REUTLINGEN. Erst wurde in gemütlicher Runde gestrickt, dann wurde gefeiert. »Flotte Nadeln!«-Sprechchöre hallten durch den Saal im Reutlinger Schützenhaus. Und das aus gutem Grund: Die rund 35 Mitglieder des Vereins »Flotte Nadeln mit Herz« sammelten in weniger als einem Jahr 10.000 Euro an Spenden. Diese wurden nun jeweils zur Hälfte an die Pädiatrisch-palliative Lebensbegleitung und Netzwerkarbeit der Uniklinik Tübingen (Paluna) und den häuslichen Hospizdienst BOJE Tübingen überreicht.
Gemütliches Werkeln für den guten Zweck
Rund einmal im Monat treffen sich die Mitglieder des Vereins im Schützenhaus, um in entspanntem Beisammensein der Handarbeit nachzugehen und damit etwas Gutes zu tun. Denn mit jedem paar Socken, jedem Topflappen und jeder Mütze wird Geld für einen karitativen Zweck gesammelt. Über Warenkörbe mit Spendenbüchsen in Supermärkten oder Apotheken, wird die Ware gegen Spenden angeboten. Für diese Idee wurde Gabriele Hoyh, die den Verein ins Leben gerufen hat, anfangs belächelt: »Mir wurde gesagt, da würden höchstens ein paar hundert Euro zusammenkommen. Wenn überhaupt.« Doch davon ließ sie sich nicht abhalten. Und so veröffentlichte die Reutlingerin eine Notiz im GEA, einen Handarbeitszirkel für karitative Zwecke gründen zu wollen. Mit den gesammelten Spenden möchte Hoyh kranken Kindern »ein Lächeln aufs Gesicht zaubern.« Dem Aufruf folgten im November letzten Jahres beim ersten Treffen bereits 20 Teilnehmerinnen. Mittlerweile ist Gruppe auf etwa 35 Mitglieder im Alter zwischen 30 und 85 Jahren angewachsen.
Bei den monatlichen Treffen wurde so fleißig gewerkelt, dass schon im Januar 2.000 Euro zu Buche standen. »Das hat uns alle sehr motiviert«, blickt Hoyh zurück. Angetrieben von diesem Meilenstein, knackten die flotten Nadeln nun nach nur zehn Monaten die 10.000-Euro-Marke. »Ich hätte nie gedacht, dass wir so eine Summe sammeln können. Ich bin wirklich stolz, dass ich das bewerkstelligen konnte«, freut sich Hoyh und bedankt sich bei all »meinen flotten Nadeln. Aber auch bei meinen Töchtern, die mich immer unterstützen. Ohne sie wäre das alles nicht möglich gewesen.«
Spenden werden dringend benötigt
Auch die Empfänger der Spende freuen sich über die große Summe. Dr. Katharina Riebe von Paluna und Philipp Nährig von der Stiftung »Hilfe für kranke Kinder« nahmen die Spende für Paluna entgegen. Diese Stiftung fördert die psychosoziale Beratung und Begleitung von Paluna für Familien mit Kindern, die an schweren Krankheiten leiden. Oscar Schmid-Schwämmle nahm die Spende für BOJE entgegen. Dabei handelt es sich um ein häusliches Kinder- und Jugendhospiz. Dort werden über das Jahr zwischen 15 und 18 Kinder und Jugendliche sowie deren Familien betreut. Die Spenden werden dringend benötigt, um Kosten zu finanzieren, die nicht von Krankenkassen oder Zuschüssen gedeckt sind. Deshalb sprechen die Vertreter den fleißigen Strickerinnen einen großen Dank aus. »Sie haben auf jeden Fall das Ziel erreicht. Mit dieser Spende können wir Kindern ein Lächeln aufs Gesicht zaubern!«, sagt Dr. Riebe.
Doch wie kam Gabriele Hoyh überhaupt auf die Idee, Spenden für diesen Zweck zu sammeln? Vor einigen Jahren erkrankte Hoyh selbst an Leukämie. Während ihrer Krankenhausaufenthalte lief sie immer wieder an der Kinderstation vorbei. »Das hat mich bewegt. Vor allem hört man selten von Spendenaufrufen für kranke Kinder und deren Familien hier bei uns. Die Krankenkassen zahlen vieles nicht und die Familien haben oft nicht das nötige Geld«, meint Hoyh. So nahm die Idee in ihrem Kopf Gestalt an.
Viele Hindernisse
Es war nicht immer einfach. Wenige Materialspenden - das meiste bezahlen die flotten Nadeln aus eigener Tasche - bürokratischer Aufwand und nun ein fehlender Lagerraum erschweren das Unterfangen. Doch davon lassen sich Hoyh und ihre Frauen nicht unterkriegen. Im Gegenteil, der Verein soll weiter wachsen. »Das wird noch größer, warte nur ab«, sagt Lisa Kapche, flotte Nadel seit Tag eins, zu Hoyh und stellt klar: »Ohne dich läuft es aber nicht!«
Um mehr Menschen für die Handarbeit zu begeistern, bietet der Verein nun sogar einen Workshop an. Jeden Dienstag wird ab 15 Uhr ins Schützenhaus eingeladen, um stricken oder nähen zu lernen. Vielleicht lassen sich so auch neue Vereinsmitglieder für das monatliche Werkeln - der nächste Termin ist am 4. November, von 15 bis etwa 21 Uhr - gewinnen. Denn Hoyh weiß: »Je mehr wir sind, desto mehr bewirken wir.« Und dann gibt sie ein ambitioniertes Ziel aus: »Nächstes Jahr wollen wir die Spendensumme verdoppeln!« (GEA)


