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Aktuell Mundartwochen

Lachmuskeltraining mit Musik

Das Naturell der Schwaben, liebevoll unter die Lupe genommen von Dieter Baumann

Highlight bei den Mundartwochen: Kabarettist Dieter Baumann (links), hier mit Mundartwochenmacher Wilhelm König. FOTO: RÖTHEMEYE
Highlight bei den Mundartwochen: Kabarettist Dieter Baumann (links), hier mit Mundartwochenmacher Wilhelm König. FOTO: RÖTHEMEYER
Highlight bei den Mundartwochen: Kabarettist Dieter Baumann (links), hier mit Mundartwochenmacher Wilhelm König. FOTO: RÖTHEMEYER

REUTLINGEN. Dass der kabarettistische Marathon keineswegs zur Durststrecke wird an diesem vorletzten Abend der 43. Reutlinger Mundartwochen, dafür sorgt erfolgreich Dieter Baumann. Der Ex-Langstrecken-Champion und nunmehr populäre Entertainer bringt mit seinem kurzweiligen Programm »Die wo älles können« sein Publikum im Foyer der Volksbank zum Lachen. Wesentlich dazu bei trägt das Posaunenquartett Trombanda, das Baumanns schwäbische Schmankerl mit passgenauen pfiffigen Arrangements perfekt ergänzt und das Publikum zu Szenenapplaus mitreißt. Wilhelm König, dem Gründer und Organisator der Mundartwochen seit 1976, ist damit ein Glücksgriff im diesjährigen facettenreichen Programm gelungen.

»So wie mer putzt, so isch mer au«

Da agiert ein echtes Multitalent auf der Bühne. Agiler Entertainer, Wortakrobat, Sänger, Interpret alles in einem. In Blaubeuren hat Dieter Baumann seine schwäbischen Wurzeln. »Fast a bissle arg hochdeutsch« sei sein Schwäbisch, bekennt der sympathische Publikumsliebling. Connie aus Berlin, eine der wenigen Nicht-Schwaben im Publikum, wird’s ihm danken.

Im ständigen Dialog mit dem Publikum und seinen fantastischen Musikern spürt Multitalent Baumann singend, rezitierend, gestikulierend und schließlich sogar im Laufschritt dem Kern des schwäbischen Wesens nach. »Mythos und Marke«, so der Untertitel.

Da geht es um die Liebe »zum Daimler« und dem Schwaben sein »heilix Blechle«, um seine sprichwörtliche Sparsamkeit (das erste Wort eines schwäbischen Kleinkindes ist nicht Mama, auch nicht Papa, es ist Bausparvertrag) um den Stolz auf Heimat und alles Schwäbische.

Auch die Romantik hat da ihren Platz. Wortkarg, fast »hälinge,« kommt sie daher im Gedicht von Ludwig Uhland »Lauf der Welt« und sorgt für einen Moment der Ruhe. Um gleich darauf in der »Kleinen Ballade« von Sebastian Blau pralle schwäbische Komik zu bringen. Und dann die »feurige« Liebeserklärung eines Schwaben: »Tätscht du mi au liebe, wenn I di liebe tät?«

Aktuelle Themen wie Stuttgart 21, Flüchtlinge, Denis Yüzel, Waffenlieferungen oder der Flughafen( die Posaunisten begleiten hier lautmalerisch mit Fluggeräuschen) sorgen für Nachdenkliches.

Ein Highlight dann: der wort-akrobatische Beitrag zum Dauerbrenner "Kehrwoche." Baumann zündet in atemberaubendem Stakkato ein Feuerwerk von unzähligen Putzbegriffen: "abstaube, uffräume, glänzlich reibe wegputze …". Hier greifen selbst die Posaunisten (Jürgen Jubl, Sebastian Volk, Jürgen Schaal, Christof Schmidt) zum Besen, werden in zünftigen Arbeitskitteln zu Straßenfegern, einer poliert gar liebevoll mit dem Staublappen sein Instrument auf Hochglanz, während ein anderer die Posaune zum Staubsauger umfunktioniert. Denn, »So wie mer putzt, so isch mer au« – punktum! Das Publikum applaudiert begeistert.

Auf der Zielgeraden des Abends wird’s dann richtig sportlich, denn beim bekannten Straßenbahn-Song von Wolle Kriwanek bricht endgültig der Läufer in Baumann durch. Er spurtet scheinbar atemlos über die Bühne, um die imaginäre Straßenbahn noch zu erreichen. Während allerdings der Protagonist im Original-Hit die Bahn um Haaresbreite verpasst, sagt Baumann: »Ich hab noch jede Straßenbahn kriegt.«

Nach einem hörenswerten Potpourri des Quartetts Trombanda das Fazit fürs Publikum: Dies war ein Trainingsabend. Allerdings nicht für die Beinmuskeln, sondern für die Lachmuskeln. (GEA)