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Psychisch kranker Reutlinger Täter zu Freiheitsstrafe verurteilt

Die Strafe für seine Angriffe auf mehrere Vollstreckungsbeamte in der Reutlinger Innenstadt hat ein 27 Jahre alter Deutscher am Freitag vom Tübinger Landgericht erhalten.

Vor dem Landgericht in Tübingen wurde ein Mann verurteilt, der mehrere Angriffe auf Mitarbeiter des Reutlinger Ordnungsamtes ver
Vor dem Landgericht in Tübingen wurde ein Mann verurteilt, der mehrere Angriffe auf Mitarbeiter des Reutlinger Ordnungsamtes verübt hat. Foto: Stephan Zenke
Vor dem Landgericht in Tübingen wurde ein Mann verurteilt, der mehrere Angriffe auf Mitarbeiter des Reutlinger Ordnungsamtes verübt hat.
Foto: Stephan Zenke

REUTLINGEN/TÜBINGEN. Die Strafe für seine Angriffe auf mehrere Vollstreckungsbeamte in der Reutlinger Innenstadt hat ein 27 Jahre alter Deutscher am Freitag vom Tübinger Landgericht erhalten. Der psychisch kranke Täter wurde zu zwei Jahren Freiheitsstrafe sowie Unterbringung im Maßregelvollzug eines psychiatrischen Krankenhauses verurteilt. Aufgrund der Schwere der Straftaten sowie eines langen einschlägigen Vorstrafenregisters plus einer schlechten Prognose des Sachverständigen kam für Richter Dr. Christoph Kalkschmid und seine Schöffinnen eine Bewährung nicht in Frage. Der Mann wird auch keinesfalls nach dem Urteil bis zum Strafantritt auf freien Fuß kommen.

Es ist eine lange Geschichte von Gewalttaten, die Staatsanwalt Jan Vytlacil in seinem Plädoyer zusammenfasst. Bereits im Dezember 2022 ist der Angeklagte in Konflikt mit dem Gesetz geraten, als er mit einer abgebrochenen Glasflasche in der Reutlinger Innenstadt auf den Besitzer einer Gaststätte losging. Er warf den scharfkantigen Gegenstand auf den Gastronomen, wurde anschließend auch noch handgreiflich. An diesen Vorwürfen gebe es nach der Beweisaufnahme keinerlei Zweifel, stellt der Anklagevertreter fest. Denn die Geschädigten mehrerer Zwischenfälle haben in Tübingen ausgesagt.

Im Gerichtssaal

Richter: Dr. Christoph Kalkschmid, Stefan Pfaff, Bernd Große. Schöffinnen: Christa Zerbini-Koblowski und Kathrin Maria Elisabeth Schmid. Staatsanwalt: Jan Vytlacil. Verteidiger: Steffen Kazmaier. (GEA)

So auch jene Feuerwehrleute, die der Täter im August 2023 aus nichtigem Anlass in Frankfurt am Main attackierte, sowie Zeugen und Opfer der beiden Angriffe auf zwei Mitarbeiter und eine Mitarbeiterin des Reutlinger Ordnungsamtes im Januar 2024 mitten in Reutlingen. Für Aufsehen und Entsetzen sorgte damals, wie der Angeklagte völlig grundlos zwei Mitarbeiter bedrohte, die in der Rommelsbacher Straße eine Geschwindigkeitsmessanlage aufgebaut haben. Kurz danach verprügelte er ebenfalls ansatzlos eine Politesse in der Glaserstraße. Das Gericht schaut sich von dieser Tat ein Handyvideo an. Drei Passanten eilten der Frau zur Hilfe, konnten den Mann bis zum Eintreffen der Polizei festhalten. Wochen später dankten Gemeinderat und Oberbürgermeister Keck diesen Bürgern in öffentlicher Sitzung für ihre Zivilcourage.

Für Staatsanwalt Jan Vytlacil ist die Beweislast erdrückend. Angesichts von »glaubwürdigen Zeugenaussagen« müssten mehrere Fälle von versuchter und vorsätzlicher Körperverletzung, von Bedrohung sowie tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte strafrechtlich gewürdigt werden. Für den Angeklagten spreche, dass er sich »teilgeständig eingelassen« habe. Außerdem sei durch die psychische Erkrankung des arbeitslosen Reutlingers von einer »erheblich verminderten Schuldfähigkeit« auszugehen, was eine Verschiebung des Strafrahmens nach sich ziehe. Strafverschärfend erwähnt Vytlacil die »nicht vorhandene Krankheitseinsicht« des aus dem Zentrum für Psychiatrie in Bad Schussenried gefesselt vorgeführten Menschen. Der Sachverständige habe dem Mann auch keine positive Prognose ausstellen können.

Nach wie vor eine Gefahr für seine Umwelt

Dementsprechend fordert der Staatsanwalt eine Freiheitsstrafe von insgesamt zwei Jahren und vier Monaten, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden solle. Der kranke Täter müsse im Maßregelvollzug eines psychiatrischen Krankenhauses untergebracht werden, er dürfe zwischenzeitlich auch nicht auf freien Fuß kommen, weil er nach wie vor eine Gefährdung für seine Umwelt darstelle.

Verteidiger Steffen Kazmaier fasst sich kurz, betont in seinem Plädoyer die positive Entwicklung seines Mandanten. Der Angeklagte habe sich mit seinen Taten auseinandergesetzt, bei den Opfern entschuldigt und sei mittlerweile ein ganz anderer Mensch als noch zu Beginn des Verfahrens. »Ich denke, er erkennt, dass es ihm jetzt mit den Medikamenten besser geht«, widerspricht Kazmaier dem Eindruck mangelnder Krankheitseinsicht. »Deutlich unter zwei Jahren« solle die Gesamtstrafe ausfallen.

Daraus wird im Urteil nichts, aber das Gericht bleibt mit zwei Jahren Freiheitsstrafe deutlich unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft. Durch die angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wird der Täter jedoch erst dann in den Strafvollzug gehen können, wenn er seine Erkrankung durch die Therapie in den Griff bekommen hat - und das kann dauern. Oder aber, er kommt dann in den Genuss von Bewährung. Richter Dr. Christoph Kalkschmid ließ in seiner Urteilsbegründung erkennen, dass sich das Gericht gründlich bis ins Detail mit den Fällen auseinandergesetzt hat. So wurden zahlreiche Kleinigkeiten strafmildernd berücksichtigt, etwa der Grad der Alkoholisierung, die Prozessbeobachtern kaum wesentlich erschienen sind. Bezogen auf die Reutlinger Attacken meinte Kalkschmid, »schon drastisch, wie sie da vorgegangen sind«. An den Verurteilten gerichtet, wünsche er »alles Gute - arbeiten Sie an sich«. (GEA)