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Rabenmutter vor dem Amtsgericht Reutlingen

Die eigenen Kinder soll eine Frau misshandelt und missachtet haben. Was Zeugen im Prozess vor dem Amtsgericht Reutlingen aussagen.

Das Amtsgericht Reutlingen.
Das Amtsgericht Reutlingen. Foto: Stephan Zenke
Das Amtsgericht Reutlingen.
Foto: Stephan Zenke

REUTLINGEN. Glücklicherweise beginnt die Fortsetzung des Prozesses gegen eine mehrfache Mutter, die ihre eigenen Kinder geschlagen und vernachlässigt haben soll, vor dem Amtsgericht Reutlingen nach dem Frühstück. Denn verstörende Zeugenaussagen zeichnen das Bild einer ekelhaften Kinderstube. Die damals siebenjährige Tochter sowie der vierjährige Sohn mussten sich demnach in einer Wohnung zwischen verdorbenen Lebensmitteln und vergammelten Kleidern aufhalten.

»Einfach komplett verdreckt«, beschreibt eine Polizistin im Zeugenstand die Verhältnisse in der Reutlinger Wohnung der 45-jährigen Angeklagten, die der Aussage ohne irgendwelche Zeichen von Betroffenheit zuhört. Zu Prozessbeginn ist sie in Handschellen aus der Haft vorgeführt worden. Die Beamtin erzählt von einem Einsatz, der ihr und den Kollegen Übelkeit bereitet habe.

Im Gerichtssaal

Richter: Eberhard Hausch. Schöffen: Gisela Wörz und Eberhard Gröner. Staatsanwältin: Rotraud Hölscher. Verteidigerin: Saskia Meier-Schlüren. (zen)

Bei einer Durchsuchung der Wohnräume von Mutter und Kindern musste die Beamtin über Berge von verschmutzter Kleidung und Müll steigen. Als sie in der Küche den Kühlschrank öffnete, in dem sich nur vergammelte Speisen befanden, kamen ihr irgendwelche Insekten und Maden entgegen geflogen. Dabei ging es in diesem Fall um eine Diebstahlanzeige eines sogenannten Bekannten der Angeklagten gegen die Frau. Die stellte sich zwar als »sehr unglaubwürdig« heraus, würde aber zum bedrückend langen Vorstrafenregister passen. Vor dessen Hintergrund sind auch die aktuell verhandelten Tatvorwürfe keine Überraschung.

»Die Kinder haben berichtet, dass es sehr schmutzig war«

Laut Staatsanwältin Rotraud Hölscher soll die Mutter von sechs Kindern ihre beiden jüngsten Sprösslinge misshandelt haben. »Die Angeschuldigte kümmerte sich selbst um die grundlegenden Bedürfnisse ihrer Kinder nicht oder höchst unzureichend«, sagt Hölscher. Den kleinen Menschen war »unter Androhung von Schlägen« untersagt, aus ihrem Zimmer zu kommen. Mehr noch mussten sie hungern, oder bekamen nur eine ungesunde Ernährung mit vielen Süßigkeiten. Dies hat verheerende Folgen auf ihre Gesundheit gehabt, wie weitere Zeugenaussagen dokumentieren. »Die Zähne waren behandlungsbedürftig«, erklärt ein Reutlinger Kinderarzt. Auf Nachfrage spricht er dann von »völlig kaputten« Gebissen. Ob er denn eine Vernachlässigung festgestellt habe, möchte die Schöffin Gisela Wörz wissen.

»Wirklich grobe Geschichten nicht, aber es war eine Gratwanderung«, sagt der Mediziner. Seine Aussage steht damit im Zusammenhang mit der erdrückend im Sitzungssaal 1 schwebenden Frage, wieso das Jugendamt bei einer bereits als »nicht erziehungsgeeignet« verurteilten Frau offenbar so lange nicht im Sinne des Kindeswohles tätig geworden ist. Denn Tochter und Sohn ist es wohl alles andere als gut gegangen, wenn man einem ihrer aktuellen Betreuer Glauben schenkt.

»Die Tochter sagt, sie sei von ihrer Mutter geschlagen worden«

»Wir haben von Anfang an festgestellt, dass das Zahnbild nicht stimmt. Das sah gar nicht gut aus«, meint der Mitarbeiter einer Wohngruppe, in der die laut Anklage misshandelten Kinder jetzt zu Hause sind. Beide Minderjährigen hätten zudem an der Krätze gelitten. Auffällig sei gewesen, dass sich die Geschwister zu Beginn bei den Mahlzeiten vollstopften – wohl aus der erlernten Angst heraus, es könne lange nichts mehr geben. Das sei aber leider noch nicht alles gewesen.

Mit ernstem Gesichtsausdruck berichtet der Erzieher von seinen Gesprächen mit den Kindern. »Die Tochter sagt, sie sei von ihrer Mutter geschlagen worden, wünscht keinen Kontakt mehr«, sagt er aus. Weitere Details aus der Kinderstube liefert eine Frau von der pädagogischen Fachaufsicht.

»Die Kinder haben berichtet, dass es sehr schmutzig gewesen ist. Sie durften nicht aus dem Zimmer, sie sind auf den Kopf geschlagen worden«, stellt die Zeugin fest. Teilweise seien die Minderjährigen tagelang auf sich selbst gestellt gewesen, hätten sich irgendetwas Essbares bei Imbissbuden erbettelt, »weil die Mama geschlafen hat«. Das Verfahren soll am Freitag, 2. Februar, um 9.45 Uhr fortgesetzt werden. (GEA)