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Karte oder App? Wanderwart aus der Region klärt auf

Smartphones schwächeln bei längeren Touren abseits der Zivilisation. Was Papierkarten so nützlich macht, erklärt der Wanderwart des Lichtenstein-Gau im Schwäbischen Albverein.

Manfred Goller, Wanderwart im Lichtenstein-Gau des Schwäbischen Albvereins, schätzt Karten aus Papier in der freien Natur nach w
Manfred Goller, Wanderwart im Lichtenstein-Gau des Schwäbischen Albvereins, schätzt Karten aus Papier in der freien Natur nach wie vor als unverzichtbar ein. Foto: Stephan Zenke
Manfred Goller, Wanderwart im Lichtenstein-Gau des Schwäbischen Albvereins, schätzt Karten aus Papier in der freien Natur nach wie vor als unverzichtbar ein.
Foto: Stephan Zenke

REUTLINGEN. Alles auf eine Karte zu setzen, ist in der Natur ein Hauptgewinn. Denn wenn’s auf den richtigen Weg ankommt, schwächeln Smartphones und Apps. Kenner wie Manfred Goller als Wanderwart des Lichtenstein-Gau im Schwäbischen Albverein erklären, wo Papier allen Pixeln überlegen ist.

»Ohne Karte ist man bei einer mehrtägigen Tour oder im Gebirge verloren«, sagt der 68-jährige Naturfreund. Schon beim Entfalten offenbart die gedruckte Geografie ihren ersten Vorteil: den großen Überblick. Karten im gängigen Maßstab 1:25000 zeigen nicht nur den winzigen Ausschnitt eines Bildschirms oder irgendwelche Koordinaten, sondern ganze Regionen.

»Um den Überblick zu haben, macht eine Karte mehr Sinn«

Zu sehen ist ein kompletter Gebirgszug oder das gesamte Tal. »Da hat man eine Vorstellung, ein Bild vor Augen, nimmt die Landschaft viel besser wahr«, sagt Goller. Das macht eine wirkliche Orientierung im Raum erst möglich. Während das Smartphone einem eben immer nur das Naheliegende mit Richtungsanweisungen zeigt, offenbar die Karte beispielsweise markante Landschaftsmerkmale oder Orte, nach denen man sich richten kann. Eben nicht »an der nächsten Abzweigung links«, sondern »erst mal in Richtung der Burg da hinten«. Viele weitere Informationen fehlen in den meisten digitalen Wegweisern.

In guten Wanderkarten sind jene an Bäumen oder Pfosten sowie auf Felsbrocken vom Albverein angebrachten Wegetafeln eingetragen, die der Mensch unterwegs antrifft – und somit kaum vom rechten Weg abkommt. Dazu erschließen die Druckwerke Schutzhütten oder Aussichtspunkte. »Um den Überblick zu haben, macht eine Karte mehr Sinn«, sagt Goller. Allerdings bedarf es dazu einer wesentlichen Fähigkeit.

Kartenlesen ist kinderleicht

Wie viele scheinbar veraltete Kulturfähigkeiten, etwa das Schreiben per Hand, ist das Kartenlesen kinderleicht – wenn man sich etwas Zeit dafür nimmt. Die passende Karte ist der Anfang. Klar fangen Wanderer mit einer Straßenkarte wenig an. Nützlich ist in der Natur eine topografische Karten, auf der Gelände inklusive Höhenlinien, Straßen, Sehenswertes und verschiedene Orte eingetragen sind. Die Bedeutung erklärt die Legende, deren Lektüre sich lohnt. Wichtig ist der passende Maßstab. Wanderer benutzen gerne den detaillierten Maßstab 1:25000. Das bedeutet ein Zentimeter auf der Karte entspricht in Wirklichkeit 25.000 Zentimetern (oder 250 Meter). Zur leichteren Abschätzung von Entfernungen gibt es ein Bezugsgitter auf jeder Karte.

Verschiedene Anbieter haben auch unterschiedliche Farb- und Kartendarstellungen sowie teils wasserfestes Papier oder Foliendruck. Also die Karte vor dem Kauf anschauen, und gerne nach Geschmack wählen.

Erste Aufgabe bei der Benutzung: den eigenen Standort auf der Karte feststellen. Bezugspunkte können Parkplätze, große Straßen oder Wege sein. Kein Standort, keine Navigation! Dann die Karte so ausrichten, dass sie in Richtung Ziel liegt und zeigt – auch hier wieder Bezugspunkte suchen. Das alles üben, es macht Spaß! (zen)

»Man muss lernen, eine Karte zu lesen. Das geht bei den Jungen verloren«, stellt der Wanderwart fest, »die geben in ihr Smartphone nur ein von A nach B zu wollen – haben aber keine Ahnung, was rechts oder links ist. Die wissen nicht, wo sie sind«. Viele hätten wohl noch nie eine Wanderkarte oder einen Stadtplan in den Händen gehalten. Dabei gibt es diese Kostbarkeiten nach wie vor reichlich und in jeder gut sortierten Buchhandlung. »Die Papierkarte ist nicht tot«, betont Goller. Seit Ende 2017 gibt es beispielsweise beim Schwäbischen Albverein eine Wanderkartenserie im Maßstab 1:25000, die gemeinsam mit dem Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg entwickelt wurde und heute ganz Baden-Württemberg auf 72 Karten abdeckt. Diese Karten sind sehr genau: Einem Zentimeter auf der Karte entsprechen 250 Meter in der Natur. Freizeitinformationen, das Wanderwegenetz des Schwäbischen Albvereins sowie Rundwanderwege verschiedener Akteure füllen dieses Kartenwerk mit interessanten Informationen für den Wanderer. Zahlreiche Verlage bieten spezielle Karten für alle Regionen. Dazu kommen etwa für Zweiradfreunde die Werke vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC). Karten sind ein weites Feld, auf dem jeder ein passendes Angebot findet. Abschließend kommt Goller zu einem wesentlichen k. o. Kriterium für elektronische Wegweiser in der freien Natur: »Eine Karte funktioniert immer, ein Smartphone dagegen nicht«. Das lässt sich leicht nachvollziehen.

Wanderkarten zeigen Details der Landschaft, die in den üblichen Navis auf dem Smartphone fehlen.
Wanderkarten zeigen Details der Landschaft, die in den üblichen Navis auf dem Smartphone fehlen. Foto: Stephan Zenke
Wanderkarten zeigen Details der Landschaft, die in den üblichen Navis auf dem Smartphone fehlen.
Foto: Stephan Zenke

Handelsübliche Apple iPhones oder Android-Smartphones benötigen zur Navigation über ihre integrierten Apps Dreierlei: Strom aus dem Akku, Empfang von Satellitensignalen sowie mobiles Internet zum Laden der Kartendaten. Wenn das Gerät ständig seinen Standort ermitteln soll sowie der Bildschirm eingeschaltet ist, leert sich der eingebaute Akku schneller als die Trinkflasche jedes Wanderers. Selbst eine Tagestour halten normale Smartphones kaum durch. Die Verfügbarkeit eines mobilen Internets ist schon auf der Schwäbischen Alb mehr als ungewiss. »Im Lautertal hat’s hinten bei Indelhausen ein Ende mit dem Mobilfunk«, nennt Goller ein Beispiel, »und der Schwarzwald ist schlecht versorgt«.

»Kein Empfang, kein GPS-Signal, und der Akku ist leer«

Bedauerlich aus der Sicht eines Naturfreundes seien auch manche Tourentipps in Apps wie dem sehr populären »Komoot«. In diesem sozialen Netzwerk für Outdoor-Aktivitäten kann jeder seine Vorschläge veröffentlichen. »Es gibt welche, die stellen Touren ein, die durch Naturschutzgebiete oder quer durch Wiesen führen«, bedauert der Wanderwart. Man solle sich aber im Interesse von Wildtieren und seltenen Pflanzen eben gerade nicht abseits von ausgeschilderten Wegen bewegen. Eine saubere Sache seien die Wandertipps des Albvereins sowie die Komoot-Vorschläge einzelner Ortsgruppen. Die lassen sich schließlich auch in eine Papierkarte eintragen. Womit sich der Kreis der Vorteile dieser Druckwerke noch nicht ganz geschlossen hat, denn sie sind auch noch erheblich billiger und langlebiger als jedes digitale Ding – vorausgesetzt, man legt sie in die alten Falten. (GEA)