REUTLINGEN. »Der Herr hat zwei kleine Mädchen im Bus angemacht«, erinnert sich der Zeuge an die Worte des Busfahrers. Vor Gericht trägt seine Aussage dazu bei, den Vorwurf des versuchten sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen zu erhärten. Auf der Anklagebank des Schöffengerichts im Amtsgericht Reutlingen sitzt dieser Herr in Gestalt eines 30 Jahre alten Mannes, der wenig Haare auf dem Kopf, aber dafür viele Einträge im Vorstrafenregister hat. Obschon bei der Beweisaufnahme die Technik streikt, steht am Ende die Verurteilung zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.
Alle Zeuginnen und Zeugen sind sich einig in der Beschreibung des Sachverhaltes. Danach hat der Mann im März dieses Jahres in einem Stadtbus der Linie 22 nach Ohmenhausen zwei Mädchen im Alter von 13 und 14 Jahren übel angemacht sowie angetatscht. Der Angeklagte bewegte sich laut diversen Aussagen zu den ganz hinten sitzenden Schülerinnen, um den beiden entsetzten Kindern ebenso eindeutige sowie als ekelhaft beschriebene Angebote zu machen.
Im Gerichtssaal
Richter: Eberhard Hausch. Schöffen: Dr. Utz Wagner und Manfred Wolf. Staatsanwältin: Frau Zug. Verteidigerin Margrete Haimayer. Nebenklägervertreter: Steffen Kazmaier.
Was die beiden minderjährigen Opfer dieser sowohl handgreiflich als auch mündlich ausgeführten Attacke am ersten Verhandlungstag berichtet hatten, erhärtet sich nunmehr bei der Fortsetzung des Prozesses. Gehört werden Polizistinnen, die vor Ort und bei der Anzeigenaufnahme mit dem Fall beschäftigt waren, aber auch ein Helfer mit Zivilcourage. Denn nachdem der Busfahrer bemerkt hatte, was da in seinem Fahrzeug ablief, hielt er am Straßenrand an - und stellte den Täter zur Rede.
»Ich habe gesehen, dass die sich gekappelt haben«, erinnert sich der Fahrer, hielt deswegen seinen Wagen an. Die Mädchen, erzählt er, »saßen weinend im Bus«. Es habe »Gerangel und Beschimpfungen und Bespuckungen« gegeben. Offenbar sei der Angeklagte auch nicht ganz nüchtern gewesen. Die erste Polizistin im Zeugenstand nahm später die Anzeige auf. Sie sagt, der Busfahrer habe sich wohl mit einem Besen gegen den aufgebrachten Täter gewehrt. Ihre Kollegin hat als Streifenbeamtin vor Ort für Ruhe und Ordnung gesorgt.
Technik macht Probleme
»Wir haben die Beteiligten getrennt, die Minderjährigen aus dem Bus gebracht«, sagt die Polizistin im Zeugenstand. Der Angeklagte habe auf sie und ihren Kollegen »alkoholisiert und aggressiv« gewirkt. Im Anschluss an diese Aussagen würden Richter Eberhard Hausch und die anderen Prozessbeteiligten sehr gerne Videos über den Tatablauf betrachten. Doch das erweist sich lange als ein Ding der Unmöglichkeit.
Das dienstliche Laptop des Amtsrichters zeigt statt laufender Filmszenen nur ruckelnde Standbilder. Einer der Schöffen vermutet, die Grafikkarte des Computers sei wohl überfordert. Ein Datenträger lässt sich dazu nicht auslesen. Gut eine halbe Stunde lang versucht das Gericht vergeblich, die offizielle Technik gefügig zu machen. Letztlich hilft der zeitgemäße Computer eines Schöffen mit seinen multimedialen Fähigkeiten erfolgreich bei der Rechtsfindung.
Freiheitsstrafe ohne Bewährung
Schließlich verliest Hausch das lange Vorstrafenregister des Angeklagten, der für die Justiz seit einem Jahrzehnt kein Unbekannter ist. Die Liste der Verurteilungen reicht vom Rauchen eines Joints über diverse Ladendiebstähle bis hin zu Straftaten, die im Zusammenhang mit Sex stehen. Mal hat der Mann bei einem Parkplatz-Treffen eine Frau übel beleidigt und genötigt, in einem anderen Fall eine Prostituierte um ihren Lohn betrogen. Vergleichsweise Kleinigkeiten wie das Fahren mit einem nicht versicherten Auto runden das Bild seiner kriminellen Laufbahn ab.
Zudem sitzt er wegen eines bunten Straußes von Vorwürfen sowieso bereits in Haft. Die Plädoyers könnten unterschiedlicher kaum sein. Während die Verteidigerin meint, ein Jahr Freiheitsstreife würde reichen, fordert die Staatsanwältin dreieinhalb Jahre hinter Gittern. Das Schöffengericht kommt nach Abwägung aller Fakten des Falles zu einer nicht mehr zur Bewährung aussetzbaren Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. (GEA)