Zentrale Lage
Dass Gall an den zwölf Präsidiumsstandorten - die Grünen hatten zwei weitere ins Spiel gebracht - festhalten würde, war Lutz klar. »Der Minister hat in Abwägung mit der Raumstruktur ein Gesamtpaket geschnürt, das nur so funktioniert. Sonst hätte es einen Dominoeffekt gegeben.« So sei auch zu erklären, dass der Zuständigkeitsbereich die Kreise Reutlingen, Tübingen und Esslingen umfasse und nicht die Region Neckar-Alb, was sich viele gewünscht hatten.Warum die Entscheidung für Reutlingen als Präsidiumsstandort und nicht für Tübingen oder gar Esslingen als dem größten der drei Kreise gefallen ist, weiß Lutz nicht. Ein Blick auf die Karte des regionalen Flächenzuschnitts macht freilich deutlich, dass Reutlingen absolut zentral, Esslingen aber am äußersten Rand der neuen »Raumschaft« liegt.
Dafür wird Esslingen allerdings Standort für die nachgeordnete Kriminalpolizeidirektion. Dort wird laut Lutz die zentrale Kriminalitätsbekämpfung laufen - Staatsschutzdelikte, Mord, politisch motivierte Straftaten bis hin zur Cyberkriminalität. Überall da, wo es bisher eine Kriminalpolizei gab, werden aber auch künftig Kommissariate angesiedelt. Also auch in Reutlingen und Tübingen. »Aufgaben, die nicht hoch spezialisiert sind, bleiben vor Ort«, sagt Franz Lutz. Die Ausgestaltung der zentralen und dezentralen Aufgabenwahrnehmung ebenso wie die Größe der Kriminalkommissariate sei noch offen. »Da müssen wir jetzt eine Balance finden.«
Klar ist, dass durch die Aufteilung der Standorte mehr Polizisten pendeln müssen: Esslinger Beamte aus der Stabsarbeit ins Präsidium nach Reutlingen, Tübinger und Reutlinger Kriminalisten dagegen nach Esslingen. Wie viele Mitarbeiter betroffen sind, kann Lutz noch nicht sagen. Aber, so der Polizeidirektor: »Wir müssen uns in der Projektgruppe genau anschauen, wie wir das für die Mitarbeiter so sozialverträglich wie möglich gestalten können.«
Und noch ein großes Thema wartet auf den Projektverantwortlichen: die Frage der Immobilien. Denn für die künftigen Präsidiumsmitarbeiter ist in den bestehenden Räumlichkeiten der Polizeidirektion nicht Platz genug. »Wir werden bauen müssen«, heißt deshalb die klare Ansage von Franz Lutz. Offenbar gibt es verschiedene Möglichkeiten, was bei der Entscheidung des Innenministers pro Reutlingen eine Rolle gespielt haben soll.
Die Liegenschaften sind auch ein wichtiger Faktor bei der Standort-Auswahl für die Verkehrspolizeidirektionen. Doch da gibt es noch Beratungsbedarf, heißt es aus dem Innenministerium. Deshalb ist auch noch keine Entscheidung gefallen.
Sozialverträgliche Gestaltung
Spannung herrschte gestern nicht nur im Chefzimmer der Reutlinger Polizeidirektion, sondern überall in den Büros: Die Unsicherheit unter den Mitarbeitern, was die Reform für sie an Veränderungen bringt, ist groß.Michael Rieder, Kreisgruppenvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei und Bezirkspersonalrat, bewertet es zunächst positiv, dass das Präsdium nach Reutlingen kommt. Für die Beamten der Kriminalpolizei werde es mittel- und langfristig aber erhebliche Verschiebungen geben. Da aber Reutlingen Sitz eines Kriminalkommissariats werde, »ist für die Bürger der erste Angriff gewährleistet«. Unerlässlich für Rieder in der weiteren Umsetzung der Reform: »Um das sozialverträglich zu gestalten, müssen Berufs- und Personalvertretungen mit ins Boot.«
Dafür plädiert auch Matthias Spitzner, Bezirksvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter. »Auf den ersten Blick sind wir nicht ganz unzufrieden«, sagt der Reutlinger Kripobeamte zur Reform. Ganz wichtig ist aus seiner Sicht, dass »die Kriminalpolizei in der Fläche bleibt«. Wegen der zentralen Lage gehöre deshalb unbedingt ein Kriminaldauerdienst nach Reutlingen. »Wenn in Zwiefalten ein ungeklärter Todesfall gemeldet wird und die Kripo rückt von Esslingen aus, dann macht das wenig Sinn«, nennt er ein Beispiel. (GEA)