REUTLINGEN. »Total cool«: So fällt die Bilanz von Holger Langhans nach rund acht Monaten als Leiter des Innovationszentrums Innoport aus. »Ich habe einen unglaublichen Freiheitsgrad beim Gestalten - das ist genau mein Ding.« Dabei ist der Berufsweg des 47-Jährigen zunächst der eines klassischen Maschinenbauingenieurs. Nach dem Studium steigt er als Betriebsingenieur ein, nach und nach erklimmt er die Karriereleiter - mit spannenden Sprossen: So verlagert er beispielsweise eine komplette Produktion, baut ein Technology-Center auf, kümmert sich um die Digitalisierung von Produktionen, wird nach einer Firmenfusion Geschäftsführer im Schwarzwald. Siemens und die Tübinger Walter AG gehören unter anderem zu seinen Arbeitgebern. Also durchaus namhafte Player auf dem Weltmarkt.
Wie kommt es da im September 2024 zum Wechsel an den Reutlinger Innoport mit seinem kleinen Team aus fünf Personen? »Ich liebe keine Konzernstrukturen«, sagt Langhans, oft könne man in solch großen Unternehmen nicht wirklich Verantwortung übernehmen und Dinge gestalten. Richtig klar sei ihm dies geworden, als eine kleine Firma mit einer anderen zusammengelegt wurde: »Da hatte sie für mich den Reiz verloren.«
»Ich verfolge den Innoport schon seit langem«
Den Innoport und auch die Stadt Reutlingen kennt er zu diesem Zeitpunkt bereits recht gut. Für Siemens war er einst quasi um die Ecke herum tätig, seine Frau arbeitete schon lange als Ärztin in Reutlingen und auch alle fünf Kinder sind im Reutlinger Krankenhaus zur Welt gekommen. »Ich verfolge den Innoport schon seit langem«, erzählt Langhans, der mit seiner Familie im Rottenburger Stadtteil Kiebingen lebt. Als dann die Leitungsstelle ausgeschrieben wird, beschließt er, sich zu bewerben - und wird genommen. Langhans kennt sich aus in der freien Wirtschaft, »ich spreche die Sprache der Unternehmen«, sagt er. Aber gleichzeitig werde ihm hier die Chance geboten, Neues anzugehen, Projekte zu verwirklichen.
»Visionen« und »Missionen«, nennt er es. »Hier ist viel möglich.« Das berge aber auch stets das Risiko, sich zu verzetteln, weshalb ihm »ein roter Faden« wichtig ist. Seine Vision: »Wir wollen die erste Anlaufstelle für Zukunftsthemen in der Region sein.« Dabei fokussiere man sich auf die Themenfelder digitale Transformation, Start-ups, »Future Skills« (hier geht es darum, wie die Menschen künftig arbeiten) und »Greentech« (also Technologien, die Klima- und Umweltschutz umsetzen).
»Wir wollen die erste Anlaufstelle für Zukunftsthemen in der Region sein«
Vorrangig sind es kleine und mittlere Unternehmen, die den Innoport aufsuchen oder hier anzutreffen sind. Neben den 50 Gründungspartnern ist die Zahl der weiteren Mitglieder auf 60 gewachsen. Aktuell sind es also insgesamt 110 Unternehmen, die die Angebote des Innoports nutzen. Gerade neuen Firmen bietet sich dadurch die Chance, sich einem breiteren Publikum zu präsentieren, sich mit anderen zu vernetzen, »Communitys« zu bilden. »Was nützt ein tolles Produkt, wenn es keiner kennt?« fragt Langhans. Infoabende, Impulsvorträge, Community-Nights: Der Zugang ins Innovationszentrum soll möglichst niedrigschwellig sein, so der Wunsch des neuen Leiters.
Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten liegt es Langhans aber auch am Herzen, Optimismus zu verbreiten. »Bei so vielen Negativschlagzeilen gewinnt man den Eindruck, dass jeden Tag etwas den Bach runter geht.« Mit solch einer Einstellung werde man keine positive Zukunft schaffen. »Da möchte ich gerne ein positives Mind-Set etablieren.«
»Was nützt ein tolles Produkt, wenn es keiner kennt?«
Mit dabei helfen soll die Mission, der sich der Innoport verschrieben hat. Menschen, die hier herkommen, sollen die investierte Zeit als wertvoll sehen, davon profitieren. Mitgliedern und Gründern stehen die Meetingräume zu Verfügung, ebenso wie der Makerspace - eine modern ausgestattete Werkstatt für Erfindungen oder den Bau von Prototypen. Und dabei geht es keineswegs nur um künstliche Intelligenz oder modernste Technologien, sondern mitunter auch um handwerkliche Unterstützung. Ein nettes Beispiel: Einem Mitglied konnte man dabei helfen, Holzplatten für individuell gefertigte Handtaschen zu fräsen. Denn neben High-Tech gibt es in der Werkstatt viele andere Maschinen.
Ein anderes Beispiel für Hilfe und Unterstützung im Kleinen ist das Angebot »Bring your problem«: Wer ein Problem hat, kann dieses per Mail schildern und Innoport hilft, eine Lösung zu finden. Entweder direkt oder indem ein Kontakt vermittelt wird. Das habe schon öfters bestens funktioniert, erzählt Langhans. Vom Ratgeber zu 3D-Druckern bis zum Vermitteln eines Referenten, weil der Ursprüngliche abgesagt hatte, war allerlei dabei.
Großartiges entwickelt worden sei auch mit dem AI-Experience-Room, der im Oktober an den Start ging. Eine Rarität in der Bundesrepublik, nur in Berlin gibt einen weiteren solchen Raum, der Künstliche Intelligenz mit dem Erlebnis eines Exit-Rooms verbindet. »Unser neuestes Baby.«
»Wir können Schülern die positive Seite der Digitalisierung nahe bringe«
Wünsche und Pläne für die Zukunft hat Holger Langhans noch einige. Vor allem was die Sichtbarkeit und den Bekanntheitsgrad anbelangt, ist im Innoport noch Luft nach oben. Da stelle sich vor allem die Frage: »Wie erreiche ich die, die es noch nicht kennen?« Ein Vorhaben, das viel Zeit koste und das mitunter mühsam sein kann. Neben der Gewinnung neuer Partner und Kunden will Langhans zudem den Makerspace noch besser ausstatten, etwa mit neuen Technologien wie Robotern. Auch in Sachen Schulung will er das Angebot erweitern, hier gibt es schon die Academy, in der das Wissen aus Vorträgen vertieft wird. Aber auch Kurse speziell für Kinder und Jugendliche sollen verstärkt angeboten werden - gerne in Zusammenarbeit mit Schulen oder Hochschulen.
Gerade die Fortbildung der nächsten Generation sieht Langhans nämlich als Auftrag. »Wir können ihnen die positive Seite der Digitalisierung nahe bringen«, ist er überzeugt. Sie wegholen vom »reinen in den Bildschirm starren«, hin zu kreativem Arbeiten mit neuen Technologien. So können sich Schüler mit KI-Bildern befassen, Roboter programmieren, T-Shirts gestalten oder anderes mehr. Für Holger Langhans ist klar, dass seine Reise mit dem Innoport erst begonnen hat. »Ich habe noch viel vor«, sagt er, »und ich freue mich darauf, wenn hier möglichst viele Menschen ein und ausgehen.« (GEA)