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Radunfallzahlen für Reutlingen: »Nicht beruhigend«

Reutlinger Gemeinderäte interpretieren die Polizeistatistik speziell für Rad-, Fußgänger- und Schulwegunfälle sehr unterschiedlich.

2023 registrierte die Stadt 184 registrierte Radunfaälle in Reutlingen. Dabei gab es 150 teils Schwerverletzt und einen Toten.
2023 registrierte die Stadt 184 registrierte Radunfaälle in Reutlingen. Dabei gab es 150 teils Schwerverletzt und einen Toten. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa/dpa
2023 registrierte die Stadt 184 registrierte Radunfaälle in Reutlingen. Dabei gab es 150 teils Schwerverletzt und einen Toten.
Foto: Daniel Bockwoldt/dpa/dpa

REUTLINGEN. Eigentlich wollte man einen Polizeivertreter in die Sitzung des Finanzausschusses einladen, der die Zahlen zum Unfallgeschehen in Reutlingen erläutert. Wegen »Personal-Engpässen« sei jedoch niemand gekommen, erläuterte Roland Wintzen den Räten. Für den Finanzbürgermeister kein Problem. Er bezeichnete die Daten der Polizei als »selbsterklärend«.

Auf zwei Anfragen der Grünen hin hat die Polizei das Unfallgeschehen speziell im Hinblick auf Rad- und Fußverkehr und Schulwegunfälle aufgeschlüsselt. Dr. Karsten Amann, Sprecher der Grünen und Unabhängigen, nannte das Ansinnen der Anfragen: Man habe »das Augenmerk auf die Schwächsten richten« wollen.

»Rücksicht muss als Verhaltensinstruktion gelten«

Ordnungsamtschef Albert Keppler nannte Kernpunkte im Hinblick auf die Fußgänger: 2021 und 2022 wurden jeweils 4 Passanten schwer verletzt, 2023 waren es 9. In 2021 zogen sich 34 Personen leichte Verletzungen zu, in 2022 und 2023 jeweils 27. Niemand kam zu Tode in diesem Zeitraum. Eine Karte der Unfallorte 2023 zeigt keine Häufung schwerer Unfälle an bestimmten Orten.

Auch für die Radler wurde laut Keppler in 2023 kein Hotspot ausgemacht. Ein Toter ist zu beklagen, ein MTB-Fahrer abseits des Straßengeschehens auf einem schmalen abschüssigen Weg (2021: 1 Toter, 2022 kein Toter). 14 schwerverletzte Radfahrer in 2021, 19 in 2022, 16 in 2023. Leichtverletzte gab es im gleichen Zeitraum 129, 146 beziehungsweise 133. Keppler erwähnte auch, dass die Häfte der Radunfälle Alleinunfälle seien. Eine interessante Information, die er nicht mit weiteren Erkenntnissen unterlegte.

Keine Toten, lediglich 8 Leichtverletzte: So lautet die polizeiliche Schulwegunfallbilanz für die Jahre 2021 bis 2023. »Das hat uns sehr gefreut«, sagte Keppler.

Der Amtsleiter sieht insgesamt positive Entwicklungen in der Stadt. Zeigen doch die Gesamt-Unfallzahlen der letzten 30 Jahre, die die Polizei ebenfalls aufgelistet hatte, den Trend zu einer Abnahme von Toten und (Schwer-)Verletzten. Ein Grund sind für Keppler »die Geschwindigkeitsreduzierungen aus Lärmaktionsplan und Luftreinhalteplan. Sie zahlen sich aus.«

»Wir müssen über das Verhalten der Radler reden«

Auch CDU-Gemeinderat Frank Glausinger sieht die Stadt insgesamt »auf einem guten Weg«. Dass sich die Zahlen bei den Radfahrern nicht sichtbar zum Positiven bewegen, führt er auch auf deren »explosionsartige Ausbreitung« zurück. Zudem würden dank E-Bike Menschen aufs Rad steigen, die dies früher nicht (mehr) getan hätten. Auch müssten sich Radler »an die Spielregeln halten«. Da gebe es welche, die führen schneller als Autos oder nutzten die Straße, obwohl nebendran ein eigener sicherer Weg ist.

Auch AfD-Chef Hansjörg Schrade stieß in dieses Horn. »Wir müssen über das Verhalten der Radler reden.« Sie würden sich bewegen als gebe es nur sie allein auf der Welt. Man erlebe »Haarsträubendes«.

WiR-Rat Marco Wolz findet indes die positive Bewertung der Statistik »absurd«: 184 registrierte Radunfälle in 2023 insgesamt seien »absolut nicht beruhigend. In 2018 hatten wir 144«, erinnerte er sich. »Jetzt haben wir eine hohe Zahl trotz Masterplan Radverkehr und obwohl sich einiges getan hat.« Er kritisierte bei dieser Gelegenheit den Masterplan, der Radler teils auf Tempo-50-Strecken schicke. Am besten sei ohnehin, die Verkehrsarten in der Stadt zu trennen. »Sonst gehen die Zahlen nicht ’runter.«

SPD-Chef Helmut Treutlein fand, die allgemeine Statistik wirke »beruhigend«, aber die Zahlen müssten natürlich zurückgehen. Dazu müsse sich auch das Verhältnis von Radfahrern zu Autofahrern und das von Radler zu Fußgängern verändern. Rücksicht müsse als Verhaltensinstruktion akzeptiert werden. Temporeduzierung ist auch für ihn ein Königsweg: »Je langsamer, desto weniger folgenreich der Unfall. Die Radler können besser mitschwimmen, müssen nicht mehr überholt werden.« Rüdiger Weckmann (die Linke/Partei) sieht die Probleme der Verkehrstrennung, »Raum lässt sich nicht endlos vermehren.« Dennoch müsse Infrastruktur Toleranz bieten. »Fehler dürfen nicht töten.« (GEA)