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»Klein, fein und fast geheim«: Einsichten und Überraschungen beim GEA-Kulturabend

Bei der Premiere von »Kultur – klein, fein und fast geheim« im Oertel+Spörer-Saal trifft Comedy auf Jazz.

Der aus Pliezhausen stammende Pianist Sascha Kommer unterhielt die Zuhörerinnen und Zuhörer im Oertel+Spörer-Saal mit Swing, Rag
Der aus Pliezhausen stammende Pianist Sascha Kommer unterhielt die Zuhörerinnen und Zuhörer im Oertel+Spörer-Saal mit Swing, Ragtime und Boogie-Woogie. Foto: Markus Niethammer
Der aus Pliezhausen stammende Pianist Sascha Kommer unterhielt die Zuhörerinnen und Zuhörer im Oertel+Spörer-Saal mit Swing, Ragtime und Boogie-Woogie.
Foto: Markus Niethammer

REUTLINGEN. Große Solidarität mit den von der Corona-Pandemie besonders hart getroffenen Bühnenkünstlerinnen und Bühnenkünstlern hatten Leserinnen und Leser dieser Zeitung im vergangenen Herbst gezeigt. Bei einer vom Reutlinger General-Anzeiger initiierten Spendenaktion kamen in 16 Tagen stolze 91.000 Euro zusammen, die an insgesamt 24 Künstlerinnen und Künstler der Region ausgeschüttet wurden.

»Unsere GEA-Novemberhilfe wurde bereits im Dezember ausbezahlt«, sagte Iris Goldack vom GEA-Marketing am Donnerstag im Oertel+Spörer-Saal, wo am Abend das neue Veranstaltungsformat »Kultur – klein, fein und fast geheim« von GEA und dem Förderer und Kooperationspartner Reutlinger Kreissparkasse Premiere feierte. Die Reihe mit weiteren, bereits ausverkauften Veranstaltungen (es gibt eine Warteliste) wird am 7. Oktober mit Magie von »JungeJunge!« alias Wolfram und Gernot Bohnenberger und am 21. Oktober mit dem Musiker Heiner Kondschak sowie jeweils einem Überraschungs-Act fortgesetzt.

Was aber bot nun die Premiere? Zunächst einmal ein gleichermaßen entspanntes wie gespanntes – ja, das geht – Publikum, das auch an diesem Abend zu Beginn noch nicht wusste, wer vor dem angekündigten Pianisten Sascha Kommer, der im Vorverkauf großes Interesse geweckt hatte, auf der Bühne stehen würde. Die Bühne war in diesem Fall eine zentral platzierte Spielfläche mit Konzertflügel, um die herum die Zuschauerinnen und Zuschauer an Tischen saßen. An Tischen nicht etwa, um die Arme abstützen zu können, sondern um daran eine 14-teilige Folge von Speisen zu genießen, die Uwe Försters »Culinarium« vor und zwischen den Auftritten servierte. Vom Alblinsensalat mit geräuchertem Saiblings-Filet über Perlhuhn-Curry mit Wasabi bis zum Zwetschgen-Topfenknödel mit Vanillezabaione reichte das und war im Ticketpreis inbegriffen. Es gab den Abend über viel Lob dafür.

Uwe Förster und sein »Culinarium« hatten die Speisen zubereitet.  FOTO: BRÄUNINGER
Uwe Förster und sein »Culinarium« hatten die Speisen zubereitet. FOTO: BRÄUNINGER
Uwe Förster und sein »Culinarium« hatten die Speisen zubereitet. FOTO: BRÄUNINGER

Vage als wahres Original schwäbischer Bühnenkunst war der geheim gehaltene Künstler beziehungsweise die Künstlerin für den ersten Teil des Abends angekündigt. Als dann Dietlinde Ellsässer im Saal erschien, war schnell ein guter Draht zum Publikum zu spüren. »Ledig in Schwaben« war an diesem Abend ihr Thema. Ellsässers Solo dazu heißt im Untertitel »Romantisch. Weiblich. Keck«, und das war nicht zu viel versprochen. Der knitze Charme, mit dem sie in völliger Verschmelzung mit ihrer Bühnenfigur die Menschen im Publikum an den Vorzügen ihres Singledaseins teilhaben ließ, war mal naspinselnd, mal nonchalant. Und immer schwang eine Wertschätzung für das Leben, für das Freie und Ungezwungene mit.

Talent entdeckt

»Ich bin der Geheim-Act«, hatte die Komödiantin im Blumenkleid anfangs stolz erklärt. Und hinzugefügt, dass sie in Vorbereitung ihres Auftritts »ewig lang im GEA-Gemäuer rumgehangen« habe und dabei »ganz lommelich« geworden sei.

Den Frauen im Saal gab sie mit einem gewissen Sendungsbewusstsein zu verstehen, dass ein Mann viel Nähe braucht. »Damit er gedeiht.« Für die Männer hatte sie Tipps fürs Haarstyling parat (Melkfett rein), damit sie den Frauen gefallen. Diese wollten, wenn die Männer sich denn einmal dazu entschlössen, in ganzen Sätzen mit ihnen zu kommunizieren, keinen »Kruscht« hören, sondern auch mal etwas Einfühlsames oder Poetisches.

Dietlinde Ellsässer brachte den 12-jährigen Simon Haag dazu, etwas vorzuspielen.
Dietlinde Ellsässer brachte den 12-jährigen Simon Haag dazu, etwas vorzuspielen. Foto: Markus Niethammer
Dietlinde Ellsässer brachte den 12-jährigen Simon Haag dazu, etwas vorzuspielen.
Foto: Markus Niethammer

Kaum hatte Dietlinde Ellsässer den Fotografen entdeckt, übte sie, sich in Pose zu werfen und dabei sich rekelnd auch den Konzertflügel mit einzubeziehen. In ihrer die Menschen forsch in den Blick nehmenden Art machte sie auch ein junges Talent im Publikum aus, das sie ermutigte, auf dem Flügel zu spielen. Simon Haag, 12 Jahre alt und erst seit drei Jahren Klavierspieler, ließ sich nicht lange bitten und entzückte mit seinem Spiel den ganzen Saal. Später dann, als Sascha Kommer am Flügel Platz genommen hatte, bat dieser den Pfullinger Simon Haag spontan an seine Seite. Gemeinsam spielten sie den Jazz-Klassiker von Dave Brubeck »Take Five«. Simon Haag übernahm dabei den Hauptpart, Sascha Kommer die improvisierten Verzierungen. Das Publikum spendete begeisterten Applaus. Nichts davon, so war zu erfahren, war abgesprochen.

Mit Spontaneität geglänzt

Kommer, der aus Pliezhausen stammt, glänzte auch sonst mit Spontaneität. Mehrfach ließ er das Publikum Songtitel in den Raum werfen und formte daraus Medleys. Teils aus so unterschiedlichen Liedern wie »Mister Sandman« und »Mein kleiner grüner Kaktus«. Auffallend war ein Hang des Tastenkünstlers und Sängers zu melancholischen Liedern, die die von ihm mit viel Herzblut wiederbelebte goldene Ära von Swing, Ragtime und Boogie-Woogie eben auch in großer Fülle bereithält. So geriet der zweite Teil des Abends, der geprägt war von turbulenten Virtuosenstücken, die die Verfolgungsjagd in einem Harold-Lloyd-Film wunderbar hätten untermalen können, im besten Sinne auch zu einer »Sentimental Journey«, einer gefühlvollen Reise. (GEA)