REUTLINGEN. So dumm es klingt: »Danke Breuninger«, möchte man manchmal fast sagen. Wohl kaum ein Ereignis hat das Reutlinger Rathaus so aufgescheucht wie die Ansage des Modeunternehmens im März, seinen Reutlinger Standort zu schließen. Bereits einen guten Monat später präsentierte die Stadt ein 16-Punkte-Programm zur Stärkung der Innenstadt - und beließ es nicht bei Absichtserklärungen.
Im Rahmen des City-Talks in der M 59 verkündeten Baubürgermeisterin Angela Weiskopf und Finanzbürgermeister Roland Wintzen Vollzug für einen Großteil der Maßnahmen. Anders als bei so manchen Masterplänen, die nur zäh in der Wirklichkeit ankommen, hat man bei der Planung der 16 Maßnahmen im Rathaus auf eines besonders geschaut: die schnelle Umsetzbarkeit und damit Wirksamkeit des »Vitamin-Boosters«.
1 Kostengünstiges Parken in den städtischen Tiefgaragen
Seit Juli ist die zweite Parkstunde in den städtischen Tiefgaragen kostenfrei. Damit sei das Parken jetzt so günstig wie sonst nirgends in der Umgebung, berichtete Wintzen.
2 Kostenloses Busfahren am Samstag
Ein Leuchtturmprojekt der Stärkungsoffensive ist seit Juli der kostenlose Samstags-Busverkehr in Reutlingen. Extra-Schmankerl obendrauf: Ein Gratis-Minibus umrundet die Altstadt im Viertelstundentakt. 22 Prozent mehr Busverkehr an diesem sonst eher schwachen ÖPNV-Tag weisen den Weg, wie man Bürger in den Öffentlichen Verkehr locken kann. Mindereinnahmen von zwischen 150.000 und 200.000 Euro per anno fürs Parken, um die 400.000 Euro für die Bustickets: Die Kosten beider Projekte sind kein Pappenstiel.
3 Mehr Mittel für die Innenstadt
Wenn es ums Geld geht, heißt seit Längerem schon ZIZ das Zauberwort in Reutlingen. Aus dem Bundesfördermitteltopf »Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren« wurde bereits so manches Projekt finanziert, was in der finanzschwachen Stadt sonst nicht realisiert worden wäre. Markantes Beispiel: die temporären Wasserspiele, die den Marktplatz im Sommer verzaubert haben. Die Stadt hatte sich beim Bund erfolgreich darum bemüht, die Mittel, die für die Galeria-Kaufhof-Umnutzung vorgesehen waren (750.000 Euro), umzuwidmen: So gelangten immerhin noch 600.000 Euro ins Stadtsäckel.
4 Längerer Betrieb der Wasserspiele
Einem früheren Sparposten wurde der Geldhahn wieder aufgedreht: Wasserspiele und Brunnen sprudeln wieder während der gesamten warmen Jahreszeit.
5 Mehr und gebührenfreie Dekoration in der Innenstadt
Händler und Gastronomen sollen an der Attraktivierung der Stadt mitwirken. Tische, Stühle und Dekorationen dürfen jetzt gebührenfrei vor Laden oder Lokal gestellt werden.
6 Mehr Sicherheit in der Innenstadt
Der Kommunale Ordnungsdienst wird personell aufgerüstet: Zwei neue Mitarbeiter sind bereits eingestellt. Zwei weitere werden laut Angela Weiskopf folgen. Sie schauen nach Bettlern, Straßenmusikern, Falschparkern und rüpeligen Radfahrern in der Fußgängerzone. Mit der Polizei ist man im Gespräch, dass sie in der Nachtzeit verstärkt nach dem Rechten in der Altstadt schaut.
7 Mehr Sauberkeit
Die Technischen Betriebsdienste (TBR) haben eine Extratruppe gebildet, die sich ums Thema Altstadtvermüllung kümmert. Die Stadt will zudem ein Graffiti-Entfernungskonzept entwickeln.
8 Mehr Fahrradabstellmöglichkeiten in der Innenstadt
Die Radler dürfen sich über 100 neue Stellplätze freuen, die sukzessive eingerichtet werden.
9 Mehr Licht und Farbe in den städtischen Tiefgaragen
Mehr Beleuchtung, mehr Farbe und eine bessere Wegeführung in Richtung Innenstadt sollen die Parkhäuser attraktiver machen.
10 Mehr kostenloses WLAN
»Kleinvieh macht auch Mist«, so Wintzen. Das kostenlose WLAN in der Innenstadt soll ausgeweitet werden. Bisher gibt es schon eine Reihe von Hotspots im Bereich Bürgerpark und Tübinger Tor.
11 Anmietung von Leerständen
Wertvoller Stadtraum – ungenutzt: Eine Herausforderung für die Kommune. Drei Leerstände hat die Stadt angemietet, um dort Interims-Leben erblühen zu lassen: die W 109 in der Wilhelmstraße, die Pop-up-Academy in der Rathausstraße und den Welt-Raum am Weibermarkt.
12 Sperrzeitverkürzung
Den Gastronomen wird (auf Antrag bei der Stadtverwaltung) die Sperrzeitverkürzung ermöglicht.
Was macht eigentlich die Biosphärenhalle?
Kein Wort verloren die Bürgermeister beim »City-Talk« über den Veranstaltungsort, die Metzgerstraße 59. Die »M 59« war ja eine heiße Kandidatin für das Projekt »Markt- und Manufakturenhalle« – die dereinst die Biosphärenstadt Reutlingen ins Schaufenster stellen soll.
Dass die ursprünglich in diesem Herbst schon geplante Eröffnung nichts wird, zeichnete sich schon lange ab – die Standortfrage ist weiter ungeklärt, auch wenn die »M 59« auf der Internetseite der Stadt schon zementiert er-scheint. Ist die Breuninger-Immobilie am Marktplatz, die das Modeunternehmen Ende November verlassen wird, eine ernst zu nehmende Option? Am Rande des Talks wollte sich von der Verwaltung auf GEA-Nachfrage niemand dazu äußern. Man verwies auf Reiner App von den »Köpfen für Reutlingen«, die Betreiber der künftigen Halle. Auch er antwortete nur vage: »Es wird demnächst was sichtbar.«
Rund 600 Anteile an der Genossenschaft sind gezeichnet. Was weit hinter der früher genannten Zielvorstellung (1.000 bis zum Herbst) zurückbleibt, wie auch App einräumen musste. Er betonte jedoch: »Es werden jeden Tag neue Anteile gezeichnet.« (igl)
13 Mehr Innenstadterlebnis
Das Stadtmarketing wird personell und finanziell verstärkt.
14 Mehr Innenstadt-Marketing
Eine Marketingkampagne der StaRT GmbH soll die Maßnahmen zur Stärkung der Innenstadt und bereits vorhandene Angebote in den Fokus von Bevölkerung und Besuchern rücken.
15 Mehr Koordination und mehr Abstimmung
Der Finanzbürgermeister und die Baubürgermeisterin koordinieren die innenstadtrelevanten Themen innerhalb der Stadtverwaltung. Die mit diesen Themen beschäftigten Stellen werden besser verzahnt.
16 Mehr Austausch zwischen Stadtverwaltung und Innenstadtakteuren
Die Verwaltung sucht verstärkt den Dialog mit Einzelhandel, Gastronomen, Immobilieneigentümern und Anwohnern. Auch »selbstkritisch« will man bei der Verwertung der Informationen sein, versprach Angela Weiskopf. Ein Jour fixe alle zwei Wochen ist etabliert.
Auch der öffentliche »City-Talk« vergangene Woche in der M 59 ist ein Dialogformat, das aus dem 16-Punkte-Programm stammt.
Um Wohn- und Gewerbefläche nachhaltig zu aktivieren, hat die Stadt eine zweiköpfige Task-Force Innenstadt beim Bürgerbüro Bauen eingerichtet. Die Verfahren für Umnutzung und Baugenehmigung sollen so beschleunigt werden – eine Maßnahme abseits des 16-Punkte-Programmes. Denn der schnelle Booster stelle natürlich nicht das Ende der städtischen Bemühungen dar, beteuerte Wintzen.
Die Ausweisung von städtebaulichen Sanierungsgebieten in der Innenstadt ist in Arbeit. Dort sollen steuerliche Vorteile private Investitionen befördern.
Ebenfalls im Werden sind die Pläne für die Aufwertung des Marktplatzes unter anderem mit zusätzlichen Bäumen, teils neuem Pflaster und anderen Leuchten. Derzeit arbeitet man sich noch an Widerständen der Marktbeschicker ab. »Das Thema ist komplex«, so Dezernentin Weiskopf. Anfang Dezember soll es dazu eine Veranstaltung geben. (GEA)