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Lärmaktionsplan in Reutlingen gekippt: Eine Provinzposse

Eine konservative Gemeinderatsmehrheit lehnt am Dienstagabend den Lärmaktionsplan ab. Eine Entscheidung ohne jedes Feingefühl und ohne politischen Weitblick, findet GEA-Lokalchefin Kathrin Kammerer.

Mehr Tempo 30-Zonen ? Das lehnt eine konservative Gemeinderatsmehrheit in Reutlingen ab.
Mehr Tempo 30-Zonen ? Das lehnt eine konservative Gemeinderatsmehrheit in Reutlingen ab. Foto: Felix Kästle/dpa/dpa
Mehr Tempo 30-Zonen ? Das lehnt eine konservative Gemeinderatsmehrheit in Reutlingen ab.
Foto: Felix Kästle/dpa/dpa

REUTLINGEN. Der Reutlinger Gemeinderat lehnt den Lärmaktionsplan am Dienstagabend nach einer hitzigen Sitzung mehrheitlich ab. Den Plan, über den zuvor wochen-, monate- und gar jahrelang in diversen Gremien beraten wurde. Der Sitzungssaal im Rathaus wird zum Schauplatz einer Provinzposse - an deren Ende der Otto Normalbürger ratlos zurückbleibt. Die Causa Lärmaktionsplan wird zum Musterbeispiel dafür, wie man Lokalpolitik eben nicht machen sollte.

Nicht zu beneiden in diesem Schauspiel: Verkehrsplaner Gerhard Lude. Er musste die ganze Suppe von Beginn an qua Amt auslöffeln, tourte wacker durch alle Bezirksgemeinden, blickte dort in meist eher unerfreute Gesichter, wurde zum Lärmschutz-Chefdiplomat. Aber was sollte er auch machen - ist ja schließlich ein Landesgesetz, das auf eine EU-Richtlinie zurückgeht. Die Lokalzeitung berichtete von all diesen kontroversen Diskussionen, der Leser wurde informiert, manch' einer findet's gut, manch' einer nicht, aber was soll man machen ... Landesgesetz. Und dann kippt eine konservative Mehrheit im Gemeinderat diesen Plan auf den allerletzten Drücker, lässt die Bombe platzen, nachdem bereits unglaublich viele Stunden Arbeit investiert wurden. Frei nach dem Motto: Wen juckt schon das Landesgesetz?

Den Bezirksgemeinderäten, die sich sowieso oft genug wie der letzte Außenposten ohne Mitspracherecht fühlen, wird von den Gemeinderäten hiermit signalisiert: Dass ihr umsonst gearbeitet habt, ist uns egal. Und dass ihr aus nachvollziehbaren Gründen etwas für euren Ort entschieden habt, auch. Auf Strecken, auf denen sich Tempo 30 schon etabliert hat, durch die Modellstadt-Regelung wieder Tempo 40 einführen zu wollen, ist schlichtweg populistisch. Es wird pauschal unterstellt, dass die Mehrheit der Bürger wieder schneller fahren will. Sollte sich zu alldem auch noch bestätigen, dass die Entscheidung der Konservativen rechtswidrig war, bleiben für den Otto Normalbürger noch mehr offene Fragen und Kopfschütteln: Wie viel politischen Weitblick besitzt diese nicht zu Kompromissen bereite Gemeinderatsmehrheit? Und wer will hier eigentlich wem einen Denkzettel verpassen?