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»Ich bin aus allen Wolken gefallen«

REUTLINGEN-BETZINGEN. Staatsanwälte brauchen Stehvermögen. Vor allem, wenn es um Wirtschaftsdelikte geht. Denn die sind in aller Regel ebenso umfangreich wie diffizil. Auch Florian Fauser benötigte gestern geraume Zeit, um die dicke Anklageschrift vorzulesen. Urkundenfälschung, Betrug und Untreue in 18 Punkten wird darin dem Beschuldigten, ein 57-jähriger Großhandelskaufmann, vorgeworfen. Der Mann soll in seiner Funktion als Aushilfsbuchhalter ein Ehepaar, das in einem Reutlinger Vorort ein Restaurant betreibt, böse hinters Licht geführt und stattliche Summen fürs eigene Konto abgezwackt haben.

Der Beschuldigte saß wie ein Häuflein Elend vor dem Schöffengericht. Nicht, weil die Vorwürfe so schwer auf ihm gelastet hätten, sondern weil er »massive« gesundheitliche Probleme geltend machte. »Ich bin nicht aufnahmefähig, ich habe wahnsinnige Schmerzen«, ließ er das Schöffengericht wissen, noch bevor es richtig losgehen konnte. Vorsitzender Richter Eberhard Hausch zeigte kein Erbarmen: Er verwies auf ein amtsärztliches Attest, das dem Angeklagten Verhandlungsfähigkeit bescheinigt.

Nachdem das geklärt war, durfte sich Florian Fauser endlich zur Verlesung der Anklage erheben. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Beschuldigten vor, als Buchhalter der Restaurantbetreiber zwischen 2005 und 2006 zehn Mal »Luftbuchungen« vorgenommen zu haben: Bei der Umsatzsteuer-Voranmeldung wurden Beträge für Geschäfte verbucht, die gar nicht stattgefunden hatten. Die zurückerstatteten »Steuer«-Gelder landeten aber nicht etwa auf dem Konto des Ehepaares, das die Gaststätte betreibt, sondern auf dem des Angeklagten. Möglich geworden war das mit Abtretungserklärungen, auf denen der Mann die Unterschrift der Restaurantchefin gefälscht haben soll. Auf diese Weise kam er an die stolze Summe von 23 488 Euro.

»Wie haben keine Sekunde gedacht, dass da etwas schiefläuft«

Auch Leasingverträgen für ein teures Auto sowie ein Notebook soll der Angeklagte im Namen seiner Arbeitgeber abgeschlossen haben - ohne deren Wissen, dafür wieder mit nachgemachten Unterschriften. Zudem soll er das Ehepaar per Fax zur Rückerstattung von Steuerbeträgen, die er angeblich vorfinanziert hatte, aufgefordert und die verlangte Summe tatsächlich bekommen haben. Vorgestreckt hatte er aber nie etwas. Stattdessen war er selbst in finanziellen Nöten.

Der Beschuldigte stritt die Vorwürfe rundweg ab. Die Unterschriften auf den Leasingverträgen seien nicht gefälscht, sondern stammten von der Restaurantchefin »höchstpersönlich«. Sie sei froh und dankbar über seine Unterstützung in der Buchhaltung gewesen, deshalb habe sie ihm geholfen. Abbezahlt habe er Auto und Notebook selbst. Auch die Sache mit den Abtretungserklärungen sei abgesprochen gewesen. Er habe damals auf 400-Euro-Basis für das Ehepaar gearbeitet, aber nie Geld, allenfalls Sachleistungen zu sehen bekommen. Neben einer ganz »normalen« Angestellten-Tätigkeit erledigte er seine Buchhalterdienste nach eigenen Angaben zu Hause und vorwiegend nachts. Die 23 488 Euro sah er wohl als Lohn für seine Mühen.

»Ich glaube ihnen kein Wort«, entfuhr es dem Staatsanwalt. Eine Einschätzung, in der er sich nach der Aussage der Restaurantchefin bestätigt gefühlt haben dürfte. Die hatte dem Angeklagten die Buchhaltung überlassen, nachdem es Schwierigkeiten mit dem bisher beauftragten Steuerbüro gab. Der Mann hatte früher schon einmal für sie die Buchhaltung erledigt - äußerst korrekt und zuverlässig, wie die Zeugin betonte. Deshalb hätten sie und ihr Mann dem Aushilfsbuchhalter blind vertraut. »Wir haben keine Sekunde gedacht, dass da etwas schiefläuft.«

Das Angebot, ihn als Aushilfe anzumelden, habe der Mann mit Hinweis auf seine Angestelltentätigkeit abgelehnt. Deshalb habe sie sich erst mit Essenseinladungen revanchiert, ihm später vom eigenen Gehalt monatlich 300 bis 400 Euro in die Hand gedrückt.

Von den Abtretungserklärungen, beteuerte die Frau, habe sie genauso wenig Ahnung gehabt wie von den Leasingverträgen. »Ich habe nichts unterschrieben. Ich bin aus allen Wolken gefallen, als ich von den Abtretungserklärungen erfahren habe.« Das per Fax angeforderte Geld hätten sie ihrem Buchhalter tatsächlich überwiesen. »Aus Dummheit«, wie sie einräumte.

Die Verhandlung vor dem Schöffengericht wird fortgesetzt. (GEA)