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Aktuell Reinigung

Klärwerk West: Willkommen in der Ursuppe

REUTLINGEN-BETZINGEN. Braun-weißlicher Schaum, der ewig-gemächlich vor sich hin blubbert. So könnte man sich die Ursuppe vorstellen. Was da im Klärwerk West im sogenannten Reaktor wabert, sind Mikroorganismen, die im Verbund mit zugeführtem Sauerstoff helfen, den Nitratgehalt des Prozesswassers zu senken: sprich des Wassers, das bei der Entwässerung des Klärschlamms anfällt.

Ob die winzigen Mitarbeiter im Reaktor richtig schaffen, können Anton Schmuker (rechts) und Dietmar Männicke im Schaltraum anhan
Ob die winzigen Mitarbeiter im Reaktor richtig schaffen, können Anton Schmuker (rechts) und Dietmar Männicke im Schaltraum anhand zahlreicher Messinstrumente überwachen. Foto: Markus Niethammer
Ob die winzigen Mitarbeiter im Reaktor richtig schaffen, können Anton Schmuker (rechts) und Dietmar Männicke im Schaltraum anhand zahlreicher Messinstrumente überwachen.
Foto: Markus Niethammer
Anton Schmuker, Abteilungsleiter bei der Stadtentwässerung Reutlingen (SER), und sein Mitarbeiter Dietmar Männicke, sind zufrieden mit ihren mikroskopisch kleinen Helfern. 2,5 Millionen Euro wurden investiert, nachdem die Kläranlage zuvor den Stickstoff-Grenzwert – für eine Anlage dieser Größe sind maximal 13 Milligramm pro Liter zulässig – nicht eingehalten hatte.

Seit anderthalb Jahren ist die Prozesswasserbehandlungsanlage nun in Betrieb und funktioniert nach Angaben ihrer Hüter zuverlässig. Der Stickstoffgehalt im Prozesswasser werde nahezu ständig zu hundert Prozent abgebaut. Die Stickstoffablaufwerte des Werkes insgesamt konnten so mit 9 bis 10 mg/l auf Werte im zulässigen Bereich herabgesetzt werden. »Wir sind sehr zufrieden«, so Schmuker.

»Bei uns kommt alles an«
Bei der Reinigung des Abwassers ist weiter alles im Fluss. Eine neue Herausforderung für die Wasseraufbereiter sind die Medikamentenreste und sonstige chemische Rückstände etwa aus Putzmitteln. Das Thema rückt beispielsweise aufgrund der zunehmenden Antibiotika-Resistenzen ins Bewusstsein.

Dagegen wird zumindest in Reutlingen noch nichts unternommen. »Es gibt noch keine Auflage, diese Substanzen herauszufiltern«, sagt Schmuker. Die Verfahren seien bereits entwickelt, Aktivkohlefilter oder Ozonbehandlung beispielsweise. Sie werden in anderen Klärwerken schon eingesetzt, besonders in Trinkwassergebieten.

Doch die Technik ist teuer. Auf zehn bis fünfzehn Millionen Euro schätzt Schmuker die Nachrüstungskosten für Reutlingen. Aus Sicht der Abwasserbehandler würde sich die Investition lohnen. Beide rechnen auch damit, dass diese Auflage kommen wird.

Derweil produziert der Durchschnitts-Reutlinger 120 Liter Abwasser pro Tag. Tendenz fallend. Vor 25 Jahren waren es 40 bis 60 Liter mehr. Fäkalien, Abwasser aller Art von Privaten und Unternehmen, Grobes, Flüssiges und Fundstücke vom Personalausweis bis zum Gebiss: »Bei uns kommt alles an«, flachst Männicke.

Das Ergebnis der Betzinger Reinigungsbemühungen fließt zuletzt in die Echaz. Das Gebiss wandert – gereinigt und desinfiziert – aufs Fundbüro. (GEA)

Klärwerk West

Im Klärwerk West der Stadtentwässerung Reutlingen (SER) werden die Abwässer der Reutlinger Innenstadt, aus Ohmenhausen, Betzingen und teilweise Sondelfingen gereinigt. Die ersten Anlagenteile wurde 1950 gebaut, seitdem wurde das Werk sukzessive erweitert. Bei trockenem Wetter können im städtischen Eigenbetrieb 400 bis 600 Liter Abwasser pro Sekunde gereinigt werden. (GEA)