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IG BAU kritisiert hohe Zahl befristeter Stellen im Kreis Reutlingen

Gebäudereinigerinnen leisten durch ihre Arbeit einen Beitrag gegen die Infektionsgefahr in Betrieben, Büros und Behörden. Dennoc
Eine Gebäudereinigerin bei der Arbeit. Foto: IG BAU
Eine Gebäudereinigerin bei der Arbeit.
Foto: IG BAU

REUTLINGEN. Wenn der Job zur Zitterpartie wird: Infolge der Corona-Pandemie tragen Beschäftigte, die im Kreis Reutlingen einen befristeten Arbeitsvertrag haben, ein besonders hohes Risiko, ihre Stelle zu verlieren. Davor warnt die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) nun in einer Pressemitteilung. Im vergangenen Jahr hatten 31 Prozent aller Neueinstellungen im Landkreis ein Verfallsdatum. Von rund 5.000 Arbeitsverträgen, die im zweiten Quartal neu abgeschlossen wurden, waren etwa 1.500 befristet, so die Gewerkschaft unter Verweis auf eine aktuelle Auswertung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.

»Die Zahlen zeigen, dass auf dem heimischen Arbeitsmarkt etwas aus dem Ruder gelaufen ist. In der Corona-Krise können Befristungen für die Betroffenen leicht zur Falle werden, wenn Unternehmen solche Stellen nicht mehr verlängern«, sagt Andreas Harnack, Regionalleiter der IG BAU Baden-Württemberg.

 Gebäudereinigung und Landwirtschaft besonders stark betroffen

Nach Beobachtung des Gewerkschafters seien befristete Stellen in Branchen wie der Gebäudereinigung und der Landwirtschaft stark verbreitet. Junge Beschäftigte seien besonders häufig betroffen. »Wer als Berufseinsteiger eine Wohnung finden oder einen Kredit aufnehmen will, der hat mit einem befristeten Vertrag schlechte Karten. Wegen der Unsicherheit muss manchmal sogar der Wunsch nach eigenen Kindern vertagt werden«, kritisiert Harnack.

Die IG BAU fordert die Bundesregierung laut Mitteilung dazu auf, ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen und Befristungen ohne einen sogenannten Sachgrund einzudämmen. Als Sachgründe gelten etwa eine Schwangerschaftsvertretung oder eine Probezeit.

Ein aktueller Gesetzentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sieht vor, dass sachgrundlose Befristungen künftig nur maximal 18 anstatt bisher 24 Monate andauern und in diesem Zeitraum nur noch einmal statt wie bisher dreimal verlängert werden dürfen. In Betrieben mit mehr als 75 Beschäftigten sollen solche Verträge auf höchstens 2,5 Prozent der Belegschaft begrenzt werden.

Gesetz sei überfällig

»Bisher stand die Union bei diesem Vorhaben auf der Bremse. Aber das Gesetz ist überfällig – und es bleiben nur noch wenige Wochen, um es in dieser Legislaturperiode durch den Bundestag zu bringen«, betont Gewerkschafter Harnack. Die Pandemie habe gezeigt, dass neben den kaum abgesicherten Minijobs und Leiharbeitsverhältnissen auch Befristungen alles andere als krisenfest seien.

Nach Angaben des WSI waren im zweiten Quartal vergangenen Jahres im bundesweiten Durchschnitt gut 39 Prozent aller Neueinstellungen befristet. In der Altersgruppe bis 25 Jahren hatten knapp 51 Prozent aller neu abgeschlossenen Verträge ein Ablaufdatum (Azubis nicht mitgerechnet). Frauen sind häufiger von Befristungen betroffen als Männer, auch ein Migrationshintergrund wirkt sich negativ aus, so das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Im vergangenen Jahr wurden befristete Verträge laut IAB seltener verlängert, die Personalabgänge nach Befristungsende stiegen an und die Zahl der Übernahmen in unbefristete Beschäftigung sank deutlich. (pm)