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Aktuell Flächennutzung

Pferdepension in Degerschlacht bedroht? Stadt will »Lösungen finden«

Der Leiter des Reutlinger Wirtschaftsamtes und Stadtplaner erklären den aktuellen Stand.

Blick auf die Pferdepension Eulengarten. Die Grünflächen um den Betrieb gehören der Stadt und könnten ein Gewerbegebiet werden.
Blick auf die Pferdepension Eulengarten. Die Grünflächen um den Betrieb gehören der Stadt und könnten ein Gewerbegebiet werden. Das gefährdet laut der Hofbesitzerin ihre Existenz. FOTO: ZENKE
Blick auf die Pferdepension Eulengarten. Die Grünflächen um den Betrieb gehören der Stadt und könnten ein Gewerbegebiet werden. Das gefährdet laut der Hofbesitzerin ihre Existenz. FOTO: ZENKE

REUTLINGEN-DEGERSCHLACHT. »Die Ansiedlung von Großindustrie kommt alleine schon durch die Größe der Fläche nicht infrage – und war nie beabsichtigt«, nimmt Peter Wilke als Leiter des Amtes für Wirtschaft und Immobilien Stellung zu öffentlich geäußerten Befürchtungen der Besitzerin der Pferdepension Eulengarten.

Hofinhaberin Solveigh Fuchs sieht durch Gedanken der Stadt, das 16 Hektar große Gebiet »Im Bol« mit den Koppeln rund um den Betrieb in einem künftigen Flächennutzungsplan als Gewerbegebiet auszuweisen, ihre Existenz und das Naherholungsgebiet bedroht. »Wir werden unsere Pächterin nicht im Regen stehen lassen«, verspricht Stefan Dvorak, Leiter des Amtes für Stadtentwicklung und Vermessung. Um für alle Beteiligten »Lösungen zu finden«, wie auch Wilke betont, habe man noch viel Zeit. Denn das Verfahren stehe erst ganz am Anfang.

Verfahren dauert Jahre

Frühestens Anfang 2023 könne sich der Reutlinger Gemeinderat mit einem Entwicklungskonzept beschäftigen, in dem mögliche Nutzungen von Flächen definiert werden. Anschließend geht das Konzept an den Nachbarschaftsverband Reutlingen-Tübingen. Das macht Sinn, weil die Gemeinden wie Nachbarn von der jeweiligen Entwicklung der Kommunen an ihren Gemarkungsgrenzen betroffen sind. Hier wird zunächst ein Entwurf des Flächennutzungsplanes erstellt, wozu dieses Gremium mehrere Monate braucht. Ende 2023 werde frühestens der Entwurf fertig sein, sagen Dvorak und Wilke.

ONLINE-PETITION

Die Besitzerin der Pferdepension Eulengarten, Solveigh Fuchs, sieht die Existenz ihres Hofes bedroht. »Mit der Ausweisung eines 16 Hektar großen Industriegebiets mit dem dazugehörigen Schwerlastverkehr direkt am Friedhof versiegelt die Stadt 16 Hektar blühende Landschaft und eines der letzten Naherholungsgebiete in unmittelbarer Stadtrandlage«, heißt es auf ihrer Homepage. Solveigh Fuchs ist jetzt schon engagiert und hat eine Online-Petition mit dem Titel »Naherholung statt Industrie« gestartet. Mittlerweile unterstützen über 2 600 Menschen diesen Aufruf. Informationen worum es Solveigh Fuchs geht, was ihren Hof auszeichnet sowie den Link zur Petition, finden sich auf ihrer Website. (zen) www.pferdepension- eulengarten.de

Womit eine umfassende Beteiligung von Behörden und Öffentlichkeit beginnt. »Dann kann sich jede Bürgerin und jeder Bürger mit dem Plan beschäftigen, und Stellungnahmen abgeben«, erklärt Dvorak. Erwartet werden Hunderte solcher Stellungnahmen, auch von Behörden, die komplett korrekt behandelt werden müssen. Dieser Schritt werde voraussichtlich das gesamte Jahr 2024 ausfüllen.

Erst dann diskutieren und beschließen die Gremien des Nachbarschaftsverbandes den abschließenden Flächennutzungsplan – inklusive der Stellungnahmen. »Unterschiedliche Belange müssen gegeneinander abgewogen werden«, beschreibt Stadtplaner Dvorak die Vorgaben des Baurechts. Nunmehr wandern die Ergebnisse diese Abwägungen und Diskussionen wieder in die Kommunen.

Transparent und demokratisch

»Stellungnahmen, die Reutlingen betreffen, werden dem Gemeinderat vorgelegt und gehen mit einer Empfehlung wieder an den Nachbarschaftsverband«, beschreibt Dvorak diesen Vorgang. Erst 2025 sei mit einem abschließenden Planungsbeschluss zu rechnen. Danach muss das Regierungspräsidium Tübingen alles genehmigen – und wird sich dafür garantiert ein paar Monate Zeit nehmen. Schließlich liegt ein in mehreren demokratisch kontrollierten und vollkommen transparenten Schritten erstellter Flächennutzungsplan vor. Doch der ist nur ein Rahmen, denn wie er von der Stadt Reutlingen ausgefüllt wird, muss sich erst noch zeigen.

»Der Flächennutzungsplan kennt nur gewerbliche Flächen – er kennt keine Industrie«, macht Wilke klar, »erst in einem späteren Bebauungsplanverfahren wird dann definiert, ob es ein Gewerbe- oder Industriegebiet werden soll.« Dabei müsse man bedenken, dass Reutlingen eine vom Mittelstand geprägte Stadt ist. »Das Thema Großindustrie ist eine Sorge, die ich nicht bestätigen kann«, meint der Leiter des Amtes für Wirtschaft und Immobilien. Gedanklich zeigt der Kalender möglicherweise mittlerweile die Jahreszahl 2026, bevor ein Bebauungsplan erstellt werden könnte, der auch die Grünflächen rund um die Pferdepension Eulengarten betrifft. Womit ein weiterer demokratisch kontrollierter Vorgang beginnt.

Denn jeder Bebauungsplan ist ein mehrjähriges Verfahren, in dem allein der Gemeinderat mindestens dreifach gefragt ist. In diesem Zusammenhang werden dann, beschreibt Wilke, auch mehrere Gutachten erstellt. Ein Teil davon beschäftigt sich mit der Natur, den Tieren, geschützten Arten und so weiter.Realistisch betrachtet könne man von mindestens vier Jahren sprechen, bevor alles in reinen Tüchern ist. Vor 2029 passiere ziemlich sicher rein gar nichts. Wichtig ist Dvorak und Wilke der Hinweis auf die zukunftsweisende Bedeutung des Flächennutzungsplanes.

»Warum tun wir das alles? Wir müssen eine gleichgewichtige Entwicklung zwischen allen Flächen haben – nicht nur Wohnbau«, sagt Peter Wilke. Es gehe um den Handlungsspielraum künftiger Generationen in Reutlingen. »Mehr Einwohner brauchen mehr Arbeitsplätze.« (GEA)