»Normalerweise muss man eine Aufnahmeprüfung ablegen«Mehr noch: In der Sparte »Manipulation« erreichte der 15-Jährige sogar den ersten Platz. Und beide Erfolge zusammengenommen haben ihm Türen aufgestoßen, die sich normalerweise erst nach längerem Rütteln öffnen lassen. Die eine führt mitten hinein in den »Magischen Zirkel von Deutschland«, die andere in Richtung Sindelfingen, wo im Januar kommenden Jahres die »Deutschen Meisterschaften« der Zaubererzunft ausgetragen werden, für die man sich gemeinhin via Vorentscheid qualifizieren muss. Ein Prozedere, das Nikolai dank der in Frankfurt erworbenen Lorbeeren erspart bleibt. Ob er die Chance ergreifen und sich der Konkurrenz stellen wird?
Vielleicht. Ganz sicher ist sich der Waldorfschüler, der in Reutlingens Freier Georgenschule das Abitur anstrebt, in diesem Punkt noch nicht. Gleichwohl ist er stolz darauf, den Sprung in die Erwachsenen-Liga geschafft zu haben. Und was den »Magische Zirkel« betrifft, wähnt sich der junge Zauberer vollends im Glück. »Normalerweise«, erklärt er, »muss man eine Aufnahmeprüfung ablegen.«
Mithin ist es schon außergewöhnlich zu nennen, was Nikolai Striebel aus dem Stand heraus erreicht hat. Zumal er noch gar nicht so lange mit Karten, Tüchern, Seilen und derlei Requisiten mehr hantiert – nämlich erst seit 2011. Wachgekitzelt wurde sein Faible fürs manipulative Fach damals übrigens von Nikolais Mutter.
Im Nachgang zu einer Zaubershow war’s, da Dr. Katrin Biering ihrem Sohn von den faszinierenden Kunststücken namhafter Illusionisten vorschwärmte und damit offenbar einen zentralen Nerv traf. Denn fortan versuchte sich der Teenager an Geschicklichkeitsübungen.
Viele, viele Stunden verwendete er zunächst darauf, Kartenspiele mit flinker Eleganz aufzufächern. Es folgten erste Tricks – flankiert von Sachliteratur, Lern-DVDs und Fortbildungstrailern aus dem Internet. Später nahm er Kontakt zu Zauberern aus der Region auf. Und wieder etwas später zu seinem heutigen Mentor: Eberhard Riese, seines Zeichens Präsident des »Magischen Zirkels von Deutschland« und erfahrener Betreuer.
Unter seiner Regie trainieren und trainierten schon Szene-Größen wie »Topas«, »Roxanne«, »Franklin« oder »Julius Frack«. Jetzt ist es an Nikolai Striebel vom Können des renommierten Beraters zu profitieren, den der 15-Jährige als konstruktiven Kritiker und väterlichen Förderer beschreibt, als einen Kenner, dem billiges Lob fremd ist. »Gemeinsam haben wir meine aktuelle Nummer aufgebaut«; also jenen siebenminütigen Show-Act, mit dem der junge Reutlinger unlängst in Mainhattan brillierte.
»Gemeinsam haben wir meine aktuelle Nummer aufgebaut«Darin gibt Nikolai einen gewitzten Schüler, der sich der lähmenden Langweile des Unterrichts mittels Spielchen zu entziehen trachtet. Zerknüllte Zettel kommen ebenso zum Einsatz wie Stifte und Papierflieger. Oder anders ausgedrückt: Schauspiel, Fingerfertigkeit und erlebte Alltagswirklichkeit runden sich zu einer Performance, die in Frankfurt von bewundernden »Ahhhs« und »Ohhhs« begleitet und mit sattem Schlussapplaus sowie Auszeichnungen honoriert wurde.
Dass sich das Leben des Nachwuchsmagiers seither nennenswert verändert hätte, kann dieser nicht bestätigen. Weder sei er neuerdings von Groupies umzingelt, noch von Ehrgeiz zerfressen. Sich selbst unter massiven Druck zu setzen, lehnt der Reutlinger sowieso ab. Es muss, sagt er sinngemäß, ein Leben jenseits der Magie geben – selbst wenn die Zauberkunst bei Nikolai hohe Priorität genießt.
Ihr widmet der Jugendliche den Löwenanteil seiner Freizeit, »weil’s mir enormen Spaß macht!« Spaß bereitet ihm freilich auch das Fußballtraining bei den TSG-Young-Boys, das er nur ungern versäumt. Und dann ist da natürlich noch die Schule, die ihren Tribut fordert.
Ein gutes Abi mit anschließendem Studium – so stellt sich Nikolai Striebel seine nähere Zukunft vor. Dass der Weg dorthin kein Sonntagsspaziergang sein wird, ist ihm klar. Denn wer nicht wirklich zaubern kann, muss büffeln. Jedenfalls solange sich Pythagoras, Ovid, Gregor Mendel und Franz Kafka hartnäckig jedwedem Hokuspokus aus der Trickkiste entziehen. (GEA)