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Mehr Wohnungen ohne Preisbindung in Betzingen

Weil sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen drastisch verschlechtert haben, sollen die wohnungspolitischen Vorgaben für den Investor des Betzinger Egelhaaf-Areals abgeändert werden: Statt 25 sollen 54 Prozent der Wohneinheiten frei vermarktbar sein, 46 Prozent als öffentlich geförderte Mietwohnungen. Der Bezirksgemeinderat stimmte zu. Warum dem Gremium das Projekt so wichtig ist.

Auf dem Egelhaaf-Areal entstehen 84 Wohneinheiten. Die Vermarktung läuft bereits an.
Auf dem Egelhaaf-Areal entstehen 84 Wohneinheiten. Die Vermarktung läuft bereits an. Foto: Frank Pieth
Auf dem Egelhaaf-Areal entstehen 84 Wohneinheiten. Die Vermarktung läuft bereits an.
Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN-BETZINGEN. Es hat zwar eine Weile gedauert, bis die Entwicklung des Egelhaaf-Areals zu einem attraktiven neuen Quartier nahe der Betzinger Ortsmitte in die Gänge kam. Doch im vergangenen Jahr nahm das Projekt mächtig an Fahrt auf: Der Gemeinderat beschloss nicht nur den Bebauungsplan, sondern auch den Verkauf der städtischen Flächen für 3,875 Millionen Euro an die BPD Immobilienentwicklung GmbH, Siegerin des Investorenwettbewerbs 2019. Doch seither haben sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen derart verschlechtert, dass der Investor seine Pläne nicht mehr eins zu eins umsetzen kann. Damit sie nicht scheitern, soll es jetzt eine Anpassung der wohnungspolitischen Vorgaben und eine entsprechende Änderung der Vertragsbedingungen geben. Ansonsten bleibt alles wie gehabt.

Auf dem ehemaligen, 1,35 Hektar großen ehemaligen Fabrikgelände zwischen Hepp- und Röntgenstraße soll ein Mix aus Wohnen und Gewerbe samt Dienstleistungen und Läden entstehen. Geplant sind 85 Wohneinheiten, etwa 170 Menschen können hier eine neue Heimat finden. Für Betzingen bietet das Projekt neben Wohnraum und einer Aufwertung der Ortsmitte Mehrwert auch in puncto Hochwasserschutz: Für die Volkshochschule entsteht auf dem Egelhaaf-Areal ein neues Domizil, das alte in der Meisterschule wird dadurch frei für den Abriss. Damit wäre ein Hindernis für die Ausweitung des Echaz-Flaschenhalses beseitigt - fehlt nur noch das Privatgebäude vis-à-vis, dessen Besitzer sich hartnäckig gegen den Verkauf sträubt.

Worst-Case-Szenario verhindern

Viele gute Gründe also, das Gesamtprojekt voranzubringen. Deshalb die vorgeschlagenen Anpassungen des Projektentwicklers, die Fabian Schäufele, stellvertretender Leiter des Amtes für Wirtschaft und Immobilien, in der Betzinger Sondersitzung zum Egelhaaf-Areal als»akzeptabel und begründet« bezeichnete. Hohe Inflationsrate, steigende Zinsen, Energiekrise, verteuerte Baukosten, schwierige Rohstoffbeschaffung, Fachkräftemangel, dazu eine unklare Förderlandschaft - das Unternehmen sieht sich wie viele andere mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert, die »zu einer realistisch erscheinenden Einstellung des Projekts« führen könnten, wie es in der Beschlussvorlage zum Worst-Case-Szenario heißt. Das wollen aber weder Stadt noch Bezirksgemeinderat und offensichtlich auch nicht der Investor. Deshalb sollen die Vertragsbedingungen zwar bleiben wie vor einem Jahr beschlossen, aber die wohnungspolitischen Vorgaben gelockert werden. Vorgeschrieben war bisher, 25 Prozent der Wohneinheiten ohne Preis- und Belegungspflichten zu erstellen, von den übrigen 75 Prozent mindestens 30 Prozent als öffentlich geförderte Wohneinheiten und den Rest aus einem Mix mit preiswerten Eigentums- und Mietwohnungen sowie Sozialwohnungen.

»Die Umsetzung könnte schwierig werden«, so Schäufele zu den Bedenken von Verwaltung und Projektentwickler. Deshalb soll er jetzt 45 der 85 Wohneinheiten - etwa 54 Prozent - frei vermarkten können, die restlichen 39 Wohnungen und damit 46 Prozent als öffentlich geförderte Mietwohnungen. Preiswertes Eigentum fällt komplett raus. Den nach wie vor sehr hohen Anteil an Sozialwohnungen bezeichnete Schäufele als »super Quote«.

Abriss noch in diesem Jahr

Aber was, wenn das Unternehmen doch noch abspringt, fragte Stefan Junginger und wollte von Fabian Schäufele wissen, ob er bestätigen könne, dass die BPD dranbleibe. »Aus heutiger Sicht ja, aber eine Glaskugel habe ich nicht«, meinte Schäufele. Der Projektentwickler sei ein »großer Player«, absolut seriös und auch schon in Vorleistung gegangen. Die Verwaltung gehe davon aus, dass er seine Pläne umsetzt.

Junginger blieb der einzige Bedenkenträger. Die Anpassungen seien »sehr moderat«, so der Tenor im Gremium. Lehne man sie ab, stehe man ohne Investor da, warnte Bezirksbürgermeister Friedemann Rupp Die weitere Entwicklung schätzte er positiv ein: »Ich bin sehr zuversichtlich, dass es auch wirklich losgeht.«

Ähnlich die Einschätzung seiner Stellvertreterin Dagmar Krause, die den nahenden Einstieg in die Egelhaaf-Bebauung als großen Schritt für Betzingen bezeichnete - vor allem auch, weil er den Hochwasserschutz voran bringe. »Ich hoffe, dass sich auch auf der anderen Seite etwas bewegt.« Das Gremium befürwortete einstimmig die Änderung, der Gemeinderat wird am kommenden Donnerstag darüber entscheiden.

»Die Marktbedingungen sind schwierig, aber es ist schön, dass es noch Investoren gibt«, fasste der stellvertretende Amtsleiter das Kapitel Egelhaaf-Areal zusammen. Die Genehmigung für den ersten Bauabschnitt hat die BPD Immobilienentwicklung laut Fabian Schäufele bereits, die Vermarktung ist angelaufen. Noch in diesem Jahr soll mit dem Abbruch begonnen werden, mit der Fertigstellung des ersten Abschnitts ist bis 2025 zu rechnen. Fertig sein soll das neue Betzinger Quartier 2027. (GEA)