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Aktuell Prävention

K.O.-Tropfen: Wie die Fasnet in Reutlingen und der Region sicherer werden soll

Man sieht sie nicht, man riecht sie nicht. Sie wirken schnell und sorgen für den kompletten Blackout. Der Verein Wirbelwind und der Landkreis setzen ein Zeichen gegen K.O.-Tropfen. Sie haben eine Aktion initiiert, die die Fasnet sicherer machen soll.

Ein unbewachter Moment und schon ist es passiert: Die K.O.-Tropfen sind im Getränk.
Ein unbewachter Moment und schon ist es passiert: Die K.O.-Tropfen sind im Getränk. Foto: dpa/Nicolas Armer
Ein unbewachter Moment und schon ist es passiert: Die K.O.-Tropfen sind im Getränk.
Foto: dpa/Nicolas Armer

REUTLINGEN. »Es fühlte sich so an, als ob der Schalter umgelegt worden wären«: So beschreibt eine Feldhauser Hexe, wie es sich anfühlt, wenn einem K.O.-Tropfen ins Getränk gemischt werden. Genau das ist ihr nämlich am Ringtreffen in Gammertingen im Jahr 2023 passiert. Bei ihr lief es zum Glück noch halbwegs glimpflich ab - sie musste sich zwar im Krankenhaus untersuchen und behandeln lassen, aber sie wurde nicht Opfer eines Übergriffes.

In die Beratungsstelle von Wirbelwind, dem Verein gegen sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend mit Sitz in Reutlingen, kommen jedoch immer wieder Betroffene, die unter dem Einfluss von K.O.-Tropfen Opfer sexueller Belästigung geworden sind. »Wir wissen, dass dies öfter vorkommt,« sagt Dorothee Himpele von der Beratungsstelle. Im Jahr 2023 sei beispielsweise vermehrt von solchen Vorkommnissen in der Fasnetszeit berichtet worden.

Nach 20 Minuten ausgeknockt

Verlässliche Zahlen, wie viele Opfer es gibt, existieren nicht - was mit den Drogen selbst und ihrer Art zu wirken, zusammenhängt. Die Substanz ist farblos, nicht zu schmecken und sie wirkt schnell: »Bereits nach zehn bis 20 Minuten setzen Schwindelgefühle und Übelkeit ein«, schreibt der Weiße Ring auf seiner Homepage. Schnell kommt es zum »Knock out« und meist haben die Betroffenen danach einen »Filmriss«, erklärt Himpele. Beweisen kann man solche Übergriffe auch nur in den seltensten Fällen, denn die Substanzen bauen sich schnell ab.

Daher hat Wirbelwind sich überlegt, wie man die Feiernden möglichst niedrigschwellig erreichen kann, um solchen Taten vorzubeugen. »Wir wollen die Fasnet sicherer machen«, sagt Himpele. Wobei ihr wichtig ist, klarzustellen, dass derartige Übergriffe keineswegs ein Phänomen sind, das sich auf die närrische Zeit begrenzt. Auch in Clubs und Diskotheken passiere es immer wieder, dass jemand was in sein Getränke gemixt wird. Allerdings bieten die Massenveranstaltungen in der fünften Jahreszeit Tätern ein optimales Umfeld - inklusive Anonymität dank der Verkleidungen. »Die Bedingungen für K.O.-Tropfen sind einfach gut«, weiß Himpele. Weshalb hier noch mehr Vorsicht geboten ist.

#my becher my choice

Zum einen rät sie daher allen Feiernden, »aufmerksam zu sein«. Nirgendwo alleine hinzugehen, lieber in der Gruppe unterwegs sein, »wenn sich jemand seltsam verhält, K.O.-Tropfen in Erwägung ziehen«, so Himpele. Es gibt übrigens auch Teststreifen im Drogeriemarkt, der die Substanzen im Getränk nachweist. Geht es einem schlecht, sollte man ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen.

Gleichzeitig wollte Wirbelwind, gemeinsam mit dem Landkreis, bereits vorab ein Zeichen setzen: Im Jahr 2023 haben sie über die sozialen Medien mehrere Slogans zur Wahl gestellt, die vor K.O.-Tropfen warnen sollen. Gewonnen hat der Spruch »#my becher my choice«, der auf Aufkleber, also »Bebbr«, gedruckt wurde. Diese Bebbr zieren seit der letzten Fasnet etliche Becher, die die Narren bei Umzügen und Festen mit dabeihaben. Mit dieser Aktion wollen sie zeigen: »In meinen Becher gehört nur das, was ich in meinem Becher haben will.« Die Resonanz war besser als erhofft: Schnell waren die Bebbr weg und man musste nachordern. »Wir sind schon ein bisschen stolz, dass wir so viele Narrenvereine erreichen konnten«, sagt Dorothee Himpele.

Kinder und Jugendliche schützen

Vielen Narrenzünften ist nämlich durchaus klar, dass die Fasnet auch Risiken birgt. »Die Zeiten sind andere als vor 30 oder 40 Jahren«, sagt beispielsweise Marc Hazotte, Zunftmeister der Narrenzunft Steinhilben. Die Zunft hat deshalb beschlossen, noch einen Schritt weiterzugehen und mit Wirbelwind ein Schutzkonzept zu erstellen, das Kinder und Jugendliche vor sexuellen Übergriffen schützt. »An unserem Kinderbürgerball treten 120 Kinder auf, unsere Tanzgarde ist an vielen Orten unterwegs«, sagt Hazotte, »wir müssen die Augen offen halten«. Bei ihren Veranstaltungen sei noch nie etwas in diese Richtung passiert, sagt Hazotte, aber es sei ein Thema, für das alle sensibilisiert werden müssen. Vor allem diejenigen, die mit Kindern zu tun haben, müssten geschult werden, ist Hazotte überzeugt. »Wir wollen vorbereitet sein «, sagt Hazotte, »aber wir hoffen natürlich, dass wir es nie brauchen«.

Die närrische Zeit nähert sich ihrer heißen Phase, jedes Wochenende sind Umzüge, am Sonntag beispielsweise in der Reutlinger Innenstadt. Fasnet feiern - das will keiner in Frage stellen. Aber sicher sollte es sein. Mit der Becher-Aktion gegen K.O.-Tropfen setzen die Narren dafür ein deutliches Zeichen. (GEA)

www.wirbelwind-reutlingen.de

Darum wirbt eine Aktion  im Landkreis für eine sichere Fasnet: Die Aufkleber signalisieren, dass nur das in die Becher gehört, w
Darum wirbt eine Aktion im Landkreis für eine sichere Fasnet: Die Aufkleber signalisieren, dass nur das in die Becher gehört, was die Besitzer drin haben wollen. Foto: Privat
Darum wirbt eine Aktion im Landkreis für eine sichere Fasnet: Die Aufkleber signalisieren, dass nur das in die Becher gehört, was die Besitzer drin haben wollen.
Foto: Privat

Was sind K.O.-Tropfen?

Die Polizei Baden-Württemberg hat ein Infoblatt über K.O.-Tropfen und wie man sich vor ihnen schützen kann, herausgegeben. Darin wird auch erläutert, aus was für Substanzen die Tropfen bestehen.

Es kann sich um Medikamente, wie Narkose- oder Beruhigungsmittel handeln, oder um sogeannte Partydrogen mit den Wirkstoffen GHB (Gammahydroxybutyrat) oder GBL (Gammabutyrolacton).

GBL ist eine chemische Substanz, die als Lösungs- und Reinigungsmittel vielfältig verwendet wird. Im Körper wandelt sich GBL in GHB um und entfaltet auch dessen gefährliche Wirkung. In der Partyszene ist GBL/GHB zum Eigenkonsum weit verbreitet und als Liquid Ecstasy, Liquid X, Liquid E, Fantasy, Soap oder G-Juice bekannt. Es unterliegt in Deutschland dem Betäubungsmittelgesetz.

www.praevention.polizei-bw.de