KREIS REUTLINGEN. Die Arbeitsplätze von morgen hängen an den Firmengründungen von gestern, aber der Gründergeist kam schon vor Corona in Deutschland recht unterschiedlich aus der Flasche, was Firmengründungen anging: Der jüngste Bundeswert ist mit 75,5 Punkten im Jahr 2019 gegenüber dem Vorjahr zwar hauchzart um 0,5 Punkte gestiegen. Aber die Spannweite beim unternehmerischen Nachwuchs ist riesig: Im Kreis Reutlingen liegt er mit 74,3 Punkten unter dem Bundesdurchschnitt von 75,5.
Aktuell reicht’s damit in der Gründergeist-Bundesliga für den Kreis Reutlingen zu Platz 152 von 404. Spitzenreiter ist der Kreis München mit 149 Punkten. Der Kyffhäuserkreis kommt nur auf 33,8 Punkte und damit auf den letzten Platz. Wie Gründergeist gemessen wird? Die Statistiker nehmen den Wert der Gewerbeanmeldungen pro 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner.
Aktuell ist der Gründer- und Gründerinnengeist bis zum 31. Dezember 2019 erfasst. Und der Trend zeigte erstmals wieder leicht nach oben. Vorher ging es seit dem Rekordjahr 2015 bundesweit nur abwärts. Von 80,1 Punkten, die 2015 als Bundesdurchschnitt verzeichnet wurden, geht die Kurve auf 77 Punkte im Jahr 2016, 76 Punkte im Jahr 2017, 75 Punkte im Jahr 2018 und dann wieder leicht aufwärts auf 75,5 Punkte im Jahr 2019. Die passenden Werte im Kreis Reutlingen dazu: Von 79,6 Punkten 2015 geht hier die Entwicklung über 70,4 Punkte im Jahr 2016, 76,1 Punkte im Jahr 2017 und 75,6 Punkte im Jahr 2018. 2019 wurden zuletzt 74,3 Punkte erreicht.
Männer liegen vorn
Woran liegt’s? Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) betrachtet das Gründungsgeschehen in ihrem Gründungsmonitor und schreibt dort: »Seit etwa 15 Jahren drückt der gut laufende Arbeitsmarkt auf die Gründungstätigkeit in Deutschland. Durch das Abflauen des Rekordbooms nimmt die Absorptionskraft des Arbeitsmarkts jedoch ab, was der Gründungstätigkeit zugutekommt. Unterstützt durch die Entwicklung der Binnenkonjunktur, ist die Zahl der Existenzgründungen 2019 auf 60.000 gestiegen, das sind 58.000 Personen mehr als im Jahr zuvor. Der Anstieg ist jedoch alleinig auf Nebenerwerbsgründungen zurückzuführen. Sie nahmen auf 377.000 zu (plus 85.000), während die Zahl der Vollerwerbsgründungen nach dem positiven Vorjahr wieder auf 228.000 Personen (minus 27.000) gesunken ist.«
Kurz: Wer im Job gut verdient, geht seltener ins Risiko. Immerhin: »Innovative Gründungen und Wachstumsgründungen sind bei den Existenzgründungen 2019 etwas häufiger zu finden als im Vorjahr. Deutlich zugelegt haben dagegen internetbasierte und digitale Gründungen – vor allem im Vollerwerb«, sagt die KfW mit Blick auf die bundesweite Entwicklung.
Und natürlich spielt Geld eine Rolle: Denn Gründerinnen und Gründer haben viele um sich, die ihren Anteil haben wollen. Etwaige Beschäftigte sind dabei weniger das Problem, sondern die abschöpfenden Geister, als da wären Banken (die an den Förderkrediten verdienen, wenn die in Anspruch genommen werden), Vater Staat (der nicht nur manche fördert, sondern bei allen fordert). Und die Steuer- und sonstige -beraterschaft.
Laut KfW gilt die Regel: »Im Lauf von drei Geschäftsjahren beenden rund 30 Prozent der Gründer ihre Existenzgründung wieder.« Was nicht unbedingt Insolvenz heißen muss, aber kann. Deswegen gibt es auch da einen Indikator, an dem sich ablesen lässt, wie es um die wirtschaftliche Stärke der örtlichen Unternehmen (und nicht nur der Gründungen) steht: Die Zahl der Insolvenzen pro 10.000 Unternehmen. Dieser Wert ist in Deutschland von 71 im Jahr 2015 auf 57 im Jahr 2019 zurückgegangen.
Für den Kreis Reutlingen heißt das: 2015 mussten 33,1 Unternehmen pro 10.000 Insolvenz anmelden. 2019 lag dieser Wert bei 37,4, also unter dem Bundesdurchschnitt. Und wer ist risikobereiter, Mädels oder Jungs? Bundesweit gilt laut KfW, die Gründungstätigkeit war zuletzt »auf mehr Existenzgründungen durch Männer zurückzuführen … Die Zahl der Gründerinnen stagnierte dagegen«. (zds)