REUTLINGEN. Auch wenn sie bei der letzten Wahl kräftig an Mannstärke zugenommen hat, ist die AfD-Fraktion im Reutlinger Gemeinderat bislang noch nicht durch nennenswerte konstruktive Impulse für die hiesige Kommunalpolitik aufgefallen. Stattdessen hockt die Fraktion in Lauerstellung, um (vermeintliche) Fehler oder Versäumnisse anderer Fraktionen und insbesondere der Verwaltung zu attackieren.
Eine solche Gelegenheit witterte man am vergangenen Samstag in der umgeleiteten »Gemeinsam-für-Deutschland«-Demonstration. Gegendemonstranten verhinderten, wie berichtet, den Zug der Epigonen der Corona-Maßnahmenkritiker ins Herz der Stadt. Die auf der GfD-Demo gut vertretene AfD-Fraktion setzte sich in Person ihres Vorsitzenden nach dem unfreiwilligen Stadtteil-Spaziergang der GfD-Sympathisanten in Szene: Hansjörg Schrade packte auf dem Festplatz Bösmannsäcker die große Keule aus, beschwor unter anderem die »Kapitulation des Rechtsstaates vor der Gewalt der Antifa«.
" "So funktioniert das nicht, Herr Schrade"
Am Dienstag fand nun das von Schrade angekündigte »Nachspiel im Gemeinderat« statt. Im Abspann der öffentlichen Sitzung stellte der AfD-Chef unter »Verschiedenes« eine Reihe von Fragen an Oberbürgermeister Thomas Keck, wollte unter anderem wissen, wer entschieden habe, die Blockade der unangemeldeten Demonstranten nicht aufzulösen. Positionierung der Verwaltungsspitze forderte er sodann zu seiner Wahrnehmung, dass »Gewaltbereite« ihre Interessen »gegen das grundgesetzliche Recht auf Demonstrationsfreiheit der angemeldeten Demonstration« hätten durchsetzen können. Aber auch dazu, dass in der Blockade Fahnen der »Linken« zu sehen waren, »einer im Gemeinderat vertretenen Partei«.
Der Oberbürgermeister musste zunächst einen auf den Rängen verbotenerweise filmenden Zuschauer zur Ordnung rufen (sollte der neues Material für Schrades Messenger-Ätz-Kanal aufnehmen?). Dann konterte Keck kühl: Er sei der falsche Adressat fürs Gros der Fragen. Er verwies die AfD an die Polizei, die auch die Entscheidung der Nichtauflösung getroffen hatte. Zu Positionierung in Sachen Fahnen sah er keine Veranlassung. Auf der »anderen Seite« sei schließlich eine »ganze Gemeinderatsfraktion – ohne Fahne« vertreten gewesen.
Ein Polizeisprecher hatte tags zuvor schon presseöffentlich dargelegt, dass eine Auflösung der Gegendemonstration mit Schlagstöcken und Tränengas aus polizeilicher Sicht »unverhältnismäßig« gewesen wäre – zumal die GfD’ler sowohl Versammlung als auch Aufzug durchführen konnten. Er machte zudem deutlich, dass auch Teilnehmern eines unangemeldeten Protestzuges nicht per se ihr Recht auf Demonstrationsfreiheit abgesprochen werde.
»Unserer Meinung nach hat keine Seite ihre Position stärker durchgesetzt als die andere«, befand Thomas Keck und monierte, die AfD halte nur ihre eigenen Rechte hoch: »So funktioniert das nicht, Herr Schrade.« Ein bisschen Belehrung, dann ins Leere laufen lassen: Die Parade des Rathauschefs zeigt eine zielführende Variante des Umgangs mit den immer gleichen Strickmustern der AfD. (GEA)