REUTLINGEN. Der Fußgängersteg am Oskar-Kalbfell-Platz war über Jahre hinweg eines der wohl am leidenschaftlichsten diskutierten Themen in Reutlingen. Im Mai 2020 hatte der Gemeinderat mehrheitlich beschlossen, die Planungen für einen teuren Stegneubau zu beenden.
Auch Abriss-Skeptiker sorgten letztlich für eine Mehrheit: allerdings unter der Maßgabe, dass die Fußgänger für die Brücke eine Alternative bekommen. »Anstelle des Stegs ist eine dauerhafte ebenerdige Querung zu realisieren«, heißt es im Gemeinderatsbeschluss. »Attraktiv für Fußgänger, Radfahrer und Mobilitätseingeschränkte« soll er werden, »breit, großzügig und sicher« und eine optische Abhebung vom übrigen Kfz-genutzten Straßenraum bekommen, »zur Betonung des Platzcharakters«.
»An uns sind bisher keine Klagen von Fußgängern herangetragen worden«
Seitdem ist es ruhig ums Thema geworden. Und die Fußgänger müssen weiter auf die versprochene Querung warten: Auch im aktuellen Haushaltsentwurf 2024/25 ist kein Geld für die Realisierung des Übergangs über die Konrad-Adenauer-Straße vorgesehen (500.000 Euro sind laut bisherigen Planungen angesetzt). »Große Querungen sind nicht umsetzbar, wir backen kleine Brötchen«, sagte Baubürgermeisterin Angela Weiskopf.
Wird das Projekt stillschweigend fallen gelassen? Für diese Lösung gibt es im Rat durchaus Befürworter, das wurde im jüngsten Bauausschuss deutlich. Im Zusammenhang mit einer erneuten Diskussion um eine Linksabbiegespur für Autofahrer in die Stadthallentiefgarage lenkte FDP-Stadträtin Regine Vohrer einen kurzen Themenschwenk ein: »Den Fußgängerüberweg braucht es nicht«, befand sie. Schließlich gebe es »50 Meter weiter bei der GWG« schon ein Angebot für die Fußgänger.
FWV-Rat Erich Fritz tutete ins gleiche Horn. »An uns sind bisher keine Klagen von Fußgängern herangetragen worden«, berichtete er.
Das erboste SPD-Rat Ramazan Selcuk: Dem Autofahrer wolle man keine Kehrtwende zumuten, aber die Fußgänger müssten »Riesenumwege« hinnehmen. Dabei seien Fußwege ganz wichtig – gerade auch in einer immer älter werdenden Gesellschaft. Auch Gabriele Janz, die Vorsitzende der Grünen und Unabhängigen, mahnte, das Thema Überweg »zu priorisieren«.
»Den Fußgängerüberweg braucht es nicht«
Die Haupt-Redeenergie verwendeten Rätinnen und Räte jedoch auf die Linksabbiegerspur, die von Tübingen/Metzingen kommenden Autofahrern den U-Turn weiter vorn auf der Lederstraße ersparen würde. Auch dieses Thema ist längst diskutiert. Eine knappe Mehrheit des Rats hat sich dagegen ausgesprochen. Auch weil für das Einrichten einer solchen Spur vier prächtige Bäume fallen müssten.
Die WiR-Fraktion brachte das Thema jedoch erneut aufs Tapet. Sie möchte die Bäume retten, indem sie auf eine Extraspur verzichtet und stattdessen mit Wechselverkehrszeichen arbeitet, die Autofahrer auf der bestehenden linken Geradeausspur ins Parkhaus lenkt – und zwar nur bei erheblichem Bedarf. »Den Linksabbieger brauchen wir 20 Mal im Jahr für Großveranstaltungen«, argumentierte der WiR-Fraktionsvorsitzende Professor Dr. Jürgen Straub.
Die Verwaltung beschied diese Idee mit Verweis auf verkehrsrechtliche Vorgaben jedoch abschlägig. Unter anderem sprechen mehrspuriger Gegenverkehr und der gegenläufige Radweg bei der Stadthalle gegen diese Lösung.
Die CDU-Fraktion hatte die Abbiegespur-Idee einst eingebracht, um Verkehrsteilnehmer »nicht zu strapazieren und den Verkehr nicht unnötig gen Umweltstation zu leiten«, erinnerte CDU-Rat Udo Weinmann, den die »vielen den Autofahrern nicht Wohlgesonnene« im Rat frösteln lassen. Auch Erich Fritz warb noch mal für die Extra-Abbiegespur. Anders als bei den Per-Pedes-Mobilen bekümmern den FWV-Rat Umwege für mobilisierte Verkehrsteilnehmer. Ein »Gewinn« sei es, wenn die Autofahrer »keine Haken schlagen müssen«. (GEA)