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Aktuell Amtsgericht

Messerstecher des KuRT-Festivals verurteilt

21-Jähriger muss für drei Jahre und elf Monate ins Gefängnis. Ein Opfer schwebte in Lebensgefahr

REUTLINGEN. Friedlich feiern über 3 500 Musikfans am 17. Juli 2017 auf dem KuRT-Festival im Bürgerpark während des Auftritts des Hip-Hoppers Eko Fresh. Mitten unter ihnen ereignet sich gegen 23 Uhr der wohl schlimmste Vorfall in der elfjährigen Geschichte dieses Events. Nach einem Messerstich in den Bauch wird ein 17 Jahre alter Festivalbesucher notoperiert. Innere Verletzungen gab es nur keine, weil die fünf Zentimeter lange Klinge an einem Rippenknorpel aufgehalten wurde. Kurz zuvor ist ein 14-jähriger Afghane an der Schulter verletzt worden.

Für diese schwere Körperverletzung in zwei Fällen wurde ein 21-Jähriger nun am Amtsgericht Reutlingen zu drei Jahren und elf Monaten Haft verurteilt. Bis zuletzt blieb der Angeklagte bei seiner Version der Geschichte: So habe er bei einem Handgemenge sein um den Hals hängendes Neck-Knife verloren. Als sich die Lage nach wenigen Minuten beruhigte, habe er das Messer auf dem Boden wiederentdeckt und aufgehoben. Die Waffe habe er dann weggeworfen, als der Sicherheitsdienst ihn aufgriff. Die Taten müsse in der Zwischenzeit aber jemand anderes begangen haben. »Ich wünsche mir, dass der richtige Täter gefasst wird«, sagte der Angeklagte noch in seinem letzten Wort.

Das Gericht hatte dagegen keine Zweifel, dass der in Tübingen aufgewachsene 21-Jährige der Täter ist. »Ihnen glauben wir gar nichts«, sagte Eberhard Hausch, Vorsitzender des Schöffengerichts in seiner Urteilsverkündung. Dies gilt auch für seine 15 Jahre alte Freundin, die zusammen mit ihm auf dem KuRT-Festival war und den Tathergang »mindestens drei Mal anders« erzählt habe.

Das Problem: Weder die beiden Opfer noch ihre Begleitungen konnten den Angeklagten zu einhundert Prozent identifizieren. Dafür ein erfahrener Ordner des Festivals. Der hatte den Aggressor von einem wenige Meter entfernten Podest aus erkannt. Er beobachtete, wie der Angeklagte das 17 Jahre alte Opfer unvermittelt ins Gesicht schlug und dann eine Ausholbewegung in Bauchhöhe machte. Ein Messer erkannte er aus der Entfernung aber nicht.

Verteidiger Matthias Hunzinger hatte deshalb erhebliche Zweifel: »Kein Zeuge hat den Stich beobachtet.« Sein Mandant, der gerade eine Ausbildung als Landschaftsgärtner macht, würde durch ein Urteil seine Lebensperspektiven verlieren. »Nicht wir haben diese kaputtgemacht, sondern er selbst«, entgegnete Richter Hausch.

Mildernd hat das Gericht berücksichtigt, dass der Angeklagte durch erheblichen Alkoholkonsum enthemmt war; dazu kam seine schwere Kindheit. Früh ist er von zu Hause in eine betreute Wohngruppe gezogen. Doch die andere Seite wiegt ungleich schwerer. Der 21-Jährige stand wegen mehrerer Körperverletzungs-Delikte bereits unter Bewährung, hatte in der Tübinger Innenstadt Aufenthaltsverbot. »Er wusste ganz genau, dass er sich nichts mehr erlauben darf«, betonte Hausch, für den das Urteil trotzdem einen faden Beigeschmack hat: »Vielleicht hätten die Gerichte früher durchgreifen müssen.«

Die harte Strafe solle dabei eine Signalwirkung für Leute haben, damit diese auch künftig ohne Angst auf das KuRT-Festival gehen können. Und auch für die Veranstalter, damit diese sich in Zukunft noch trauen, solch ein Event auf die Beine zu stellen. Die Perspektive des Angeklagten sieht Hausch durch die drei Jahre und elf Monate im Gefängnis dennoch nicht als gescheitert an: »In der JVA Rottenburg kann er seine Ausbildung zum Landschaftsgärtner weitermachen.« (GEA)