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Aktuell Zwischennutzung

Neue Galerie in Reutlingen bietet Kunst aus der Region und Vorträge

Eine Reutlingerin öffnet Räume in einem Baudenkmal in der Unteren Gerberstraße den Tübinger G91-Künstlern und einem Remstäler zur Zwischennutzung. Sie hofft auf Nachahmer.

Anna Litschkovskij stellt ihre Räume in der Unteren Gerberstraße 14 in Reutlingen den Tübinger G-91-Künstlern zur Verfügung.
Anna Litschkovskij stellt ihre Räume in der Unteren Gerberstraße 14 in Reutlingen den Tübinger G-91-Künstlern zur Verfügung. Foto: Claudia Reicherter
Anna Litschkovskij stellt ihre Räume in der Unteren Gerberstraße 14 in Reutlingen den Tübinger G-91-Künstlern zur Verfügung.
Foto: Claudia Reicherter

REUTLINGEN. »Alles ist besser als Leerstand«, sagt Anna Litschkovskij. Deshalb stellt die Architektin aus Reutlingen Flächen in einem denkmalgeschützten Haus im Gerberviertel als Zwischennutzung regionalen Künstlern zur Verfügung. Im Erdgeschoss der Unteren Gerberstraße 14 sind nun Werke des 2006 verstorbenen Tübinger Kunstschaffenden Herbert Rösler und seiner »Gruppe 91«, die ihr Domizil in Tübingen räumen müssen, sowie des Remstäler Künstlers Yves Raynaud zu sehen.

Röslers Öl-Kreide-Bilder »Nach dem Ballett«, »Darling« und »Kleine Ballerina« zieren in eigenwilligen Rahmen die Wände. Daneben hängen Gedichte von dem Kopf der Gruppe, die sein Werk seither bewahrt und fortführt. Vorn im Schaufenster stehen Kleiderständer mit fantasievoller Mode zwischen surrealistischen Wanduhren und einer Vitrine mit Designer-Schmuck des Autodidakten. So wundert es nicht, dass mitunter jemand zögerlich in der Eingangstür verharrt: »Ist das noch der Secondhand-Laden?«, fragt eine Frau, die gebrauchte Männerkleidung abgeben möchte. Anna Litschkovskij verneint. Die 46-Jährige hat jüngst das bisherige Ladengeschäft in dem 1996 sanierten Fachwerkhaus gekauft. »Die ursprüngliche Idee war, mir hier selbst Wohnraum zu schaffen«, erklärt sie. Aber wie die bodentiefen Schaufenster zu einem Wohnzimmer passend umgewandelt werden könnten, muss sie noch abklären.

Das denkmalgeschützte Haus in der Unteren Gerberstraße beherbergt jetzt als Zwischennutzung eine Galerie.
Das denkmalgeschützte Haus in der Unteren Gerberstraße beherbergt jetzt als Zwischennutzung eine Galerie. Foto: Claudia Reicherter
Das denkmalgeschützte Haus in der Unteren Gerberstraße beherbergt jetzt als Zwischennutzung eine Galerie.
Foto: Claudia Reicherter

Ein wenig sieht der Hauptraum mit der bestehenden Theke gegenüber dem Ladeneingang ja nach Café aus, meint die gelernte Bauzeichnerin. Auch als Bar scheinen die 110 Quadratmeter geeignet. Ließe sich die davor befindliche Federnseestraßen-Sackgasse als Außensitzbereich nutzen? Oder wird die Adresse mal zum Co-Working-Space? Dagegen spricht im Moment noch das unzuverlässige Internet. Über die endgültige Nutzung der drei Räume mit historischem Gewölbekeller samt Brunnen kann und mag sie sich noch nicht festlegen.

Ab Donnerstag, 1. Mai, beherbergt die Untere Gerberstraße 14 nun jedenfalls erstmal die »Kleine Kunst- und Kulturschau ,für eine neue Welt'« sowie »BaumKunst« von Yves Raynaud. Die Vernissage in der Galerie Anna Litschkovskij soll um 15 Uhr beginnen.

»Alles ist besser als Leerstand«

Bereits seit Anfang des Monats gestalten die fünf verbliebenen aktiven Mitglieder der »G 91« ihre »Kleine Galerie Herbert Rösler und Li« in der Reutlinger Altstadt. »Rösler war das Herz und wir sind die Hände«, erklärt Vereinssprecherin Linda Li, wie die Zusammenarbeit im Kollektiv funktioniert. Nachdem die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), der die seit 1995 genutzte ehemalige Panzerhalle in Tübingen gehört, schon vor mehr als einem Jahr den Mietvertrag gekündigt hatte, müssen sie für den Nachlass nun endgültig eine Alternative finden. Da schien das Angebot von Vereinsmitglied Anna Litschkovskij wie ein Geschenk des Himmels.

Das Œuvre von Herbert Rösler umfasst Malerei, Grafik, Installationen, Innenausstattung, Texte, aber auch Mode.
Das Œuvre von Herbert Rösler umfasst Malerei, Grafik, Installationen, Innenausstattung, Texte, aber auch Mode. Foto: Claudia Reicherter
Das Œuvre von Herbert Rösler umfasst Malerei, Grafik, Installationen, Innenausstattung, Texte, aber auch Mode.
Foto: Claudia Reicherter

Mehrere Lastwagen voll Kunst haben sie schon von der Nachbarstadt ins Gerberviertel gebracht – ohne dass das in der G91-Halle groß auffiele. All die hunderte Bilder, Skizzen, Skulpturen, Dioramen, selbstgebaute Musikinstrumente und Uhren, Modellkleider, Schmuck und Schuhe sowie Einrichtungsgegenstände, die dort 1.200 Quadratmeter füllen, kommen in der kleinen Galerie natürlich nicht unter. »Aber wenigstens kann dort ein Teil des Werks wieder gezeigt werden«, sagt Linda Li erfreut. Denn die Halle war zuletzt aus Sicherheitsgründen für Besucher gesperrt.

Blick in die Pop-up-Ausstellung der »Gruppe 91« In der Unteren Gerberstraße 14 in Reutlingen.
Blick in die Pop-up-Ausstellung der »Gruppe 91« In der Unteren Gerberstraße 14 in Reutlingen. Foto: Claudia Reicherter
Blick in die Pop-up-Ausstellung der »Gruppe 91« In der Unteren Gerberstraße 14 in Reutlingen.
Foto: Claudia Reicherter

Nachdem Anna Litschkovskij Rösler noch persönlich kennengelernt hatte und selbst künstlerisch tätig ist, war ihr wichtig, Li und ihren Mitstreitern zu helfen. Indem sie das Künstlerkollektiv einlud, vorübergehend ihre Räume zu bespielen, hofft sie auch auf Nachahmer: »Wir haben hier in Reutlingen so viele leerstehende Gewerbeeinheiten in der Innenstadt: Breuninger und Co., die neue Nutzungen brauchen.« Statt die Schaufenster mit großflächigem Sichtschutz abweisend zu gestalten oder leer stehen zu lassen, »kann man die doch zumindest für eine Zwischennutzung mit Kunstwerken schmücken«, findet die ehemalige Kepi-Schülerin. »Um die Innenstadt attraktiver zu gestalten.« So würden »wieder mehr Besucher und Bürger zum Schaufensterbummel gern in die Fußgängerzone kommen«.

Die 71-jährige Linda Li erzählt, sie blicke auf dem Weg von Tübingen ins Reutlinger Pop-up-Domizil immer sehnsüchtig auf die leerstehenden ehemaligen Verkaufsräume von Ford Kimmerle in der Konrad-Adenauer-Straße. Erinnern die nicht entfernt an die Neue Nationalgalerie in Berlin? »Und wären die nicht ideal für eine Kunstausstellung?«, sinniert sie.

Was letztlich aus ihren Räumen in der Unteren Gerberstraße 14 in Reutlingen wird, weiß Anna Litschkovskij noch nicht. Zunächst z
Was letztlich aus ihren Räumen in der Unteren Gerberstraße 14 in Reutlingen wird, weiß Anna Litschkovskij noch nicht. Zunächst zeigt sie dort Teile des Werks von Herbert Rösler und dessen »Gruppe 91«. Foto: Claudia Reicherter
Was letztlich aus ihren Räumen in der Unteren Gerberstraße 14 in Reutlingen wird, weiß Anna Litschkovskij noch nicht. Zunächst zeigt sie dort Teile des Werks von Herbert Rösler und dessen »Gruppe 91«.
Foto: Claudia Reicherter

»Kunst zeigen kostet ja nichts«, sagt Anna Litschkovskij – auch wenn sie längerfristig auf weitere Einnahmen angewiesen sei, um ihre Investitionen zu decken. Bald sollen in ihrer Pop-up-Galerie auch Führungen angeboten werden – und Gesang. »Ich möchte ein abwechslungsreiches Programm bieten«, sagt die Eigentümerin des ehemaligen Kuhstalls im historischen Baudenkmal. Eine Reihe von Vorträgen samt Diskussionen zum Thema »Stadt und Land« mit Martin Brandt hat schon begonnen. Einem Flyer zufolge wird sie zwischen 9. Mai (»Die Stadt – Wir leben drin. Aber was ist das?«) und 1. August fortgesetzt. (GEA)