tribünen-Neubau - und einer Verkettung misslicher Umstände.

Entwickelte sich der Höhenflug der Kreuzeiche-Kicker doch zum Trauerspiel mit Verstößen gegen Lizenzauflagen, dem daraus resultierenden »Doppel-Abstieg« der Reutlinger Elf und einem darob migränierten Jugend- und Sportamtsleiter, der quasi von heute auf morgen einen Plan B für die Zukunft der überdimensionierten Fußball-Arena aus dem Hut zaubern sollte. Als städtischer Vermieter der Sportimmobilie oblag es nämlich Weber, Rasen und Ränge zu füllen - irgendwie. Gerne auch kreativ.

Kreative Mischnutzung des Kreuzeiche-Stadions

Und so entstand eine Mischnutzung. Die Kreuzeiche wurde Schauplatz von Jugendländerspielen und der Frauen-Europameisterschaft einerseits, andererseits wurde sie zur großen Bühne für Kulturevents - von der »Classic Night« bis zum Sommer-Open-Air. Außerdem, erinnert sich Uwe Weber, beherbergte das Stadion 2017/18 Flüchtlinge und diente 2021 als Corona-Impfzentrum. Von einer ordentlichen Auslastung sei man jedoch immer weit entfernt gewesen. »Bis heute«, bedauert der 60-Jährige, »ist das Stadion leider untergenutzt«.

Gut genutzt hingegen: die Schulmensen, die dank des IZBB-Fördertopfs (Investitionsprogramm für Zukunft, Bildung und Betreuung) ab 2004 - übrigens dem Jahr, da die kommunale Schulabteilung ans Jugend- und Sportamt angedockt wurde - gebaut und in Betrieb genommen werden konnten. »Wir haben 20 Anträge gestellt. Davon sind 16 bewilligt worden. Ein sensationeller Satz!«

20 Millionen Euro hatte der Bund damals in Reutlingens Schulen investiert. Was definitiv das Verdienst von Uwe Weber war. Denn dank seiner Trüffelschwein-Qualitäten hatte er frühzeitig IZBB-Witterung aufgenommen und tatsächlich den richtigen Riecher gehabt. Vergeben wurden die Fördermittel damals nämlich nach dem Prinzip »Wer zuerst kommt, mahlt zuerst«. Und Weber? Der kam und mahlte.

Zuletzt ein Chef über 130 Mitarbeiter

Jetzt geht er und freut sich auf den neuen Lebensabschnitt. »Ich will wieder mehr Sport treiben, mehr Laufen«, nennt er einen seinen Pläne. Als »passiver Musikalist« und Bob-Dylan-Fan möchte er darüber hinaus Konzerte besuchen und sich als historisch interessierter Mensch, der Archäologie und hier ganz besonders der Maya-Kultur und der Geschichte Mittelamerikas widmen.

»Mein Alltag wird jetzt anders, das ist logisch«, sagt Weber, der zuletzt Chef über einen 130-köpfigen Mitarbeiterstab war und diesen keineswegs mit fliegenden Fahnen verlässt. Jedoch: die Aussicht auf ein weit weniger termingetriebenes Leben ist schon verlockend. »Ich freue mich darauf«, spricht’s und enteilt beschleunigten Schritts ins Treppenhaus. (GEA)