REUTLINGEN/TÜBINGEN. Es soll eigentlich nur eine »Freundschaft plus« mit gelegentlichem Sex gewesen sein, bei der auch Drogenbeschaffung eine Rolle spielte. Im Prozess um die sexuellen Übergriffe und Demütigungen einer 26-jährigen Reutlingerin, bei dem über weite Strecken die Öffentlichkeit ausgeschlossen war, ist gestern das Urteil gesprochen worden. Wegen der Taten gegen die Frau und weil er zudem deren Ex-Freund verprügelt und schwer verletzt hat, muss ein 28 Jahre alter Maurer für eine Gesamtstrafe von sieben Jahren ins Gefängnis. Nach zwei Jahren Haftverbüßung soll er außerdem eine lange Entzugstherapie antreten.
Flucht objektiv möglich
Zum Abschluss der Beweisaufnahme hatte die Kammervorsitzende Manuela Haußmann die Inhalte eines Vergleichs bekannt gegeben, auf den sich die geschädigte Frau und der Angeklagte über ihre Anwälte für ein sogenanntes Adhäsionsverfahren unter anderem auf ein hohes Schmerzensgeld geeinigt hatten: Zur Zahlung von 34.000 Euro zuzüglich Auslagen und der Anwaltskosten. Hierfür erklärte sich der 28-Jährige bereit, zu einer Entschuldigung konnte er sich freilich nicht durchringen.
Zwei ursprüngliche Tatvorwürfe hatte Staatsanwalt Michael Allmendinger im Laufe der Beweisaufnahme fallen gelassen. Eine Bedrohung zweier junger Männer mit einer illegalen Schreckschusswaffe auf einem Reutlinger Supermarktparkplatz fiel offenbar nicht so sehr ins Gewicht, wohl aber die Ankündigung, Verwandte der Freundin »aufzuschlitzen« und Drohungen, die Frau vom Balkon ihrer Wohnung im siebten Stock zu stoßen. Zwar war auch der Anklagepunkt einer vier Tage dauernden Freiheitsberaubung der Frau nicht aufrechterhalten worden, weil eine Flucht objektiv möglich gewesen wäre, so Manuela Haußmann. Doch in ihrer Urteilsbegründung sprach die Vorsitzende von einem Klima der Gewalt und Einschüchterung, in dem die Frau über vier Tage Todesängste habe ausstehen müssen.
Zu behandeln und zu beurteilen blieb zunächst auch eine weitere – mit der Beziehung zusammenhängende – Tat einige Zeit zuvor. Nach eigener Aussage auf Drängen der Frau, was das Gericht wohl nicht glaubhaft fand, hatte der Angeklagte zusammen mit einem dafür bereits verurteilten Mittäter einen früheren Freund der 26-Jährigen im Morgengrauen eines Februartages zusammengeschlagen, der aus ihrer Wohnung nicht ausziehen wollte und auf dem Sofa schlief. Dabei war auch ein Regenschirm als Waffe benutzt worden. Für diese und eine weitere Gewalttat gegen den Ex verhängte das Gericht anderthalb Jahre Haft, auch weil der 28-Jährige wegen anderer Delikte unter Bewährung stand.
Intimkontakt vermutet
Weil der Angeklagte bei einer Kontrolle ihrer Handy-Nachrichten einen neuen Intimkontakt der Frau vermutete, soll der Eifersüchtige sie im Juli vergangenen Jahres über vier Tage hinweg in ihrer eigenen Wohnung heftig, möglicherweise sogar lebensbedrohlich getreten und geschlagen, sie mehrfach zu seiner manuellen Befriedigung genötigt und schließlich durch das Abrasieren ihres Haars weiter gedemütigt haben.
Ein sogenannter Deal zwischen Gericht und Angeklagtem – Geständnis gegen erwartbaren Strafnachlass in einem »Strafkorridor« – war nicht zustande gekommen, weil die Angaben des Mannes über die fraglichen vier Tage des Martyriums für die Kammer nicht ausreichten, um der Frau eine Zeugenaussage zu ersparen. Diese fand dann nicht öffentlich statt.
Besonders schwerer Fall
Der Schuldspruch mit fünf Jahren und sechs Monaten Haft (plus anderthalb Jahre für die gefährliche Körperverletzung gegen den Ex-Freund) gründet auf dem Paragrafen 177 des Strafgesetzbuches, der einen sexuellen Übergriff in Verbindung mit Gewaltanwendung als besonders schweren Fall wertet und eine Mindeststrafe von fünf Jahren Freiheitsentzug vorsieht. Der Staatsanwalt hatte für diesen Tatkomplex ein halbes Jahr mehr beantragt, der Verteidiger in seinem Plädoyer auf ein konkretes Strafmaß verzichtet. Ob gegen das Urteil Rechtsmittel eingelegt werden, will Holger Bölz als Anwalt des 28-Jährigen noch prüfen und mit seinem Mandanten besprechen. (GEA)