REUTLINGEN. Die Geschäfte der Kreiskliniken Reutlingen GmbH sollen ab Mai von der Essener Institute for Health Care Business GmbH (hcb) geführt werden. Nach nichtöffentlicher Sitzung gibt der Verwaltungsausschuss diese Beschlussempfehlung zum Abschluss eines geheimen europaweiten Auswahlverfahrens dem Kreistag. Am Dienstag hat Landrat Dr. Ulrich Fiedler darüber sowohl die Mitarbeiter des Klinikums am Steinenberg als auch Kreisräte und die Öffentlichkeit informiert.
Eine wesentliche Persönlichkeit des neuen Managements ist mit dem bisherigen Geschäftsführer Dominik Nusser ein alter Bekannter. Die hcb-Geschäftsführerin Dr. Michaela Lemm soll ihn unterstützen und vertreten. »Wir sind voll im Zeitplan, ein nahtloser Übergang ist sichergestellt«, so Fiedler. In »gesundheitspolitisch bewegten Zeiten« habe der Kreis mit hcb »genau den richtigen Partner gefunden«. Falls der Kreistag der Beschlussempfehlung in seiner kommenden Sitzung am Montag, 24. März, zustimme, werde ein Vertrag mit einer Laufzeit von drei Jahren sowie eine Option auf Verlängerung um weitere zwei Jahre geschlossen.
»Wir haben genau den richtigen Partner gefunden«
Die Institute for Health Care Business GmbH (hcb) wurde 2006 gegründet, damals mit Beteiligung des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung. Ziele der hcb sind nach Angaben des Unternehmens die Schaffung von Transparenz im deutschen Gesundheitswesen und die Unterstützung bei der Weiterentwicklung von Verbünden, Einrichtungen oder einzelnen Leistungssegmenten. Für die Kreiskliniken hat hcb bereits umfangreiche Konzepte und Pläne.
Das Klinikmanagement im Rückblick
Mai 2020: Die Regionale Kliniken Holding und Services GmbH (RKH) beginnt mit dem Management der Kreiskliniken.
Juni 2020: Mitarbeiter der Kreiskliniken Reutlingen fordern in einer Petition bessere Arbeitsbedingungen.
Juli 2020: Jörg Martin und Dominik Nusser geben einen ersten Ausblick auf die künftige Orientierung der Kliniken.
Dezember 2020: Der Kreistag beschließt das Medizinkonzept 2025.
Oktober 2021: Die erste Bilanz des neuen Managements zeigte im Corona-Krisenjahr wenig überraschend erneut Millionenverluste.
April 2022: Die Diagnose der Kreiskliniken Reutlingen GmbH ist eindeutig: Ein Neubau wird gewünscht.
März 2023: Die Kreiskliniken fordern Finanzhilfen.
Juli 2023: Die Finanzlage für die Reutlinger Kreiskliniken bleibt schwierig.
Februar 2024: Professor Dr. Jörg Martin scheidet als Geschäftsführer der Regionalen Kliniken Holding und Services GmbH (RKH) schon im Spätsommer aus, obwohl sein Vertrag noch bis Ende 2025 gelaufen wäre.
Mai 2024: Der Aufsichtsrat der Regionalen Kliniken Holding und Services GmbH (RKH) beschließt, sich nach dem Ablauf des Vertrages nicht wieder um das Management der Reutlinger Kliniken zu bewerben.
»Das Thema Kosten, Erträge und qualitative Versorgung werden uns weiter beschäftigen«, sagt Nusser dazu. Die nächste wesentliche Frage sei, welche Leistungsgruppen etwa dem Klinikum am Steinenberg im Rahmen der Krankenhausreform zugeteilt werden. Denn die haben wiederum Auswirkungen auf die Gedanken, die im Medizinkonzept 2030 des Kreises sowie laufenden Projekten zur Gesundheitsversorgung der Zukunft stecken sowie die »Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage«. Die sieht momentan so aus, dass Jahr für Jahr Millionenverluste geschrieben werden.
»Großes Ziel ist die Ergebnisverbesserung«, verspricht Annika Emde, die bei hcb für die Strategie- und Unternehmensentwicklung zuständig ist. Landrat Fiedler dämpft diesbezügliche Erwartungen umgehend: »Es ist nahezu unmöglich, ein Krankenhaus mit so einem Versorgungsauftrag mit einer schwarzen Null zu betreiben«. Vermutlich wäre der Landkreis schon dankbar, wenn die roten Zahlen weniger tiefrot wären. Im vergangenen Jahr beträgt das Defizit 8,5 Millionen Euro, für das laufende Jahr plant der Kreiskämmerer mit 12,5 Millionen Minus. Auch deswegen gibt der alte und neue Geschäftsführer als ein Ziel der Bemühungen vor, »möglichst ressourcenschonend eine gute Versorgung hinzukriegen«.
»Alles geht nicht ohne Personal«, betont Nusser, weswegen die Anpassung von flexiblen und familienfreundlichen Arbeitszeitmodellen auf der Agenda stehe. Man bemühe sich um einen stabilen Pflegedienst durch die Gewinnung ausländischer Pflegekräfte und wolle auch Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung ausbauen.
Dabei bilde die Patientenzufriedenheit die Grundlage zur Steigerung der Patientenzahlen. Zu den Projekten, die sich das neue Klinikmanagement vorgenommen hat, gehören Veränderungen bei der chronisch überlasteten Notaufnahme sowie eine »hotelähnliche Atmosphäre« insbesondere bei Menschen, die sich freiwilligen und für die Klinik lohnenden Behandlungen oder Operationen unterziehen möchten. Die Standorte Münsingen und Reutlingen sollen weiterentwickelt werden. Oben auf der Alb die Fachklinik mit einem Ausbau der Endoprothetik, unten in der Großstadt der Schwerpunktversorger, dessen Zukunft in einem – allerdings noch nicht beschlossenen – Neubau gesehen wird. Ausgebaut werden sollen Kooperationen, etwa die bestehende zum Universitätsklinikum Tübingen. Das neue Management verspricht, in den kommenden Wochen »Gespräche mit allen handelnden Akteuren zu führen«. (GEA)