REUTLINGEN. Als sich an diesem Dienstag die Türen zum Ratssaal öffnen, machen die Gemeinderäte große Augen. So einen Besucherandrang haben sie selten erlebt: Knapp 50 Menschen sind gekommen, um die Gemeinderatssitzung zu verfolgen. Normalerweise sitzt auf den Publikumsrängen gerade mal eine Handvoll Menschen. Die vielen Zuhörer sind an diesem Abend ins Rathaus gekommen, weil sie sich für zwei Themen interessieren, die von den Gemeinderäten besprochen und beschlossen werden. Den einen geht's um das Thema Kita-Gebühren. Anderen um den Antrag der AfD-Fraktion, aus dem Bündnis »Sicherer Hafen« auszusteigen.
Doch um zu hören, wie über ihre Themen gesprochen und abgestimmt wird, müssen die Menschen Sitzfleisch beweisen. Oder man könnte auch sagen: Ihnen wird die Entscheidung, an diesem Abend ins Rathaus gekommen zu sein, ordentlich vermiest. Zum einen hat die Stadtverwaltung eine mit wichtigen Themen völlig überfrachtete Tagesordnung zusammengestellt, deren Abhandlung sage und schreibe sechs Stunden dauert. Niemand kann behaupten, am Ende dieser Sitzung noch konzentiert gewesen zu sein. Zudem gefallen sich einige Gemeinderäte auch an diesem Abend außerordnetlich darin, lange Reden zu halten. So wird beispielsweise die Generalsanierung des Rathauses, die im Grundsatz alle gut finden, nochmal von nahezu jeder Fraktion minutenlang kommentiert. Manche Zuhörer warten währenddessen weiter wacker auf den Besucherrängen, andere geben irgendwann auf und gehen heim.
Ein völlig kontraproduktiver Sitzungsverlauf. Die Zuhörer an diesem Abend interessieren sich für die Demokratie vor Ort, für Themen, die ihre Lebenswelt betreffen. Doch statt spannender und effizienter Diskussionen, bekommen sie Fensterreden präsentiert. Wer etwas kritisiert oder widerlegen kann, oder wer einen Vorschlag einzubringen hat, sollte das unbedingt tun. Doch Wiederholungen, Plattitüden und Abschweifungen sind völlig unnötig. Gemeinderäte aller Fraktionen bemängeln immer wieder, dass sich kaum jemand für ihre Arbeit interessiert. Dann sollten sie in Zukunft versuchen, sich angemessen lang zu Wort zu melden. Wie wär's beispielsweise mit einer knackigen Redezeitbegrenzung, die ordentlich überwacht wird?