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Reutlingen vs. Dapfen: Lieber aufs Land oder in die Stadt?

Wo Familien gerne wohnen, ist mehr als eine Geschmacksfrage. Wir haben eine Mutter besucht, die mit ihren Töchtern gerne in Reutlingen wohnt, sowie eine von der Alb begeisterte Großfamilie. Warum sich beide Familien dort zu Hause fühlen, wo sie sind.

Auf der Alb ist ein großzügiges Eigenheim wie das von Christina und Florian Neske noch erschwinglich.
Auf der Alb ist ein großzügiges Eigenheim wie das von Christina und Florian Neske gerade noch erschwinglich. Foto: Stephan Zenke
Auf der Alb ist ein großzügiges Eigenheim wie das von Christina und Florian Neske gerade noch erschwinglich.
Foto: Stephan Zenke

REUTLINGEN/GOMADINGEN. »Wir wohnen da, wo andere Urlaub machen«, freut sich eine Familie auf der Alb. »Uns hat’s gepackt – wir sind Städter«, begeistert sich eine Mutter in Reutlingen. Auf dem Land oder in der Stadt zu leben, ist für Familien mehr als Geschmackssache. Ein Vergleich der guten Gründe für ganz unterschiedliche Wohnorte.

»Ich war schon immer ein Stadtmensch«, sagt eine strahlende Victoria Schaper (43) im Wohnzimmer ihrer schmucken Wohnung in der Reutlinger Oststadt: Altbau, vier Zimmer, frisch saniert sowie abgesehen vom aus der Charlottenstraße direkt vor ihre Haustüre umgelenkten Autoverkehr auch ruhig gelegen. Für die Mutter von Lara (16) und Anna (11) ist es ihr zweites Zuhause in der Großstadt. Davor hat sie auch schon auf dem Dorf gelebt. Sie verfügt also über Landerfahrung, hat sich ganz bewusst für ein Stadtleben entschieden. In der Achalm-Metropole ein Dach über dem Kopf für sich und ihre Töchter zu finden, ist bei ihr in zwei Schritten abgelaufen: »Ich habe zuerst nach einer Eigentumswohnung als Altersvorsorge geschaut. Aber das ist echt unbezahlbar. Dann bin ich auf Mietswohnung umgeschwenkt. Das ging eigentlich ganz einfach«. Ihre erste Reutlinger Bleibe sucht und findet sie im Internet, wird von einem Immobilienunternehmen zum Vorstellungsgespräch mit neugierigen Damen eingeladen. An die Altstadtwohnung kommt sie über persönliche Beziehungen. Doch welche Vorzüge hat die Stadt für sie?

In der Stadt braucht Victoria Schaper kein Auto. Sie genießt es, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren.  FOTOS: ZENKE
In der Stadt braucht Victoria Schaper kein Auto. Sie genießt es, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren. FOTOS: ZENKE
In der Stadt braucht Victoria Schaper kein Auto. Sie genießt es, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren. FOTOS: ZENKE

Kultur und mehr in der Stadt

»Kurze Wege, Unterhaltung und Aktivitäten, die Menschen. Hier ist es normal, dass ganz viele unterschiedliche Persönlichkeiten zusammenleben«, sagt Victoria Schaper. »Man ist in der Stadt eigentlich anonym. Aber wenn ich nicht alleine sein möchte, dann bin ich es auch nicht«, ergänzt sie. Mit ihren Töchtern geht sie gerne in den nahen Stadtpark oder auf die Achalm. Gefunden hat sie in der Stadt auch eine gute Anstellung. Während sie in der Provinz zum Job mit dem Auto fahren musste, steht ihr Kleinwagen überwiegend brav auf seinem Parkplatz. Victoria Schaper ist meistens auf ihrem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs, »ich nehme das Auto nur noch für den Großeinkauf, oder um meine Mutter zu besuchen«. Es ist also eine bunte Mischung, die Reutlingen für diese Familie so anziehend macht: schöne bezahlbare Wohnung, Kultur und Straßenleben einer Großstadt, ein anständiger Arbeitsplatz, der ohne Stress erreichbar ist. Die Frage nach irgendwelchen Nachteilen beantwortet sie zügig, »Mir fällt gerade keiner ein«. Besser scheint es kaum zu gehen. Doch die Familie Neske im Dörfchen Dapfen findet ein anderes Familienleben anziehender.

In der Stadt sind Pferdekoppeln eher selten, aber für Neskes auf dem Land nur ein paar Schritte entfernt. Das wissen vor allem d
In der Stadt sind Pferdekoppeln eher selten, aber für Neskes auf dem Land nur ein paar Schritte entfernt. Das wissen vor allem die Töchter zu schätzen. Foto: Stephan Zenke
In der Stadt sind Pferdekoppeln eher selten, aber für Neskes auf dem Land nur ein paar Schritte entfernt. Das wissen vor allem die Töchter zu schätzen.
Foto: Stephan Zenke

Am Rande des Fleckens, der eher durch seine Nähe zum Haupt- und Landgestüt Marbach denn für sich selbst bekannt ist, fällt der Blick auf ein schmuckes hellblaues Haus. So neu gebaut, dass der Rasen vor der Terrasse gerade mal ausgesät ist. Hier ist das Zuhause von Christina (40) und Florian (47) Neske mit ihren vier Töchtern. Er stammt aus Frankfurt am Main, sie kommt aus Mettmann bei Düsseldorf – zwei Großstadtmenschen, die auf der Alb glücklich sind. Vor Dapfen haben sie in Nufringen bei Herrenberg gewohnt. Es hat ihnen in der abgemilderten Provinz gefallen, »aber dort waren die Bauplätze extrem teuer«. Fünf Jahre lang suchen Neskes nach Grund und Boden in einem immer weiteren Kreis um Tübingen, wo beide Ehepartner als Naturwissenschaftler arbeiten. Schließlich finden sie den passenden Baugrund bei der Gemeinde Gomadingen. Aber Moment mal, was bringt zwei in Tübingen ihr Geld verdienende Menschen dazu, mit Kindern auf die Alb zu ziehen – denn der Weg an den Neckar ist weit und beschwerlich?

Die Großstadt hat viel Kultur zu bieten. Victoria Schaper schätzt beispielsweise das öffentliche Bücherregal in der Wilhelmstraß
Die Großstadt hat viel Kultur zu bieten. Victoria Schaper schätzt beispielsweise das öffentliche Bücherregal in der Wilhelmstraße. Foto: Stephan Zenke
Die Großstadt hat viel Kultur zu bieten. Victoria Schaper schätzt beispielsweise das öffentliche Bücherregal in der Wilhelmstraße.
Foto: Stephan Zenke

Homeoffice auf der Alb

Des Rätsels Lösung ist zugleich ein Zeichen dafür, wie wichtig auf der Alb ein guter Internetanschluss für Gemeinden ist: Mutter und Vater dürfen online arbeiten, »ohne Homeoffice könnten wir das hier nicht leben«. Zwar taugt die Leitung in Dapfen nur für schlappe 50 Mbit (Megabit pro Sekunde), während in der Reutlinger Kernstadt 100 Mbit und mehr kein Problem darstellen, aber am Horizont winkt ein Glasfaseranschluss. »Unsere Lebenssituation hat sich unseren Bedürfnissen angepasst«, beschreibt Christina Neske die Vorzüge des Landlebens: ein eigenes Haus mit eigenen Zimmern für die Töchter Carlotta (15), Amelie (13), Mia (9) und Jana (6). »Auch Platz für uns. Man kann sich auch mal aus dem Weg gehen«, meint Florian Neske. Dazu komme eine »tolle Natur. Wir gehen gerne raus wandern«. Endlich konnten sie sich auch den Traum vom eigenen Hund erfüllen. Theo, der menschenfreundliche Labrador, liegt unter dem Esstisch. Die nächste Pferdekoppel ist nur ein paar Schritte weit vom Haus entfernt. Das Fohlen dort ist der Anziehungspunkt für die Kinder, die offenbar auch direkt Anschluss gefunden haben. Spielen vor der Haustüre oder im Grünen ist kein Risiko, denn es gibt weder Verkehr noch Kriminalität – in Dapfen ist die Welt in Ordnung. Jedenfalls fast. Das Mobilfunknetz ist so löchrig wie der Fahrplan des Busverkehrs zwischen Wohnort und Schule beziehungsweise Kinderbetreuung. Ohne zwei Autos wäre familiengerechte Mobilität noch nicht machbar. Aber das kann den Gesamteindruck nicht trüben. (GEA)

SO GEHT’S WEITER

Traum vom Eigenheim: Was macht für Familien Sinn? Mieten oder kaufen, was müssen Sie beachten? Darum geht es in der nächsten Folgen am Dienstag, 21. Juni. Alle bisher in der GEA-Familienserie erschienen Beiträge sind in einem Online-Dossier nachzulesen. www.gea.de/familienzeit