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Jesus Klima-Aktivist? Das sagen Reutlinger Geistliche

Eine Banner-Aktion an Tübinger Kirche sorgt für Diskussionen: »Wäre Jesus ein Klima-Aktivist?« Wie Reutlinger Geistliche die Frage beantworten.

Weithin sichtbar und öffentlichkeitswirksam hängt das große Banner an der zentralen Tübinger Stiftskirche.
Weithin sichtbar und öffentlichkeitswirksam hängt das große Banner an der zentralen Tübinger Stiftskirche. Foto: Irmgard Walderich
Weithin sichtbar und öffentlichkeitswirksam hängt das große Banner an der zentralen Tübinger Stiftskirche.
Foto: Irmgard Walderich

REUTLINGEN/TÜBINGEN. Das hat in Tübingen für Aufsehen gesorgt: Gleich mehrere Gruppen in der Unistadt haben eine öffentlichkeitswirksame Aktion gestartet, indem sie ein 15 Quadratmeter großes Banner an die Tübinger Stiftskirche gehängt haben. Darauf die Frage: »Wäre Jesus Klima-Aktivist?« Begleitet wird die Aktion von verschiedenen Veranstaltungen und einem Internetauftritt. Die Frage, ob Jesus ein Klima-Aktivist wäre, oder gewesen wäre, beschäftigt nicht nur Menschen und Klima-Aktivisten in Tübingen. Der GEA hat drei Geistliche der christlichen Kirchen in Reutlingen mit dem Thema konfrontiert. Hier die Antworten.

Nachdem Unbekannte das Banner heruntergerissen und beschädigt haben, gibt es jetzt ein neues, das etwas höher an der Stiftkirche
Nachdem Unbekannte das Banner heruntergerissen und beschädigt haben, gibt es jetzt ein neues, das etwas höher an der Stiftkirche angebracht ist. Die Tübinger Klima-Aktivisten wollen jedenfalls mit ihrem »Wander-Banner« weitermachen. Foto: Irmgard Walderich
Nachdem Unbekannte das Banner heruntergerissen und beschädigt haben, gibt es jetzt ein neues, das etwas höher an der Stiftkirche angebracht ist. Die Tübinger Klima-Aktivisten wollen jedenfalls mit ihrem »Wander-Banner« weitermachen.
Foto: Irmgard Walderich

Die Evangelische Kirche Reutlingen

So sagt Dekan Marcus Keinath von der Evangelischen Kirche in Reutlingen: »Jesus war kein Aktivist und auch kein Aktionist. Er war vielmehr bestrebt, den Menschen vorzuleben, was die Liebe Gottes bedeutet.« Es lasse sich kaum beantworten, ob Jesus ein Klima-Aktivist wäre. Sicher sei aber, dass »... Christinnen und Christen von der Bibel her einen ganz klaren göttlichen Auftrag haben, die Schöpfung nicht nur zu bebauen, sondern auch zu bewahren.« Für Keinath entsteht daraus ein Ziel: »Der Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung ist deshalb nicht nur eine ökologische Notwendigkeit, sondern auch eine theologische. Es geht um die Schöpfung Gottes.« Das verstehe auch das Evangelische Dekanat Reutlingen als Aufgabe, so Keinath: »Als Evangelische Landeskirche in Württemberg wollen wir bis 2040 klimaneutral werden, weshalb wir als Reutlinger Gesamtkirchengemeinde bereits ein entsprechendes Klimaschutzkonzept beschlossen haben.« So soll das neue Diakonische Zentrum Christuskirche klimaneutral betrieben werden können. Der Theologe meint: »Klimaschutz ist ein praktischer Dienst gegenüber Gott, unserem Schöpfer.«

Aktion Tübinger »Wander-Banner«

Seit Mitte Februar hängt das Banner mit der Frage: »Wäre Jesus Klima-Aktivist« an der Tübinger Stiftskirche. Zwischenzeitlich war es von Unbekannten von der Fassade der Kirche gerissen und beschädigt worden. Nachdem es repariert und etwas umgestaltet wurde, hängt es wieder dort. Initiatoren sind verschiedene evangelische und katholische Kirchengemeinden sowie die Tübinger Klimabewegung, vor allem »Parents4Future« und »Christians4Future«. Sie wollen damit zu Gesprächen über Klimagerechtigkeit anregen. Vor allem aber die zentrale Frage diskutieren: »Wie wollen wir in Zukunft leben?«
Die Resonanz auf das doch eher schlicht gehaltene Banner mit der simplen Frage ist recht groß. Unterschiedliche Medien haben bereits darüber berichtet. Im Internet wird darüber geschrieben. Die Katholische Kirche Reutlingen hat es bereits auf ihre Homepage genommen.Die Macher der Tübinger Banner-Aktion freuen sich über den Erfolg und planen, mit dem »Wander-Banner«, wie sie es selbst nennen, auf Tour zu gehen. Auf ihrem Terminkalender stehen weitere Stationen für das Banner: »Über mehrere Monate hinweg soll es von Kirchturm zu Kirchturm wandern und in jeder Gemeinde mit vielfältigen Aktionen begrüßt und begleitet werden«, steht dort. Auch in Reutlingen wollen sie Station machen.
Veranstaltungen rund um die Banner-Aktion sind bis in den Juni angesetzt, verschiedene haben bereits stattgefunden. Darunter eine Klima-Andacht und Glockenläuten vom Kirchturm. Am Samstag, 22. Februar, singt der Ernst-Bloch-Chor auf dem Marktplatz einen Auszug aus seinem Klima-Programm. Weitere Station des Banners wird am Sonntag, 2. März, die Eberhardskirche in Tübingen sein. Am Sonntag, 27. April, gibt es einen Hochschulgottesdienst zum Thema »Rechte der Natur« in der Tübinger Stiftskirche. Am Donnerstag, 12. Juni, gibt es ab 19 Uhr einen ökumenischen und interreligiösen Pilgerweg für junge Erwachsene zur Wurmlinger Kapelle unter dem Motto »Wäre N.N. Klimaaktivist?« Termine für die Stationen des »Wander-Banners« in Reutlingen gibt es noch nicht. (rr)

Die Katholische Kirche Reutlingen

Jochen Frank, Sprecher der Katholischen Gesamtkirchengemeinde Reutlingen, beantwortet die Frage auf dem Banner zunächst mit einer Gegenfrage: »Wir müssen uns zunächst fragen: Was ist ein Aktivist und war Jesus ein solcher?« Aktivisten verfolgten immer ein politisches Ziel, so Frank. In diesem Sinne sei Jesus aber seinerzeit nicht unterwegs gewesen: »Er war kein Politiker und auch nicht politisch aktiv.« Ob Jesus heute ein Klima-Aktivist wäre? Frank meint, »Ich würde diese Frage gerne mit Ja, selbstverständlich, beantworten.« Es sei aber nicht wahrscheinlich, Jesus habe sich keinen politischen Bewegungen angeschlossen, er sei Prophet gewesen. »Einem Christen kann die Bewahrung der Schöpfung aber definitiv nicht egal sein«, fügt er hinzu. In seinem Leben habe Jesus immer wieder auf die Natur hingewiesen: »Für ihn ist Gott der Schöpfer dieser Natur, und Jesus hat ihn permanent beim Wirken an der Natur betrachtet«, so Frank. Wichtig sei aber der Auftrag für die Menschen auf der Welt, Gottes Schöpfung, also die Natur, zu bewahren. »Christen sehen sich als Teil des Ganzen, als Teil der Natur und der Schöpfung und haben damit auch die Aufforderung zum ganzheitlichen Denken.«

Die Klimakrise sei die deutlichste Folge davon, dass die Menschheit diesen Auftrag viel zu lange nicht beachtet hätte. »Lange galt die Haltung: Fast alles ist möglich, ohne auf die Schöpfung zu achten.« Spätestens seit der Enzyklika von Papst Franziskus zum Klimaschutz sei die Bewahrung von Schöpfung und Natur bei der Katholischen Kirche in den Mittelpunkt gerückt. Wie die Kollegen von der Evangelischen Kirche habe man sich die Klimaneutralität der Gebäude der Diözese Rottenburg-Stuttgart als Ziel gesetzt. Er sei gespannt darauf, wenn das Banner der Tübinger Klima-Aktivisten Reutlinger Kirchengebäude erreicht: »Das wird interessant, wie das hier aufgenommen wird.«

Die Christliche Gemeinde Reutlingen

Joachim Rauscher von der Leitung der Christlichen Gemeinde Reutlingen (CGR) sagt: »Die Christen auf der Welt sind ganz klar gefordert, die göttliche Schöpfung zu schützen und zu bewahren.« Das gelte seit der Zeit von Jesus und bis heute. »Das primäre Ziel von Jesus Christus ist es aber seinerzeit gewesen, die Menschen zu retten. Deshalb ist er auf der Welt gewesen. Die Menschheit sollte mit Gott versöhnt werden.« Mit Blick auf die Schöpfung, also die Natur, bewertet er die Lage als schlecht: »Die Welt ist in einem gefallenen Zustand, auch die Schöpfung, und dieser Zustand verschlechtert sich immer weiter.« Das Diesseits sei eigentlich nicht mehr rettbar, die Aussichten für eine Klimawende schlecht. »Das Ende der Welt ist nicht mehr aufhaltbar. Deshalb spielt Umwelt- und Klimaschutz eine untergeordnete Rolle«, so Rauscher. (GEA)