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Aktuell Entsorgung

Kampagne wirkt: Weniger Plastik im Reutlinger Biomüll

Von 21 auf drei Prozent ist der Anteil nicht-kompostierbarer Stoffe im Reutlinger Biomüll im Verlauf der vergangenen neun Monate gesunken. Die Technischen Betriebsdienste sind zufrieden - nur in der Altstadt ist noch Luft nach oben.

Eine Plastiktüte in der Biomüll-Tonne: Das Reutlinger Entsorgungsunternehmen TBR möchte solche Fehlwürfe den Bürgern nach und na
Eine Plastiktüte in der Biomüll-Tonne: Das Reutlinger Entsorgungsunternehmen TBR möchte solche Fehlwürfe den Bürgern nach und nach abgewöhnen. Foto: Claudia Reicherter
Eine Plastiktüte in der Biomüll-Tonne: Das Reutlinger Entsorgungsunternehmen TBR möchte solche Fehlwürfe den Bürgern nach und nach abgewöhnen.
Foto: Claudia Reicherter

REUTLINGEN. Ein Mann in der Beutterstraße kramt am Abend vor der Leerung noch schnell von Hand durch die Biomülltonne. Und sortiert aus, was nicht hineingehört. Bewohner eines Mehrfamilienhauses in der Charlottenstraße hingegen lassen ihre Tonne trotz der Plastiktüte, die unterm braunen Deckel vorquillt, stehen, wie sie ist. Auf die Gefahr hin, dass sie deshalb auch vom Müllfahrzeug stehengelassen wird - ungeleert. Denn das droht, seit die Neufassung der Bioabfallverordnung am 1. Mai in Kraft trat.

Aber stammt die Plastiktüte tatsächlich von den Bewohnern? Oder hat sie irgendjemand anderes beim Vorbeigehen kurzerhand obendrauf gepackt? Wie leicht das möglich ist, zeigt ein danebenstehender Mülleimer, dessen Klappe sperrangelweit offensteht. Sogenannte Fremdbefüllungen sind eines der Probleme, mit denen sich die Technischen Betriebsdienste Reutlingen (TBR) derzeit beschäftigen. Hilfreich wäre es, wenn Bürger die Tonnen erst kurz vor der Leerung rausstellen: von einer nur Befugten vorbehaltenen Ecke aufs öffentlich zugängliche Trottoir. Oder den Deckel ihrer Biomülltonne mit einem speziellen Schloss sichern.

Handlungsbedarf vor allem in der Innenstadt

Besonders auf die Altstadt, in deren Straßen und Gassen viele Passanten unterwegs sind, möchten die TBR deshalb künftig ihr Augenmerk richten, wie Dirk Kurzschenkel kürzlich in einem Sachstandsbericht zehn Monate nach dem Start der Info-Kampagne und fünf Monate nach der Umsetzung der Gesetzesnovelle den Stadträten im Reutlinger Bauausschuss erklärt hat. Neben »Fremdbefüllungen« erforderten im Innenstadtbereich auch Gastronomiebetriebe und Bewohner mit Migrationshintergrund »erweiterten Handlungsbedarf«.

Ansonsten ging die Rechnung, die Bürger mit einer Kombination aus Vorab-Aufklärung, Kontrollen und Sanktionen sowie struktureller Unterstützung - etwa durch mehrsprachige oder dank Bildern universell verständliche Poster, die kostenlos an große Hausgemeinschaften und Wohnanlagen zum Aufhängen im Treppenhaus oder Kellerraum verteilt wurden, - voll auf. Wurden zu Beginn der Aufklärungskampagne und Versuchsphase im Januar noch rund 21 Prozent der Biomülltonnen beanstandet, sank diese Zahl schon zum Start der Sanktionen im Mai auf rund sieben Prozent. Seit Juni habe sich der Anteil der zu beanstandenden Tonnen auf etwa drei Prozent eingependelt, gab der TBR-Chef bekannt.

Nach wie vor gehen Anrufe beim Entsorger ein

Natürlich gab es auch Fragen und Klagen. »In der Startphase erfährt das Anrufaufkommen Mitte März mit 18 Anrufen pro Tag seinen Höhepunkt«, erklärt Kurzschenkel. Zu Beginn der zweiten Phase, als Fehlbefüllungen nicht nur angemahnt wurden, sondern Tonnen erstmals tatsächlich ungeleert stehen blieben, stieg dies kurzzeitig noch weiter, auf 20 Anrufe am Tag. Seit Juni habe sich die Lage jedoch stabilisiert: Acht bis neun Anrufer täglich seien seitdem im Schnitt üblich.

Seit Mai haben die TBR in Reutlingen rund 340.000 Biotonnen geleert. Mit sogenannten »roten Karten« wurden davon 5.800 beanstandet. Rund 3.800 von diesen wiederum blieben ungeleert stehen (das entspricht 65 Prozent), zirka 2.000 davon (also 35 Prozent) wurden geleert, da die Fremdstoffe erst durch die Kameras im Müllwagen sichtbar wurden. In solchen Fällen droht den Tonneneigentümern ein Bußgeld. Aktuell seien entsprechend rund 120 Ordnungswidrigkeitsverfahren am Laufen.

Erst 49 Schlösser in Biotonnen eingebaut

2.038-mal haben die TBR wegen fehlerhafter Befüllung etwa mit Plastiktüten oder anderen Dingen, die nicht biologisch abbaubar sind, Sonderleerungen gemacht - auf Kosten von 2.026 Hausverwaltungen und 12 Einfamilienhausbewohnern. Fünf Hausverwaltungen haben inzwischen »standardisierte« Sonderleerungen gebucht. Und 49 Eigentümer von Biotonnen nutzten bislang die Möglichkeit, ihre Biotonne für 55 Euro mit einem Schwerkraftschloss nachrüsten zu lassen. Damit kann niemand mehr unberechtigt Müll hineinwerfen.

Fehl- oder Fremdwurf? Das ist bei den öffentlich zugänglich an die Straße gestellten Tonnen schwer zu sagen. Fest steht: Plastik
Fehl- oder Fremdwurf? Das ist bei den öffentlich zugänglich an die Straße gestellten Tonnen schwer zu sagen. Fest steht: Plastik und andere nichtorganische Stoffe kommen die Tonnenbefüller teuer zu stehen. Foto: Claudia Reicherter
Fehl- oder Fremdwurf? Das ist bei den öffentlich zugänglich an die Straße gestellten Tonnen schwer zu sagen. Fest steht: Plastik und andere nichtorganische Stoffe kommen die Tonnenbefüller teuer zu stehen.
Foto: Claudia Reicherter

Dirk Kurzschenkels Fazit aus der Zeit zwischen der Konzeptentwicklung 2023, dem Start der Informationskampagne im Dezember 2024 und der Biotütle-Aktion im September 2025 auf dem Wochenmarkt: Die Einsicht in die Notwendigkeit dieser Neuerung ist groß, die »strukturelle Unterstützung« steigert die Akzeptanz noch, aber die Androhung von Bußgeld bleibt bei Verstößen das wirkungsvollste Instrument. Vor allem dadurch, dass die Reutlinger Entsorgungsbetriebe im Juli 2024 eins ihrer vier Bioabfallsammelfahrzeuge für 50.000 Euro mit einem KI-gestützten Detektionssystem ausgerüstet hatten, war auch das überregionale mediale Interesse groß. Im Verlauf des vergangenen dreiviertel Jahres haben die TBR dazu für die anderen drei Biomülllaster noch sechs Handlesegeräte angeschafft. Kosten pro Stück: 1.370 Euro. (GEA)