REUTLINGEN. »Wir erleben derzeit eine intensive Debatte zum Thema Migration«, das sagte Landrat Dr. Ulrich Fiedler zur Eröffnung des Pressegesprächs, in dem es eigentlich um die Einführung der Bezahlkarte für Flüchtlinge gehen sollte. Doch zunächst äußerte sich der Landrat zur aktuellen politischen Debatte, die er als notwendig ansieht. »Es ist gut, dass wir uns damit beschäftigen«, so Fiedler. »Wir benötigen Migration,« führte er aus, keineswegs wolle er die Notwendigkeit von Zuwanderung in Frage stellen. Allerdings wünsche sich ein großer Teil der Menschen in unserem Land eine andere Migrationspolitik, so Fiedlers Einschätzung, »das darf die Politik nicht ignorieren«. Hier müsse die Regierung nachsteuern. Der Landkreis tue sein möglichstes, vor allem wenn es um die Integration gehe, aber die Möglichkeiten zu agieren, seien begrenzt.
600 ausreisepflichtige Menschen im Landkreis
Es gehe um Menschen, die sich illegal in Deutschland aufhalten und um Ängste der Bürger, die sich um ihre Sicherheit sorgen. So einen Fall wie den tödlichen Messerangriff in Aschaffenburg könne man auch für Reutlingen nicht zwingend ausschließen, sagt Fiedler. Etwa eine viertel Million ausreisepflichtiger Menschen leben in Deutschland, im Landkreis Reutlingen sind es aktuell rund 600.
Der häufigste Grund für die Ausreisepflicht ist, dass der Asylantrag abgelehnt wurde, erklärt Ordnungsdezernent Philipp Hirrle. Gibt es keine Schutzgründe, werden die Betroffenen zunächst aufgefordert, das Land zu verlassen. Erfolgt dies nicht freiwillig, komme es zur Zwangsmaßnahme der Abschiebung. Allerdings gebe es ein Vollzugsdefizit, der Staat kriege es in vielen Fällen nicht hin, sie außer Landes zu weisen. Oft fehlen die Pässe, ohne die die Herkunftsländer sie nicht aufnehmen.
»Das, was wir machen können, das machen wir«, betont Hirrle - von der Hilfe beim Beschaffen der Papiere bis zum Kürzen der Leistungen, aber oft bleibe der Erfolg dennoch aus. Hier sollte der Staat die Regeln mitbestimmen, so Fiedler, freilich im europäischen Kontext, aber doch so, dass eine Abschiebung erleichtert wird. Etwa durch Abkommen mit den Herkunftsstaaten.
Bezahlkarte kommt ab Ende Februar
Ein Instrument, das bereits früher greift, könnte die Bezahlkarte werden, die den illegalen Zuzug nach Deutschland verringern soll. Landrat Fiedler ist zuversichtlich, dass Effekte eintreten werden. Denn auf diese Karte werden die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gebucht, für eine alleinstehende Person sind dies momentan 460 Euro im Monat. Mit der Karte verbunden ist ein Girokonto, dessen IBAN-Nummer der Asylbewerber jedoch nicht kennt - sie ist nur dem zuständigen Amt, also der Asylbewerberleistungsstelle, bekannt. Die Karte funktioniert wie eine Visa-Card, mit der man direkt im Laden bezahlen kann. Überweisungen sind nicht möglich und das Abheben von Bargeld wird der Landkreis auf 50 Euro im Monat begrenzen.
»Dadurch sind keine umfangreichen Zahlungen mehr möglich«, erläutert Fiedler. Damit können Asylbewerber künftig weder Geld in ihre Heimat transferieren noch Gelder an Schlepper überweisen. Diese werden nämlich oft erst im Nachhinein bezahlt. Das Kalkül der Bundesregierung ist klar: Asylbewerber können die Leistungen dann nur noch für das verwenden, für was sie gedacht sind - für das Leben hier.
Verwaltungsaufwand ist zunächst groß
Der Verwaltungsaufwand ist, zumindest am Anfang, erheblich, sagt Philipp Hirrle. Mitarbeiter der Kasse sind damit beschäftigt, denn es muss geprüft werden, ob die Bezahlkarte funktioniert, zudem brauche es Sozialarbeiter, die den Flüchtlingen das Prozedere erklären.
In größeren Kommunen wird das Zahlen mit der Karte sicherlich kein Problem darstellen, aber in kleineren Orten könnte es mitunter schwierig werden. »Wir müssen schauen, wie die Nahversorgung vor Ort ist«, sagt Hirrle. Sollte der Einkauf für den täglichen Bedarf nur mit einem großen Aufwand möglich sein, muss man überlegen, wie man am Besten damit umgeht. Und weil Überweisungen mit der Karte nicht getätigt werden können, muss dies ebenfalls von einem Mitarbeiter vom Amt vorgenommen werden, etwa für Fahrkarten, Handyverträge oder Rundfunkgebühren.
Allerdings werde der Aufwand geringer, wenn sich erst einmal alles eingespielt hat. Geplant ist eine Liste mit Empfängern, die die Behörden freigegeben haben. Zudem nehme der Verwaltungsaufwand ab, weil das Geld nur noch auf die Karte gebucht und nicht mehr ausgezahlt werden muss.
Ab Ende dieses Monats wird die Bezahlkarte im Landkreis eingeführt - Start ist in der Unterkunft in Riederich. Bis zum Sommer soll sie dann flächendeckend im Landkreis verteilt sein. Flüchtlinge, die aus den Landeserstaufnahmeeinrichtungen (LEA) in den Kreis kommen, wurden dort bereits mit einer Karte ausgestattet. Hirrle rechnet mit rund 1.500 Karten, die das Landratsamt an Flüchtlinge im Kreis ausgeben wird.
Der Landrat begrüßt die Bezahlkarte, »ich glaube, dass man die Zielsetzung, die dahinter steht, nachvollziehen kann und es ist nicht unanständig, solche Ziele zu verfolgen«. Auch wenn er damit rechnet, dass es Proteste geben wird. (GEA)