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Aktuell Abschied

Landratsamt Reutlingen: Hans-Jürgen Stede geht in Ruhestand

Nachhaltige Wirkung: Der Erste Landesbeamte Hans-Jürgen Stede hat in 24 Jahren viel bewegt .

Hans-Jürgen Stede bei seiner Verabschiedung
Hans-Jürgen Stede bei seiner Verabschiedung Foto: STEFFEN SCHANZ
Hans-Jürgen Stede bei seiner Verabschiedung
Foto: STEFFEN SCHANZ

KREIS REUTLINGEN. Nachhaltig: Für Hans-Jürgen Stedes Wirken im Landkreis Reutlingen darf das oftmals überstrapazierte Qualitätsetikett mit Fug und Recht verwendet werden – auf wenn der Erste Landesbeamte und Leiter des Nachhaltigkeitsdezernats im Landratsamt die große Bühne in den 24 Jahren seiner Tätigkeit in Reutlingen in der Regel den Landräten zu überlassen hatte: Edgar Wais, Thomas Reumann und zuletzt nun Dr. Ulrich Fiedler.

Nun geht der 63-jährige Dezernent vor der Zeit in Rente. Seit bald zehn Jahren rauben ihm gesundheitliche Probleme Teile seiner Kraft und Widerstandsfähigkeit. Zum GEA-Gespräch erscheint er gewohnt bunt: grüne Brille, blaues Hemd, rote Hose. Farben machen Stede froh. »Ich liebe sie. Das Leben ist oft schwer und grau. Und ich setze gerne Kontrapunkte.«

Beim Pressetermin gibt es »Ebbes Guad's«-Apfelsaft. Der Streuobstwiesensaft war 2003 eines seiner ersten Projekte, das den Menschen erfolgreich das Thema Regionalität schmackhaft gemacht hat. »Ich durfte bei der Entwicklung vieler nachhaltiger Strukturen dabei sein«, sagt der Vordenker bescheiden. Was das für ihn heißt? »Nichts davon ist eingeschlafen. Wir haben keine Strohfeuer gezündet. Davon gibt es schon zu viele.«

»Verwalten ist ein positiver Prozess«

Die Entwicklung des Biosphärengebiets gehört zu Hans-Jürgen Stedes großen Herzensangelegenheiten. Das erste Biosphärenreservat in Baden-Württemberg war eine Idee des ehemaligen Ministerpräsidenten Günther Oettinger mit dem Nukleus Truppenübungsplatz Münsingen.

In der aktuellen Erweiterungsrunde ist das Interesse auch neuer Beitrittskandidaten groß, Flächen einzubringen. Das war nicht immer so, erinnert der gebürtige Metzinger. Mancherorts habe er zunächst auf Granit gebissen. »Eine Genugtuung« ist ihm der Gesinnungswandel in so mancher Gemeinde. Aus 6.700 sind 85.000 Hektar geworden. Mit der anstehenden Erweiterung sind es dann 120.000 Hektar. Aus dem »Reservat« wurde ein Gebiet: »Wir sind schließlich keine Indianer, die Tänze für Touristen aufführen«, grinst Stede.

Die Gründung der Klimaschutzagentur Neckar-Alb – im Jahr 2007 eine der ersten in Baden-Württemberg – ist ein Meilenstein für den Klimaschutz im Kreis. Die Etablierung des Energiemanagementsystems European Energy Awards (seit 2012) setzt ebenfalls das Thema Ressourcenschonung ins Rampenlicht.

Auch für den Expresso kämpfte der gelernte Jurist. Der Schnellbus von Pfullingen zu Flughafen und Messe (Start 2003) rollt längst ruckelfrei. Kaum jemand denkt noch dran, dass das Angebot anfangs aufgrund des zu leistenden Zuschusses im Kreistag sehr umstritten war.

Das Vorantreiben der Regional-Stadtbahn war ein weites Betätigungsfeld. Das Mammutprojekt musste mit dem vorhandenen Personal laut Stede »so nebenher« beackert werden – bis 2018 der Regionalverband die Federführung übernahm. »Die Gründung des Zweckverbands war ein großes Verdienst von Thomas Reumann«, so Stede.

Der Bedeutungsgewinn des öffentlichen Verkehrs im Kreis spiegelt sich in Zahlen wieder: Zwischen 2017 und 2024 habe man im Kreis den jährlichen Nettoressourcenbedarf für den ÖPNV verfünfzehnfacht auf nun 7,2 Millionen Euro, sagt der Dezernent. Er hat zum ÖPNV ein besonderes Verhältnis: Erst im Jahr 2002 hat Hans-Jürgen Stede seinen Führerschein gemacht, um im Rahmen seiner neuen Tätigkeit »besser auf die Alb zu kommen«.

Nachhaltige Entwicklung braucht langen Atem, Augenmaß und Herzblut, sagt Stede. »Da muss man dranbleiben. Ich habe mir 24 Jahre Zeit genommen.« Das Ergebnis mache ihn zufrieden. Seine Erfolgsstrategie? Konzept entwickeln, für die Umsetzung der Ideen breite Bündnisse schmieden, Netzwerke bilden. Hans-Jürgen Stede wird nicht müde, seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter zu loben. »Ich hatte immer tolle Partner und eine glückliche Hand beim Personal.« Toll heißt für ihn auch: Menschen, die brennen können. »Nachhaltigkeit ist ein Herzblutthema.«

»Das Leben ist oft schwer und grau. Deshalb liebe ich Farben«

Liebe allein reicht nicht, es braucht auch Geld. In der Bismarckstraße verstand man es, Mittel zu generieren. So waren Plenum (Land) und Regionen Aktiv (Bund) zentrale Förderprogramme, die Brennstoff lieferten für Handeln. Sie waren die Keimzelle, aus der zuletzt der Verein Biosphärengebiet Schwäbische Alb erwuchs, in dem nun auch der »Biosphärenstadt Reutlingen« zu Blüte verholfen werden soll.

Stede freut sich auf das erste größere Leuchtturmprojekt der Stadt Reutlingen: die geplante Manufakturenhalle als »Schaufenster« des Biosphärengebiets. Sie dauerhaft zu bespielen, sieht er dabei durchaus als Herausforderung.

"Verwalten ist ein positiver Prozess, resümiert der Jurist hinsichtlich seines Wirkens im Amt. Und: "Es war ein Privileg, meine Heimat mitgestalten zu können." Der scheidende Erste Landesbeamte sieht Veränderung: "Es ist regionales Bewusstsein entstanden. Viele sind stolz auf die Region."

Hans-Jürgen Stede mit  »seinen« drei (Ex-)Landräten: Ulrich Fiedler (von links), Edgar Wais und Thomas Reumann.
Hans-Jürgen Stede mit »seinen« drei (Ex-)Landräten: Ulrich Fiedler (von links), Edgar Wais und Thomas Reumann. Foto: STEFFEN SCHANZ
Hans-Jürgen Stede mit »seinen« drei (Ex-)Landräten: Ulrich Fiedler (von links), Edgar Wais und Thomas Reumann.
Foto: STEFFEN SCHANZ

Heimat ist auch ihm »total wichtig«. Dabei sah sein Weg anfangs ganz anders aus: Studiert hat Hans-Jürgen Stede in Tübingen, London und San Francisco. Das Referendariat verschlug ihn nach Berlin. Mit Tätigkeiten im Regierungspräsidium Stuttgart und dem Landesinnenministerium rückte der Metzinger wieder nahe an die Heimat, bevor er 2000 die Position des zweiten Mannes im Kreis übernahm.

Ende August räumt der 63-Jährige seinen Schreibtisch in der Bismarckstraße. Seine Pläne? »Ich möchte schauen, was auf mich zukommt.« Vielleicht wieder einen Hund aufnehmen. Spanisch lernen, von seiner Gattin das Kochen und Backen. Und: Anderen helfen mit Rat und Tat: »Ich würde gern meine Lebenserfahrung fruchtbar machen.« (GEA)