REUTLINGEN. Im GEA hatte Kreishandwerksmeister Steffen Mohl gelesen, dass eine Passantin angesichts der Kriege und des Klimawandels »Optimismus als alternativlos ansieht«. Allerdings fiel es Mohl beim Neujahrsempfang der Kreishandwerkerschaft am Dienstagabend angesichts all der Krisen im Land, im Bund und weltweit nicht leicht, Optimismus auszustrahlen, wie er selbst es formulierte.
Während Joe Vox fast schon traditionell beim Empfang des Handwerks versuchte, mit seinen vorgetragenen Liedern gute Stimmung zu verbreiten, deutete der Kreishandwerksmeister in seiner Rede auf all die Schwierigkeiten. Das Handwerk sei davon bislang zwar noch verschont geblieben, aber: »Die Schwäche anderer Wirtschaftsbereiche wird sich zusehends, sicher auch schon in diesem Jahr, verstärkt auf das Handwerk auswirken.«
»Die gesellschaftliche Transformation kann ohne uns nicht stattfinden«
Bislang blicke das Handwerk jedoch auf "wirtschaftlich erfolgreiche Jahre, ja sogar Jahrzehnte, zurück", sagte Mohl. Und auch in der Zukunft werde das Handwerk gebraucht: »Die gesellschaftliche Transformation kann ohne uns nicht stattfinden«, betonte er.
Ein ganz dickes »Aber« folgte: Baubetriebe seien schon im Krisenmodus, genauso wie weite Teile der Industrie, vor allem der Maschinenbau, die Automobilindustrie und auch die Zulieferer. Allerdings profitiere das Reparaturgeschäft in den Kfz-Betrieben vom zurückgehenden Pkw-Verkauf, so Mohl. Eines sei jedoch sicher: »Die Schwäche in anderen Sektoren wird das Handwerk mit Zeitverzug auch erreichen.«
Für die Zukunft des Handwerks gelte: Die Gewinnung von Fach- und Nachwuchskräften sei entscheidend. Viele erfahrene Fachkräfte der Babyboomer-Jahre würden in den folgenden Jahren in Rente gehen, sagte Steffen Mohl. Das Handwerk werde sich noch ein Jahrzehnt lang mit dem Problem auseinandersetzen müssen. »Das regionale Handwerk ist dabei aber auf einem vergleichsweise guten Weg.« Die Ausbildungszahlen hätten sich stabilisiert, wenn auch auf niederem Niveau. So gelte es auch weiterhin, das Image des Handwerks weiter zu verbessern, der Jugend »die beruflichen Möglichkeiten und Perspektiven im Handwerk aufzuzeigen«.
»Ganz entscheidend ist der Abbau der Bürokratie«
Für die neue Bundesregierung, die am 23. Februar gewählt wird, gelte es, jede Menge Probleme anzugreifen. »Ganz entscheidend ist dabei der Abbau der Bürokratie«, sagte Mohl. »Dabei handelt es sich um eine der wesentlichen Voraussetzungen, um unsere Wirtschaft zukunftsfähig zu machen.« Wichtig sei jedoch auch, dass die Bevölkerung wieder Vertrauen in die Politik und in die Regierung fasse. Alle demokratischen Kräfte müssten sich gemeinsam gegen radikale Strömungen stellen, die mit Polemik die Gesellschaft auseinandertreibe. »Ich appelliere an alle Handwerkskolleginnen und -kollegen, sich nicht von unrealistischen Versprechen und Stammtischpolitik anstecken zu lassen.«
Und wie sei das nun mit dem »alternativlosen Optimismus?«, fragte Steffen Mohl abschließend. »Ohne Optimismus gibt es keine Zuversicht, ohne Zuversicht gibt es keine Zukunft.« Der Kreishandwerksmeister zeigte sich sicher, dass die Wirtschaft die Kraft hat, die aktuellen Probleme zu bewältigen. Anschließend lud Mohl zum »gemeinsamen Austausch bei guten Gesprächen ein« – wahrgenommen hatten dies zahlreiche Personen aus dem Handwerk, aber auch aus der Politik. Die Bundestagskandidaten für die Wahl am 23. Februar aus dem Kreis Reutlingen hatten es sich nicht nehmen lassen, den Wahlkampf auch auf diesem Parkett wahrzunehmen. (GEA)