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Lange Nacht der Demokratie: Claus Kleber warnt in Reutlingen vor massiven Gefahren

Lange Nacht der Demokratie in der Reutlinger VHS mit mehr als 300 Gästen: Fernsehmoderator Claus Kleber warnt vor Bedrohung der Demokratie.

Claus Kleber (rechts) stellte sich den Fragen von Ulrich Bausch.
Claus Kleber (rechts) stellte sich den Fragen von Ulrich Bausch. Foto: STEFFEN SCHANZ
Claus Kleber (rechts) stellte sich den Fragen von Ulrich Bausch.
Foto: STEFFEN SCHANZ

REUTLINGEN. Claus Kleber ist ein Reutlinger. Oder zumindest in Reutlingen geboren, »zehn Tagen nach meiner Geburt war ich aber schon wieder weg«, berichtete der ehemalige Chefmoderator des ZDF-heute-journals am Mittwochabend bei der »Langen Nacht der Demokratie« in der Reutlinger Volkshochschule.

Über Vaduz führte Klebers Weg nach Köln, zum Jura-Studium kam er zurück in die Region. »Wenn ich von den Fildern in Richtung Alb fahre, dann bedeutet der Anblick für mich ein Gefühl von Zuhause«, so Kleber vor mehr als 300 Gästen. Während des Studiums habe er in Tübingen beim SWF-Landesstudio als Freier Mitarbeiter seine journalistischen Fähigkeiten weiter ausgebaut.

Claus Kleber sprach über Gefahren, die der Demokartie drohen.
Claus Kleber sprach über Gefahren, die der Demokartie drohen. Foto: STEFFEN SCHANZ
Claus Kleber sprach über Gefahren, die der Demokartie drohen.
Foto: STEFFEN SCHANZ

Philipp Marquardt zeigte sich an seinem zweiten Arbeitstag als neuer VHS-Geschäftsführer (und damit Nachfolger von Ulrich Bausch) am Mittwochabend überwältigt: »Liebe Freunde der Demokratie, Sie sorgen für ein volles Haus zu einem Thema der politischen Bildung mit mehr als 300 Gästen.« Thema an diesem Abend war der Wandel der Demokratie, dem Kleber in einem Vortrag auf den Grund ging.

Claus Kleber hat die erste Zeitenwende nach dem Kalten Krieg in Washington erlebt, erfuhr 1988 im Radio von Michail Gorbatschows einseitiger Abrüstungsinitiative. Es folgten der Mauerfall und der Gedanke, dass nun goldene Zeiten anstehen würden. Tatsächlich hätten die militärischen Konflikte deutlich abgenommen. Aber in den vergangenen Jahren sei die Demokratie immer mehr in Gefahr geraten.

»Damit wurde die Lüge als Machtmittel der Politik eingeführt«

Die Amtseinführung von Donald Trump am 20. Januar 2017 sei ein wesentlicher Faktor dabei gewesen. »Damit wurde die Lüge als Machtmittel der Politik eingeführt«, so Kleber. »Alternative Fakten« seien der Beginn einer großen Verunsicherung gewesen. Kleber mahnte mit Worten der Politologin und Philosophin Hannah Ahrendt: Sobald es keine freie Presse mehr gebe, führe das zum Ende der Demokratie.

Auch in Europa, so Kleber, werde die Demokratie massiv bedroht – und das nicht »nur« in Ungarn, Holland, Österreich, Italien. In diesen Ländern schreite der Rechtsruck massiv voran. »Ich erkenne eine Gefahrenlage für die Demokratie.« Hinzu komme eine Revolution, die heute jede und jeder mit sich herumträgt: das Smartphone. Theoretisch zumindest seien damit alle Informationen weltweit abrufbar. Aber: »Bei Facebook sagte man zu mir – ‚Algorithmen entscheiden nun, was dich interessiert‘«.

»Die Parlamente, die Medien, Verbände, Vereine, sie alle gehen unter«

Diese Entwicklung sei nicht zurückzudrehen, zwei neue Schichten seien durch das Smartphone entstanden – die Superreichen wie Marc Zuckerberg, dazu aber auch alle Smartphone-Nutzer, die selbst zum »Creator«, zum Schöpfer, werden können. Die Gefahr dabei: »Alles andere dazwischen geht kaputt, die Parlamente, die Medien, Verbände, Vereine, sie alle gehen unter.« Das könne nicht gutgehen.

»Fake News grassieren ohne Ende, und wir sind kaum geschützt dagegen – es ist ein Skandal, dass wir so wenig an die Hand bekommen, um gegen diesen Zauberlehrling anzukommen«, betonte Claus Kleber. Dabei müsse weiter um die Pressefreiheit gekämpft werden. »Allerdings will heute eine Partei den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zerstören.« Dabei gehe es der Partei nicht um die 18 Euro Beitrag – »sie wollen die Kontrolle, Aufsicht und den Widerspruch zerstören«, so Kleber.

Wie es denn kurz vor der Präsidentenwahl um die USA stehe, wollte Ulrich Bausch in einer Talkrunde nach Klebers Vortrag wissen. Claus Kleber sagte: »Ich habe mich schon früh festgelegt, dass Trump nicht wieder gewählt wird.« Natürlich könne noch Unvorhergesehenes passieren, aber er glaube an einem Wahlsieg von Kamala Harris.

»Leuchtturm des guten Journalismus«

»Mein Alptraum ist aber ein knapper Sieg von Harris, ich weiß nicht, was Trump dann machen wird.« Denn: Das »crazy« US-Wahlsystem basiere seit 250 Jahren vor allem auch auf Anstand. Auf den Anstand, dass der oder die Unterlegene die Wahlniederlage anerkenne. Ob Trump das auch tun würde? Denkbar sei zumindest, dass er das Wahlergebnis anzweifeln, womöglich einen Bürgerkrieg anzetteln könnte.

Bausch bezeichnete Claus Kleber abschließend als »Leuchtturm des guten Journalismus«. Der im Übrigen mit seinen 69 Jahren noch immer höchst aktiver Journalist ist: An die Achalm kam er von Marrakesch aus, am nächsten Morgen fliege er dann direkt weiter in die USA. Der Dank von Marquardt, Bausch und des gesamten Publikums galt Claus Kleber, dass er Reutlingen noch dazwischengequetscht hatte. (GEA)