REUTLINGEN-OFERDINGEN. Vom 9. September an gibt es eine neue Musikkneipe im Reutlinger Norden und damit eine neue Bühne in der Musik- und Theaterszene der Stadt: das »Lammba Zamba«, angelehnt an den Namen des Wirtshauses, in dem vor allem junge Bands eine Bühne finden sollen. Den Auftakt im Lamm in Oferdingen macht eine Rockgruppe, die wohl jeder Musikfan in Reutlingen kennt: die Gruppe KO, korrekt »KO rockt«, seit mehr als 45 Jahren laut und stilsicher auf der Piste.
» Der Mittelstand des Rocks bleibt auf der Strecke«
Der Raum für die neuen Träume verströmt den Charme einer Lagerhalle, die in den vergangenen Jahrzehnten mehrmals umgenutzt wurde. Ein wertiger Eichen-Parkett will so gar nicht zu den kahlen Gipswänden passen, die ein Maler unkünstlerisch zum Ausstreichen seiner Pinsel benutzt hat. In Kombination mit buntem Scheinwerferlicht wirkt das schräge Ambiente plötzlich cool, ein Spielplatz für Underground-Künstler aller Art. Die richtige Plattform für subversive Klänge und aufrührerische Theaterperformances, die hier gern gesehen sind. Aber keine Angst, es darf auch melodisch klingen oder klassisch.
»Wir wollen der lokalen Szene wieder eine Bühne bieten, nachdem Corona die Veranstaltungsmöglichkeiten extrem ausgedünnt hat«, sagt KO-Keyboarder und Lammba-Zamba-Sprecher Nils Hemme Hemmen. Denn seit Corona scheint vieles abwärtszugehen: Während große Stadien noch voll sind, fehlen für mittlere und kleine Bands die Chancen zum Auftritt. Im Musikbetrieb – vergleichbar mit dem Wirtschaftsleben – sei der breite Bauch des Mittelstands komplett weggebrochen. Das spüren auch lokale Platzhirsche wie KO. »Den Leuten werden hauptsächlich noch die ganz großen Shows für horrende Eintrittsgelder geboten oder Unplugged-Auftritte mit ein, zwei Musikern in der Ecke einer Kneipe«, sagt Hemmen. Die spielen dann für einen Hungerlohn. Der Mittelstand des Rocks, zu dem sich auch KO zählen darf, bleibt auf der Strecke.

Ihr Konzertsaal, wenn man das so nennen will, ist ein Anbau an die eigentliche Gastwirtschaft, die von Bea Martis betrieben wird. Als Raucherkneipe, wie sie betont. Gegessen wird dort nicht, sondern getrunken. Ihre Stammgäste sind zwischen 18 und 90 Jahre alt – ein Generationenhaus sozusagen. Bea selbst ist hinter der Theke die gute Seele. Sie ist mit KO-Urgestein Armin "Luser" liiert. Was also läge näher, als die Musik an die Kneipe anzulehnen oder umgekehrt. Eine "Win-Win-Situation.
Jenseits des Ganges also der künftige Musiksaal. Er dient KO seit Jahren als Proberaum und nun als Immobilie für die eigene Musikanlage. Sie wollen nämlich sesshaft werden, wollen nur noch selten den Standort wechseln. Das liegt unter anderem an den Rowdys, die nach Corona abgesprungen seien – die Anlage selbst auf und abzubauen und dazwischen auch noch zu musizieren, sei inzwischen zu anstrengend, sagen die Altrocker. Die Anlage bleibt also am Ort und darf künftig gerne von jungen Gruppen mitgenutzt werden. Bühne, Licht, Sound und Bar – alles ist vorhanden. 200 Gäste können im Notfall rein.
»«Für uns ist das unser Wunscheinstieg»«
Die KO-Idee für eine Musikkneipe, in der auch Theater gespielt werden darf, gab es schon einmal, wurde dann aber mit Corona begraben. Auch der Name »Lammba Zamba« tauchte schon einmal auf und erlebt jetzt eine Wiedergeburt. »Lammba Zamba« symbolisiert dabei ein offen gehaltenes Durcheinander mit Spaßfaktor. Ob Salon- oder Saloon-Musik – die kreative Vielfalt soll Programm werden. »Wir wollen uns nicht beschränken auf Rock«, sagt KO-Schlagzeuger Eberhard »Ebe« Ilg. »Wir wollen allen eine Bühne bieten, die nur mit einem gewissen technischen Grundaufwand ihre Shows zeigen können und das momentan nicht können.«
Zusätzlich gebe es ein spezielles, aber noch nicht näher beschriebenes Unterhaltungskonzept, meint Marion Baisch, die Bassistin von KO. Die Besonderheit: eine Doppelmoderation von zwei Interviewern, um die Auftritte der Künstler immer wieder aufzulockern und um Publikum und Akteure zusammenzubringen.
Los geht’s am Samstag, 9. September. Die Hausherren mit Dame am Bass werden zur Begrüßung des Publikums ein Kurzprogramm aus ihrer neuen Show »Rauschgold(b)engel« spielen und dann die Bühne frei machen für »Haage«, die Band rund um den Sänger und Songschreiber Bernhard Haage. »Für uns ist das unser Wunscheinstieg«, sagt KO-Frontmann Luser, der Mann mit Rauschebart und ZZ Top-T-shirt. Er misst dem Unternehmen große Bedeutung zu: »Bernhard und seine Mannen sind Reutlinger Urgesteine in der lokalen Szene genau wie wir. Und damit werden wir an diesem Abend gemeinsam ein Zeichen setzen, dass nicht alles, was totgesagt ist, auch wirklich tot ist.«
»Zeichen setzen, dass nicht alles, was totgesagt ist, auch tot ist«
Bernhard Haage hat ein neues Programm mitgebracht, dessen Titel gut zu dem Unternehmen passt: »Neue Dimension«. Und auch KO gibt eine Kostprobe: Songs, von denen sie an diesem Abend nur eine Handvoll spielen werden, um Haage die Bühne zu überlassen. Kennengelernt hatten sich Haage und die KO-Musikanten bei einem Auftritt in der Undinger Zehntscheuer. Der Funke sprang schnell über. Und so darf der Liedermacher bei den Rock-Krachern den Auftakt machen – eine selten schöne Kombination. (GEA)