REUTLINGEN. Reutlingen bleibt weiter Mitglied im Bündnis »Sicherer Hafen«. Das hat der Gemeinderat mehrheitlich beschlossen. Nur die fünfköpfige AfD-Fraktion hat ihrem eigenen Antrag, dieses Bündnis zu verlassen, zugestimmt. Sieben von neun CDU-Mitgliedern (alle außer Frank Glaunsinger und Thomas Bader) haben sich enthalten. Viele Zuschauer aus der Flüchtlingshilfe waren gekommen, um der Debatte zu lauschen. Sie geriet in Teilen zu einer Grundsatz-Diskussion über Flüchtlingspolitik.
AfD-Fraktionschef Hansjörg Schrade hatte in der Begründung zu seinem Antrag zum flüchtlingspolitischen Rundumschlag ausgeholt: Es schreibt dort über Sozialhilfe für Flüchtlinge, den angespannten Wohnungsmarkt und die generelle Sicherheitslage. Auch argumentiert er mit der »prekären finanziellen Lage der Stadt«, weshalb die Mitgliedschaft wieder rückgängig gemacht werden solle.
Fakt ist aber auch: Die Mitgliedschaft hat die Stadt keinen Euro mehr gekostet, denn es »wurde kein Mensch mehr aufgenommen«, heißt es aus dem Rathaus. Und genau hier setzt die Kritik von Grünen-Fraktionschef Dr. Karsten Amann an. Man könne sicher über die Mitgliedschaft diskutieren, so Amann. »Aber wir müssen hier keine grundsätzliche flüchtlingspolitische Diskussion im Gemeinderat führen.« Und an Schrade gerichtet: »Sie instrumentalisieren das!« Eleanor Weber (Grüne) appellierte emotional an die anderen Gemeinderäte: »Die Brandmauer muss es auch auf lokaler Ebene geben.«
»Sie instrumentalisieren das!«
Damit hat sie wohl den zweiten Kern der Abstimmung gemeint: Er geriet (auch im Voraus) zu einer Grundsatz-Debatte darüber, ob Politiker gegen ihre eigentlichen Überzeugungen stimmen sollten - nur um nicht mit der AfD zu votieren. Als der Reutlinger Gemeinderat im April 2019 mit 21 zu 15 Stimmen den Beitritt zum Bündnis beschlossen hatte, waren CDU, FWV und WiR dagegen. Sie argumentierten damals mit der Symbolpolitik, und ihrer generellen Haltung zur Flüchtlingspolitik und zur Seenotrettung. Nun mussten die Parteien also entscheiden, ob sie mit der AfD stimmen oder gegen ihre im April 2019 geäußerten Überzeugungen handeln.
Die Freien Wähler entschieden sich dieses Mal anders: »Ein Austritt wäre nun ein völlig falsches Zeichen«, so Kurt Gugel. Die FWV will im Bündnis bleiben. »Stand heute war es die richtige Entscheidung, damals gegen den Beitritt zum Bündnis zu stimmen«, sagte dagegen CDU-Frau Anna Mylona. »Bund und Land haben sich gut gekümmert.« Zwei andere CDU'ler, Frank Glaunsinger und Thomas Bader, sahen das anders, genauso wie WiR-Mann Sven Lange. Sie scherten aus der Linie ihrer Fraktionen aus.
»Stand heute war es die richtige Entscheidung, damals gegen den Beitritt zum Bündnis zu stimmen«
Auch Oberbürgermeister Thomas Keck äußerte sich recht emotional in Richtung AfD: »Man lässt niemanden ertrinken!« Bündnis-Städte sind, auch wenn das die Debatte an diesem Abend stellenweise nahelegte, nicht an Seenotrettung beteiligt. Auf der Website heißt es: »Sichere Häfen heißen geflüchtete Menschen willkommen - und sind bereit, mehr Menschen aufzunehmen. Gemeinsam bilden wir eine starke Gegenstimme zur europäischen Abschottungspolitik.« (GEA)