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»Kein Widerspruch«: Reutlinger Arzt ist Allgemeinmediziner und Homöopath

Aus Interesse absolvierte der Reutlinger Arzt Peter Mackes eine Weiterbildung. »Wir können mit der Homöopathie Fälle behandeln, die schulmedizinisch etwas durchs Raster fallen«, sagt er.

Dr. Peter Mackes mit homöopathischen Notfallmedikamenten in seiner Reutlinger Praxis.   FOTO: GISEL
Dr. Peter Mackes mit homöopathischen Notfallmedikamenten in seiner Reutlinger Praxis. FOTO: GISEL
Dr. Peter Mackes mit homöopathischen Notfallmedikamenten in seiner Reutlinger Praxis. FOTO: GISEL

REUTLINGEN. Ausgerechnet während seiner Bundeswehrzeit kam Peter Mackes das erste Mal in Kontakt mit der Homöopathie. Der junge Mediziner absolvierte seine Facharztausbildung am Bundeswehrkrankenhaus in Leipzig, als ihm ein Patient mit höchst seltsamen Symptomen vorgestellt wurde. Er habe das Gefühl, als würde heißes Wasser aus der Brust in den Bauch strömen, schildert Mackes die Klage des Soldaten. »Ich war völlig überfordert«, erinnert sich der Reutlinger.

Der Soldat wurde im Bundeswehrkrankenhaus durchgecheckt, der Assistenzarzt rätselte weiter. Bis er bei einem Homöopathie-Schnupperkurs ein Aha-Erlebnis hatte. »Dort wurde genau so ein Fall geschildert«, erinnert sich Mackes. »Das Mittel zu diesem eigentümlichen und besonderen Symptom ist Sanguinaria, auf Deutsch Blutwurz«, sagt Mackes und fügt hinzu: »Den Schulmediziner wird dieses Symptom wohl ratlos zurücklassen.« Mackes jedenfalls wurde damals neugierig und entschloss sich, eine Weiterbildung zum Homöopathen in Angriff zu nehmen.

Heute hat der Arzt eine Praxis am Reutlinger Albtorplatz, in der neben klassischer Schulmedizin auch Homöopathie praktiziert wird. Die Debatten, die gerade um die Streichung der Homöopathie aus der Weiterbildungsordnung für Ärzte und um das geplante Aus für Homöopathie als Satzungsleistung der gesetzlichen Krankenkassen geführt werden, kann er nicht ganz verstehen. »Der Widerspruch zwischen Schulmedizin und Homöopathie wird immer wieder konstruiert«, sagt Mackes. »Ich erlebe ihn nicht.«

»Mit Homöopathie Fälle behandeln, die schulmedizinisch durchs Raster fallen«

Er hält den Gegenwind für die Homöopathie eher für eine momentane Strömung. »Schulmedizin ist eine große Errungenschaft der Menschheit, die Leben rettet«, sagt Mackes. Aber er sagt auch: »Wir können mit der Homöopathie Fälle behandeln, die schulmedizinisch etwas durchs Raster fallen.«

In den Argumentationen pro und kontra Homöopathie prallen Welten aufeinander, es geht nicht nur um Methoden des Erkenntnisgewinns, sondern auch um das ganze Menschenbild.

Zu Gesundheitsminister Karl Lauterbach, der der Homöopathie fehlende Wissenschaftlichkeit vorwirft, sagt Mackes: »Zur Homöopathie wird viel geforscht, aber es ist halt nicht die Forschung, die der Gesundheitsminister für relevant hält.« »Das kann ja nicht wirken, da ist doch nix drin«: Den Vorwurf gegen die homöopathischen Arzneien lässt er nicht gelten. »Das setzt immer einen pharmakologischen Wirkmechanismus voraus. Aber offensichtlich ist kein pharmakologischer Wirkmechanismus da«, sagt der Homöopath. Der Umkehrschluss, das Verfahren sei unwissenschaftlich, entbehrt für ihn aber »jeglicher Logik«.

Setzt sich die Landesärztekammer durch und die Weiterbildung zum Homöopathen wird gestrichen, hat das aus seiner Sicht zwar zunächst wenig Auswirkungen – aber wenn, dann keine guten. Bereits praktizierende Ärzte dürfen ihre Zusatzbezeichnung auf Praxisschild und Visitenkarte zwar behalten. »Bei den Neuen fällt aber quasi das Qualitätssiegel weg«, sagt Mackes. »Alle Zusatzbezeichnungen dienen aber der Orientierung der Patienten in einem unübersichtlicher werdenden Markt«, so der Mediziner. Die standardisierte Zusatzausbildung, die derzeit über Seminare und Supervision vermittelt werde, vermittle eben auch zusätzliche Kenntnisse. Er befürchtet, dass sich Patienten dann von Ärzten ab- und Heilpraktikern zuwenden. Auch solchen, deren Qualifikation sich nicht so ohne Weiteres überprüfen lässt.

»Den Krankenkassen sparen wir durch fundierte ärztliche Homöopathie einen Haufen Geld«

Auch zum großen Befreiungsschlag für die Krankenkassen taugt der Vorstoß aus seiner Sicht nicht. Homöopathische Medikamente – wie sie von einzelnen Krankenkassen bezahlt werden – seien grundsätzlich eher günstig. »Ich glaube, dass wir den Krankenkassen durch eine fundierte ärztliche Homöopathie einen Haufen Geld sparen«, sagt Mackes. »Wir liegen mit dem Verordnungsrahmen Medikamente unter dem Durchschnitt der Fachgruppen«, hat der Mediziner beobachtet.

Würden die Krankenkassen gezwungen, die Satzungsleistung Homöopathie zu streichen, beträfe das weniger die Arzneimittel als die ärztliche Behandlung. Derzeit honorieren diese Kassen den Zeitaufwand des Arztes. Ein Anamnesegespräch beim Homöopathen kann durchaus eine Stunde dauern. »Das müssten die Patienten dann aus eigener Tasche bezahlen«, befürchtet Mackes.

Was aber macht im Alltag den Unterschied aus? Belladonna beispielsweise, der Wirkstoff aus der Tollkirsche. Das homöopathische Standardmittel gegen Hals- oder Kopfschmerzen »könnte Verordnungen von Antibiotika überflüssig machen«, sagt Mackes. So gebe es in der homöopathischen Medizin zwölf Mittel, die bei Halsschmerzen angewendet werden, denn »Halsschmerzen sind nicht gleich Halsschmerzen«. Ob aber nun Globuli ausreichen oder Antibiotika zum Einsatz kommen müssen, entscheidet der Arzt: »Ich bin sicher, dass die ärztlichen Kollegen, die die Zusatzbezeichnung Homöopathie führen, so gut ausgebildet sind, dass sie verantwortungsbewusst entscheiden können, ob im konkreten Fall homöopathische Behandlung infrage kommt oder eben nicht«, sagt Mackes. (GEA)