REUTLINGEN. »Ich bin begeistert, das ist großartig, genial und toll«: Landrat Dr. Ulrich Fiedler fand am Dienstag gar nicht genug Superlative, um seine Freude über das »medmobil« auszudrücken, das gestern offiziell auf dem Marktplatz an den Start ging. Oberbürgermeister Thomas Keck schloss sich an, »von der Idee bis zur Umsetzung möchte ich allen Beteiligten danken«. Und Beteiligte sind es viele, neben den Ideengebern und Initiatoren Wilfried Müller und Kurt Gugel, dem Reutlinger DRK, von dem das Rettungsfahrzeug stammt, über die Arbeiterwohlfahrt (AWO), die der neue Halter des »medmobils« ist.
Beteiligt waren aber auch Susanne Schöpfer und ihre Tochter Corinna Lettmann, die das Pflaster-Logo auf dem Fahrzeug gestaltet haben. Finanziell enorm engagiert haben sich die Vector-Stiftung (mit 90.000 Euro) und die Lechler-Stiftung (mit 20.000 Euro), um den Kauf, die Ausstattung und den Betrieb des Rettungsfahrzeugs für die kommenden drei Jahre zu gewährleisten. »Wir haben mit rund 150.000 Euro für diesen Zeitraum kalkuliert«, betonte AWO-Geschäftsführer Ulrich Högel.
»Wir dürfen als Ruhestandsärzte keine Kassenrezepte ausstellen, aber Privatrezepte«
Die Reutlinger Firma Wörner Medizinprodukte spendet Materialien, bei der Apotheke am Tübinger Tor können Patienten Privatrezepte bekommen, die von den bislang fünf Ärzten ausgestellt werden. Am Monatsende begleicht die AWO die Rechnungen. »Wir dürfen als Ruhestandsärzte keine Kassenrezepte ausstellen, aber Privatrezepte«, sagte Kurt Gugel. »Wir schaffen mit dem 'medmobil' ein niederschwelliges Angebot für Menschen, die nicht krankenversichert sind.«
Termine des »medmobils«
Das rollende Arztzimmer wird zunächst an den fünf kommenden Terminen eine Anlaufstelle für Menschen ohne Krankenversicherung sein: Am 18. März steht das Fahrzeug zwischen 11 und 14 Uhr an der Reutlinger Citykirche. Jeweils zwischen 10 und 12 Uhr erreichbar ist das »medmobil« am 31. März in der Rommelsbacher Straße 1, am 9. April in der Glaserstraße 5, am 17. April in der Sickenhäuserstraße und am 30. April erneut in der Rommelsbacher Straße 1.
An bestimmten Terminen wird das Fahrzeug an diversen Orten seine Hilfe und Unterstützung anbieten. »Wir wollen den Menschen Zeit geben, damit sie sich öffnen können«, sagte Mitinitiator Gugel. Er sowie zunächst vier Kolleginnen und Kollegen werden sich den Dienst rein ehrenamtlich teilen. »Wir müssen sehen, wie groß die Nachfrage sein wird«, betonte der Ruhestands-Hausarzt Gugel. Je nachdem könnten auch zusätzliche Termine angeboten werden.
»Es ist bedauerlich, dass es dieses Angebot überhaupt braucht«
Die Idee sei laut Wilfried Müller schon 2019 entstanden. »In anderen Städten gibt es ja schon länger solch eine ärztliche Versorgung für Menschen ohne Krankenversicherung«, so der ehemalige Rettungsdienstleiter. »Dann kam Corona dazwischen, deshalb hat es ein bisschen länger gedauert.« Müller lobte aber das Teamwork, das entstanden sei – »wir fanden Unterstützung von allen Seiten«. Das »medmobil« werde stets mit drei Personen besetzt sein, mit einer ärztlichen Fachkraft, einem Pfleger oder einer Krankenschwester sowie einer professionellen Kraft der AWO, die im Bedarfsfall Beratung anbietet.
»Es ist zwar bedauerlich, dass es dieses Angebot überhaupt braucht«, sagte Keck. Doch umso mehr lobte der OB das »karitative Engagement für die Stadtgesellschaft«. Michael Schmidt freute sich als DRK-Ortsvereinsvorsitzender ebenfalls, dass dieses 20 Jahre alte Rettungsfahrzeug seine neue Bestimmung gefunden hat. »Jetzt brauchen wir genauso wie die AWO zur Finanzierung des ‚rollenden Arztzimmers‘ Spenden für ein neues Rettungsfahrzeug«, so Schmidt. An die 200.000 Euro koste solch ein neuer Wagen. »Wir müssen die Lücke wieder füllen, da führt kein Weg dran vorbei.« Zuschüsse vom Land oder Bund für ein neues Fahrzeug gebe es keine.
Augentropfen bis Zäpfchen werden die jeweiligen Ärztinnen und Ärzte den Patienten künftig im »medmobil« verabreichen können. »Im Fahrzeug ist natürlich auch Verbandsmaterial dabei, es kann Blutdruck und Blutzucker gemessen werden genauso wie Diagnosen von chronischen oder akuten Krankheiten«, so Müller. Warum sich Gugel und Müller so stark für das »medmobil« einsetzen? »Wir wollen ein wenig von dem Positiven, das wir im Beruf erfahren haben, zurückgeben«, betonte Wilfried Müller.