Reutlingen war eine von vielen Städten, die die Bonner Beratungsfirma Biregio mit der Schulentwicklungsplanung beauftragte. Das Ergebnis ist bekannt: Die Bonner verpassten der Betzinger Hoffmannschule die rote Laterne und ordnete sie unter den drei fraglichen Standorten für eine Gemeinschaftsschule ganz hinten ein. Insbesondere wegen der hohen Umbaukosten sollte sie erst eines fernen Tages weiterentwickelt werden – wenn überhaupt. Das Gutachten hatte schulintern für Verwunderung gesorgt, weil dem Kollegium die Zahlen nicht plausibel erschienen und außerdem die an die Eltern der Drittklässler verschickten Fragen offenbar zu einigen Missverständnissen führten.
Infrastruktur nicht berücksichtigt
Die Betzinger liefen aber vor allem deshalb Sturm, weil sie dem größten Vorort auf jeden Fall auch eine weiterführende Schule erhalten wollten. Die erst von Biregio und dann von der Stadtverwaltung vorgeschlagene Priorisierung wurde vor allem deshalb kritisiert, weil die Bedeutung der Hoffmannschule für die Infrastruktur des Ortes sowie der umliegenden Gemeinden völlig unberücksichtigt geblieben sei. Dieser Meinung schloss sich der Reutlinger Gemeinderat an, inzwischen ist die Betzinger Grund- und Werkrealschule wieder mit im Rennen.Das Skript zur Frontal-21-Sendung kursiert derzeit in Betzingen und war auch im Bezirksgemeinderat Thema. »Ich muss sagen: Ich habe mich ein Stück weit bestätigt gefühlt«, kommentierte Thomas Keck den Inhalt. Bestätigt beispielsweise durch den im Beitrag zu Wort kommenden Wirtschaftswissenschaftler, der bemängelt, dass in den Biregio-Gutachten nicht untersucht wird, welche Bedeutung die Schulen für den Ort und die Lebensqualität der Menschen haben. Zahlen würden auf den »Tisch geknallt«, so der Professor in der Sendung, ohne dass die Gutachter Aussagen zum qualitativen Wert machten.
In ihrer Skepsis bestärkt sieht man sich in Betzingen außerdem durch die Aussage von Frontal 21, Biregio biete seine Expertisen zum »Schleuderpreis« von 19 000 Euro an, während andere Büros 120 000 verlangten. Der Sender hatte die Biregio-Gutachten genauer analysiert und dabei ein interessantes Ergebnis zutage befördert: Textblöcke mit erstaunlich vielen Übereinstimmungen, Allgemeinplätzen und nicht sonderlich informativen Tabellen.
Nach der Lektüre des Skripts könne er die Begeisterung, die in Teilen der Stadtverwaltung über Biregio und seinen Chef Wolf Krämer-Mandeau – er hatte den Schulentwicklungsplan in der Rommelsbacher Wittumhalle präsentiert – noch weniger nachvollziehen, sagte Thomas Keck. »Ich finde das befremdlich.«
Die von Frontal 21 aufgedeckten Mängel sind aus Sicht des Bezirksbürgermeisters signifikant für viele Gutachten. »Das sind Leute, die mit dem Musterkoffer durchs Land ziehen und überall ihre Module anbieten. Und weil die wenig passgenau sind, kommt’s gelegentlich halt zu Unfällen.« (keg)

