REUTLINGEN. Wer darf wählen und wie lange sind die Gewählten im Amt?
Wahlberechtigt sind alle katholischen Kirchenmitglieder ab 16 Jahren, die drei Monate oder länger in der jeweiligen Kirchengemeinde wohnen. 45.435 Wähler sind im Dekanat aufgerufen, bei den Kirchengemeinderatswahlen ihre Stimme abzugeben, hinzu kommen 6.627 Abstimmungsberechtigte für die Pastoralräte in den muttersprachlichen Gemeinden der Kroaten, Italiener und Vietnamesen. In der gesamten Diözese gibt es rund 1,58 Millionen Wahlberechtigte. Die Gewählten bleiben fünf Jahre im Amt, das rein ehrenamtlich geführt wird. Erstmals finden die Wahlen der Kirchengemeinderäte und der Pastoralräte für alle Gemeinden als Briefwahl statt. Dennoch können die Wahlberechtigten ihre Stimme am Sonntag auch persönlich abgeben. In jeder Kirchengemeinde und in jeder Gemeinde für Katholiken anderer Muttersprache gibt es ein Wahllokal, das an diesem Tag geöffnet ist.
Wie sieht es diesmal mit der Bewerberlage aus?
280 Kandidatinnen und Kandidaten bewerben sich für 268 Sitze. Dekanatsreferent Clemens Dietz betont, durch den allgemeinen Mitgliederschwund in der katholischen Kirche sei die Bereitschaft, sich für ein solches Ehrenamt in der Kirche zur Verfügung zu stellen, natürlich auch geringer. Dennoch gebe es immer wieder herausragende Beispiele, wie an der Kirchengemeinde St. Lukas in Reutlingen, wo 31 Kandidatinnen und Kandidaten für die 21 zu vergebenden Sitze auf der Wahlliste stehen. Und er weist darauf hin: »Etwa die Hälfte der Gewählten im Dekanat wird neu im Amt sein.«
Das sogenannte »Rottenburger Modell« der Diözese ist einmalig. Was hat es damit auf sich?
Das »Rottenburger Modell« ist auf die Mitbestimmung und Eigenverantwortung der rund 1.000 Kirchengemeinden innerhalb der Diözese und der 100 Gemeinden für Katholiken anderer Muttersprache fokussiert. Und zwar nicht nur verwaltungstechnisch, sondern auch pastoral. Der Pfarrer ist zwar Leiter der Gemeinde, gestaltet und führt die Gemeinde aber in enger Zusammenarbeit mit den gewählten Kirchengemeinderäten. Das »Rottenburger Modell« wurde nach Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils 1968 vom damaligen Rottenburger Bischof Carl Joseph Leiprecht eingeführt. Sein Ziel war es, den Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils auch in seine Diözese zu tragen. Seither leiten Priester und Laien gemeinsam die Kirchengemeinden. Ein seit Jahrzehnten herausragendes und einmaliges Beispiel der Teilhabe innerhalb der katholischen Kirche.
Was dürfen Kirchengemeinderäte entscheiden und was hat es mit den Pastoralräten auf sich?
Die Kirchengemeinderäte leiten zusammen mit dem Pfarrer die jeweilige Kirchengemeinde. Das Gremium fasst die Beschlüsse und ist für deren Umsetzung verantwortlich. Grundsätzlich bestimmen die Kirchengemeinderäte in allen Sachfragen, Haushaltsfragen und Pastoralfragen in Kooperation mit dem Pfarrer. Der Kirchengemeinderat ist laut Diözese zudem die ortskirchliche Kirchensteuervertretung und verantwortet den Haushalt und die Verwendung der finanziellen Mittel vor Ort. Die Gemeinderäte bestimmen aber auch über die Gottesdienstordnungen und Katechesen und erarbeiten pastorale Ziele für die gesamte Kirchengemeinde. Konkret bedeutet dies, dass der Kirchengemeinderat im Wesentlichen bestimmt, welchen Weg eine Gemeinde nehmen soll.
Die Katholikinnen und Katholiken mit ausländischer Staatsangehörigkeit sind neben der Kirchengemeinde auch Mitglieder in Gemeinden für Katholiken anderer Muttersprache. Am Tag der Kirchengemeinderatswahl werden in diesen Gemeinden die Pastoralräte gewählt. Im Dekanat gibt es jeweils zwei italienische und kroatische muttersprachliche Gemeinden in Reutlingen und Metzingen sowie eine vietnamesische Gemeinde in Reutlingen. Ein Pastoralrat leitet gemeinsam mit dem Pfarrer die jeweilige Gemeinde für Katholiken anderer Muttersprache.
Die Diözese hat mit einer großen Kampagne die Werbetrommel für die Beteiligung an den Wahlen gerührt. Wie sah es in der Vergangenheit mit der Wahlbeteiligung aus?
Unter dem Motto »Komm entscheide mit!« hat die Diözese Rottenburg-Stuttgart für diese anstehende Wahl intensiv geworben. Dabei ging es zunächst um eine möglichst große Bereitschaft unter den Gemeindemitgliedern, sich als Kirchengemeinderatsbewerber aufstellen zu lassen. Nun hofft man bei der Diözese und auch im Dekanat Reutlingen-Zwiefalten auf eine starke Wahlbeteiligung. Die liegt bei Kirchengemeinderatswahlen erfahrungsgemäß eher im unteren Bereich, diesbezüglich unterscheiden sich evangelische und katholische Kirche nicht. Laut Clemens Dietz lag die Wahlbeteiligung vor fünf Jahren in den einzelnen Kirchengemeinden des Dekanats zwischen 15 und 20 Prozent. Der Dekanatsreferent hofft nun, dass sich möglichst viele Katholiken mobilisieren lassen und an der Wahl teilnehmen. Der Rottenburger Bischof Dr. Klaus Krämer hat im Vorfeld auf die »große Bedeutung, wenn wir von Demokratie in der Kirche sprechen« hingewiesen. Der Kirchengemeinderat schaffe vor Ort einen echten Mehrwert.
Welche Unterschiede gibt es zu den Kirchenwahlen der Evangelischen Landeskirche in Württemberg?
In den evangelischen Gemeinden in Württemberg werden alle sechs Jahre die Kirchengemeinderäte neu gewählt. Wahlberechtigt sind Mitglieder bereits ab 14 Jahren. Die nächsten Wahlen stehen noch in diesem Jahr an, am 30. November, dem ersten Advent. Dann werden bei den evangelischen Kirchenwahlen in Württemberg rund 7.000 Kirchengemeinderäte und 90 Synodale für die Landessynode neu gewählt. Übrigens ein weiteres Alleinstellungsmerkmal in Württemberg, neben dem »Rottenburger Modell« der Katholiken: In der württembergische Landeskirche werden als einziger Kirche in der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) die Landessynodalen direkt von den Kirchenmitgliedern gewählt. (GEA)