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Aktuell Arbeitslosigkeit

Langzeitarbeitslose als Leidtragende

REUTLINGEN. Ganz offensichtlich nimmt die Bundesregierung eine Quote von konstant fast einer halben Million Langzeitarbeitslosen einfach so hin, sind sich Wolfgang Schreiber von Pro Labore und Manfred König von der Neuen Arbeit im Gespräch mit dem GEA einig. Wie sonst wäre es zu erklären, dass zwischen 2010 und 2012 die Mittel für die Wiedereingliederung Betroffener von der schwarz-gelben Regierung um rund 50 Prozent von sechs auf drei Milliarden Euro gekürzt wurden?

Foto: dpa
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Die Hoffnung mit dem Wechsel zur schwarz-roten Bundesregierung sei zwar groß gewesen auf eine Kehrtwende in der Hilfe für die Menschen am Rand der Gesellschaft – »das war aber völlig vergeblich«, betonen die Geschäftsführer der beiden sozialen Beschäftigungsunternehmen.

Nun hatte vor Kurzem Beate Müller-Gemmeke als grüne Bundestagsabgeordnete aus dem Kreis Reutlingen in einem offenen Brief an Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles beklagt, dass seit 2012 eine weitere Kürzung der Eingliederungshilfen um zehn Prozent vollzogen wurde. Doch damit nicht genug – der Verwaltungshaushalt der Agentur für Arbeit wurde nach den Worten der Grünen-Politikerin zusätzlich um 1,5 Prozent geschmälert. Der Witz an der Sache – was aber laut König und Schreiber »alles andere als lustig ist«: Um die stetig steigenden Personal- und Mietkosten aufzufangen, müssten die Jobcenter vor Ort aufgrund der Unterfinanzierung ihrer eigenen Arbeit zwangsläufig immer wieder in den Topf jener Gelder greifen, die eigentlich den Langzeitarbeitslosen zukommen sollten. »Die Verwaltung der Arbeitslosigkeit wird also immer teurer, was wiederum zulasten der Arbeitslosen geht«, so Schreiber.

Unternehmen profitieren

Doch damit nicht genug, wie die Geschäftsführer von Pro Labore und der Neuen Arbeit erläutern: »Die Netto-Gehälter sind in Deutschland ja seit den 90er-Jahren überhaupt nicht mehr gestiegen«, sagt Schreiber. »Dafür wurde das gesamte Arbeitsvolumen reduziert und auf mehr Schultern verteilt«, so König. Teilzeit, Leiharbeit, geringfügige Beschäftigungen lauten die Stichworte. Profitiert hätten davon einzig die Unternehmen und Betriebe, weil sie damit Kosten einsparen. »Die heutigen Arbeitslosenzahlen sind deshalb der pure Witz«, betont Schreiber. Als »Taschenspielertricks« bezeichnet er das Vorgehen der Regierungspolitik, »die lügen sich selbst in die Tasche«.

Wer nämlich einen 400-Euro-Job hat, der tauche in der Arbeitslosenstatistik nicht auf. Leben könnten diese Menschen von dem Betrag aber natürlich nicht. Genauso wenig wie die zahlreichen Unterbezahlten, die oftmals trotz eines oder gleich mehrerer Jobs Aufstockungsgelder vom Staat beziehungsweise der Jobagentur beziehen müssen. Was durchaus als Ausbeutung oder moderne Sklaverei bezeichnet werden könne. »Und genau dieses Modell soll von Deutschland in die anderen europäischen Staaten getragen werden«, schüttelt Wolfgang Schreiber verständnislos den Kopf. Dabei sei mit diesem Modell die Altersarmut programmiert.

Und die Langzeitarbeitslosen? Die Zahl liegt nach den Worten von Müller-Gemmeke seit Jahren konstant bei weit mehr als 400 000. Nach der Mittelkürzung für geeignete, längerfristige Maßnahmen, um die Menschen wieder in Arbeit zu bringen – und damit auch wieder in die Gesellschaft zu integrieren – ging es auch den sozialen Beschäftigungsträgern massiv an den Kragen, wie Schreiber und König berichten: Die Neue Arbeit musste 25 von 50 hauptamtlichen Mitarbeitern kündigen, die Standorte Plochingen, Tuttlingen und Albstadt wurden ganz geschlossen.

Pro Labore fuhr den Stamm der Hauptamtlichen von 16 auf 13 zurück. Und die Plätze für »Arbeitsgelegenheiten« musste König von 50 auf 20 reudzieren – weil sie nicht mehr finanziert werden. »Für Langzeitarbeitslose wird gar nichts mehr oder viel zu wenig getan«, so Manfred Königs Fazit.

Existenz bedroht

Und wenn es so weitergeht? Dann sei die Existenz der sozialen Beschäftigungsträger selbst massiv bedroht. »In anderen Landkreisen haben schon einige Insolvenz anmelden müssen«, sagt Schreiber. Das sieht auch Beate Müller-Gemmeke so: »Realität ist, dass gerade diese gemeinnützigen Beschäftigungsträger mit ernsthaften Finanzierungsproblemen und Zukunftssorgen kämpfen«, schrieb sie in ihrem offenen Brief an die Bundesarbeitsministerin. »Die Leidtragenden sind und bleiben vor allem die Langzeitarbeitslosen«, betonen die Grünen-Politikerin und die Geschäftsführer der sozialen Beschäftigungsunternehmen unisono. (GEA)