Zwanzig Minuten zuvor, pünktlich um 14.38 Uhr, war der »Rote Heuler« aus Metzingen kommend auf Gleis 3 eingefahren, musikalisch begrüßt von »Tante Friedas Marching Band« und dem Lied - wer hätt’s gedacht - »Auf der schwäbschen Eisebahne«.
Drinnen, in den Wagen mit dem roten »Anstrich 894.08.06«, jede Menge Ehrengäste, die kurz nach 15 Uhr im Festzelt am »Gönninger Bahnhöfle« beim Westbahnhof in der Tübinger Straße diversen Ansprachen lauschten. »Diverse« deshalb, weil 150 Jahre Eisenbahn in Reutlingen wahrlich ein guter Grund für ein Fest ist.
Diese Geburtstagfeier sei eine »großartige Bereicherung« des Heimattage-Programms, das »uns schwer auf Trab hält«, sagte Oberbürgermeisterin Barbara Bosch. Erst durch die Eisenbahn habe Reutlingen zu einem Wirtschaftszentrum werden können, so Bosch, die sich nachdrücklich zur Regionalstadtbahn bekannte. »Wir setzen auf die Schiene als Teil der regionalen Infrastruktur.«
Rainer Arnold, Ministerialdirektor im baden-württembergischen Innenministerium, sicherte diesbezüglich finanzielle Unterstützung durch das Land zu, sofern die Wirtschaftlichkeitsberechnung, die im Frühjahr 2010 vorliegen dürfte, entsprechende Zahlen nennt - eine Zusage, die auch Landrat Thomas Reumann erfreut zu Kenntnis nahm.
Organisiert worden war die zweitägige Fete von der Stadt Reutlingen, der Deutschen Bahn und den Mitgliedern der beiden Vereine »Schwäbische Alb-Bahn« und »Freunde der Zahnradbahn Honau-Lichtenstein«.
Und es gab jede Menge zu bestaunen - nicht nur aus der Sicht von Eisenbahnfans.
Ungleich verteilt
Zu den Stars der zweitägigen Fete gehörte zum einen die oben beschriebene »Preußische Güterzuglokomotive«, am Sonntagmorgen treibende Kraft für sechs piekfein restaurierte original Reichsbahn-Plattformwagen aus den 1920er-Jahren. In der ersten Reihe, also im ersten Wagen hinter der Lok, saßen zwanzig GEA-Leser, denen beim Gewinnspiel das Glück zur Seite gestanden hatte.Peter Walz vom Verein der »Schwäbischen Alb-Bahn« sorgte mit seinen Kollegen für einen reibungslosen Einstieg in Richtung Bad Urach und in Wagen, die aus Oberhausen gekommen waren und jetzt fünf Jahre in der Region bleiben.
Bei den Eisenbahnfans hoch im Kurs stand am Sonntag zum anderen das legendäre »Deutsche Krokodil E 94«, ein Trumm in Grün mit einem Gewicht von 118 Tonnen aus dem Jahr 1941, das zwischen Reutlingen und Plochingen pendelte. Ein weiteres, aber stehendes »Krokodil« am Westbahnhof sorgte für lange Schlangen: Einmal Lokführer spielen, auch wenn der Zug im Bahnhof bleibt. Das Interesse daran war allerdings bei Männern und Frauen im Verhältnis 4 zu 1 ungleich verteilt. Beim Wurststand war es ausgeglichen.
Auch der Pendelzug zwischen Reutlingen und Betzingen, gezogen von einer bulligen Diesellok V-50 mit 500 PS und zwei schnieken Waggons, wurde in Beschlag genommen. Am späten Samstagnachmittag war die restaurierte Strecke von Oberbürgermeisterin Barbara Bosch freigegeben worden. Die Instandsetzung der Schienen und Weichen, beziehungsweise die Verlegung von 300 Meter Gleis und das Richten der gesamten Anlage, verdient Respekt.
»Alle Hochachtung vor den Leuten, die dieses Fest organisiert haben«, sagte auch Roland Marquardt. Der ehemalige Lokführer der Gönninger Bahn schwelgte wie Tausende andere in Erinnerung an die gute alte Zeit. »Früher, als ich diese Strecke gefahren bin, hat es hier nicht so schön ausgesehen. Im Vergleich zu heute war das Glump.« (GEA)
