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Jugendlicher in Reutlingen wegen Stalking verurteilt

Monatelang hat der Angeklagte die von der Ex-Freundin gesetzten Grenzen missachtet. Dafür wurde er jetzt zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Mit digitalen und realen Mitteln hat ein Jugendlicher seiner Ex-Freundin nachgestellt.
Mit digitalen und realen Mitteln hat ein Jugendlicher seiner Ex-Freundin nachgestellt. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Mit digitalen und realen Mitteln hat ein Jugendlicher seiner Ex-Freundin nachgestellt.
Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

REUTLINGEN. Weil er seine Ex-Freundin über Monate mit allen digitalen und realen Mitteln verfolgt hat, ist ein 19 Jahre alter Jugendlicher vom Amtsgericht Reutlingen zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten zur Bewährung verurteilt worden. So etwas tut Mann nicht ungestraft, macht Amtsrichter Sierk Hamann in seinem Urteil klar. Während des Verfahrens wird eines überdeutlich: Wenn eine Frau »Nein« sagt, dann gilt das auch, falls es in einer Beziehung zwischendurch wieder Annäherungen gibt.

Nachstellung sowie Verstoß gegen das Gewaltschutzgesetz wirft Staatsanwältin Isabelle Mühlenbruch dem Angeklagten vor. Nach einer halbjährigen Paarbeziehung habe der Gambier im vergangenen Jahr seiner ehemaligen Partnerin in einer Weise nachgestellt, »die ihre Lebensführung beeinträchtigt hat«. Der Jugendliche überschüttete sie mit Textnachrichten, postete Bilder von sich und ihr in sozialen Netzwerken, klopfte an das Fenster ihrer Wohnung, beobachtete sie beim Supermarkteinkauf oder verfolgte sie bis ins Fitness-Studio. Doch alles das ist nur ein Teil des Dramas.

Im Gerichtssaal

Richter: Sierk Hamann. Staatsanwältin: Isabelle Mühlenbruch.

Eine Nacht voller häuslicher Gewalt, als er die 24 Jahre alte Deutsche in ihrer Wohnung festgehalten und bedroht haben soll, sie vom Balkon aus Nachbarn um das Absetzen eines Notrufes bat, beschäftigte bereits die Justiz. Ein Verfahren wurde zum Missfallen des daran gänzlich unbeteiligten Amtsrichters Hamann damals zwar deswegen eingestellt, weil es »kein öffentliches Interesse« gebe - aber die Fakten sind gut dokumentiert. Im Oktober 2024 erließ das Familiengericht ein Annäherungsverbot. »Gleichwohl stellte der Angeklagte seine Handlungen nicht ein«, sagt die Staatsanwältin. Ganz anders die Aussage des Mannes.

»Nichts ist wahr«, behauptet der Flüchtling aus Afrika, über dessen Asylantrag noch nicht entschieden wurde. Er sieht aus wie ein wohlhabender Jugendlicher. Der Empfänger von Sozialleistungen trägt eine nagelneue Lederjacke, beigen Hoodie, helle Hose sowie fabrikfrische Turnschuhe. An seinem Handgelenk leuchtet neben einem goldenen Armreif eine Smartwatch, in der Hand hält er ein Top-Smartphone. Für die Vorwürfe gegen ihn zeigt er keinerlei Verständnis. Schließlich habe seine Ex-Freundin ihre Anzeige zurückgezogen, ihn auch nach dem Annäherungsverbot noch getroffen sowie Geschenke gemacht.

Drei Monate auf Bewährung

Womit die Zeugenaussage des Opfers besonders spannend wird. Ruhig und gefasst, obschon in Sichtweite ihres Peinigers, berichtet sie von Annäherungen nach der Trennung, bestätigt Geschenke und Treffen. Sie scheut sich auch nicht von einer gemeinsamen Nacht zu sprechen. Ausführlich beschreibt sie die nicht enden wollenden Nachstellungen des jungen Mannes. Juristisch gesehen nennt sich so etwas die Abwesenheit von Belastungseifer, denn sie könnte den Angeklagten auch emotional oder unsachlich in ein schlechteres Licht setzen. Tut sie aber nicht, sondern bleibt nach Auffassung des Gerichtes bei der Wahrheit, was ihre Glaubwürdigkeit unterstreicht.

Mit ihren Zeugenaussagen runden ein Polizeibeamter sowie eine Nachbarin den Eindruck ab, dass dieser Jugendliche tatsächlich der jungen Frau nachgestellt hat sowie ihr gegenüber gewalttätig wurde. Womit sie bis heute zu kämpfen hat, wie sie dem Gericht verrät: »Ich leide unter Panikattacken, kriege Herzklopfen, bin in ärztlicher Behandlung.« Während dieser Aussagen wirkt der Angeklagte teilnahmslos, wackelt unter der Tischplatte nervös mit seinen Beinen. Zu einem Geständnis oder einer Entschuldigung seinerseits kommt es nicht.

Recht zügig fällt Amtsrichter Hamann ein Urteil, das nur wenig unterhalb der Strafforderung der Staatsanwältin liegt. Die Schuld des Angeklagten hält der Richter für bewiesen, weswegen er eine Freiheitsstrafe von drei Monaten verhängt, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Dazu hat der Verurteilte zwei Jahre lang ein umfassendes Kontaktverbot gegenüber der Frau, muss 60 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Am schwersten treffen ihn möglicherweise zwei andere jugendgerechte Bestandteile der Strafe: Sein Smartphone wird eingezogen, und er darf ein halbes Jahr lang nicht mehr mit Elektrorollern fahren. (GEA)