REUTLINGEN. »Jetzt ist das Maß voll«, empört sich Uta Ellwanger nach einer für sie erschreckenden Nacht von Mittwoch auf Donnerstag. Morgens gegen 3 Uhr hat ein betrunkener junger Mann mit seinem Sportwagen ihr vor dem Haus am Königssträßle geparktes Auto in einen Totalschaden verwandelt. »Wann kommt ein Mensch zu Schaden«, fragt sich die von ständigen Belästigungen durch rücksichtslose Raser restlos genervte Reutlingerin gemeinsam mit Nachbarin Bettina Gokenbach.
Seit 28 Jahren wohnt Ellwanger im Königsstraßle, Gokenbach in der parallel verlaufenden Badstraße. Beide haben schon einiges mit jenen Autofahrern erlebt, die den Weg zu Scheibengipfel und Achalm mit einer Rennstrecke verwechseln. »Fast jede Nacht«, sagen die Damen, »mobben uns die provokativen Raser«. Schlimm seien nicht nur aufheulende Motoren oder quietschende Reifen, sondern »orientalische Musik. Boom, Boom, Boom«. Mittlerweile schlafe sie mit Ohrenstöpseln, so Ellwanger. Deswegen bekam sie in der Nacht auf Donnerstag auch zunächst nicht mit, wie die Polizei an ihrer Wohnungstüre klingelte.
»Fast jede Nacht mobben uns provokative Raser«
Der Beamte informierte sie über den Unfall direkt gegenüber ihres Hauses. Dort war ein Sportwagen in ihr geparktes Auto geknallt. »Der BMW fuhr abwärts, hat die Kurve bei der Betonschikane nicht mehr gekriegt, weil er mit Sicherheit zu schnell war. Dann hat er den linken Hinterreifen von meinem Hyundai getroffen«, beschreibt Ellwanger den Ablauf des Dramas aus ihrer Sicht. Am Steuer des BMW 4er mit Nürtinger Kennzeichen saß ein 27 Jahre junger Mann, wie die Polizei berichtet. Dazu stellten die Beamten auch noch etwas anderes fest: »Nachdem eine Überprüfung seiner Verkehrstüchtigkeit bei dem 27-Jährigen einen vorläufigen Atemalkoholwert von über zwei Promille ergab, musste eine Blutentnahme angeordnet werden. Sein Führerschein wurde noch an Ort und Stelle beschlagnahmt«.
Ganz gewiss war dieser besoffene Chauffeur erheblich schneller als die erlaubten 30 Kilometer pro Stunde unterwegs: Beide Airbags im BMW hatten ausgelöst, was sie bekanntlich erst bei Geschwindigkeiten deutlich über 40 Stundenkilometern tun. Dick und fett zeigen Gummispuren auf den Betonschikane, die von der Stadt eigentlich gegen Raser angebracht worden ist, wie heftig der Sportwagen abgewiesen wurde. Ganz besonders erschreckend schließlich die Schäden am Wagen von Uta Ellwanger.
Der massive Hyundai Tucson, ein schwerer SUV, wurde trotz angezogener Handbremse in der Parkbucht um anderthalb Meter nach vorne auf eine Warnbake katapultiert. Der linke Hinterreifen ist durch die Aufprallkräfte im Radhaus in Richtung Türe gewandert – ein klarer Fall von verzogener Hinterachse und Karosserie. »Das ist mit Sicherheit ein Totalschaden«, ärgert sich die Besitzerin.
»Wir fordern dauerhafte Polizeiüberwachung«
Der BMW musste von einem Abschleppdienst geborgen werden. Der entstandene Sachschaden an den beiden nicht mehr fahrbereiten Autos wird von der Polizei auf insgesamt etwa 20.000 Euro geschätzt. Die beschädigte Warnbake dürfte mit rund 250 Euro zu Buche schlagen. Nicht mit Geld wieder gut zu machen ist die nach ihren Worten erheblich beeinträchtigte Lebensqualität von Ellwanger und Gokenbach. Die Damen schäumen vor Wut und wollen jetzt Maßnahmen gegen die Raser sehen.
Denn weder die Einführung einer Tempo-30-Zone noch die Schikanen auf dem Königssträßle hätten nachhaltig geholfen. Auch die Umwandlung des Parkplatzes oben auf dem Scheibengipfel zu einem Rastplatz konnte, sagen sie, die Vollgaspiloten keinesfalls abschrecken, »die parken eben auf der anderen Seite«. Da ist zwar Halteverbot, aber wenn’s keiner kontrolliert.
Deswegen wünschen sie sich jetzt Dreierlei von Stadt und Polizei. Erstens solle ab 22 Uhr die Zufahrt zum Scheibengipfel gesperrt werden. Zweitens »fordern wir eine dauerhafte Polizeiüberwachung« und drittens »ganz aktive Geschwindigkeitskontrollen«. (GEA)