REUTLINGEN. Die Hippiebewegung war gerade auf ihrem Höhepunkt angelangt, Scott McKenzie hatte das passende Lied dazu: ""If you're going to San Francisco, be sure to wear some flowers in your hair." Das war vor 50 Jahren, und heute auf den Tag genau begann das legendäre "Monterey Pop Festival" mit Jimi Hendrix und anderen Größen.
Foto: Hans-Jörg Conzelmann
Foto: Hans-Jörg Conzelmann
Paul und Margarete Amlinger aus Degerschlacht wären sicher mit dem Käfer hingefahren, wenn sie in San Francisco gewohnt hätten. Denn der Käfer war das rollende Symbol der Hippies, in seiner Non-Konformität höchstens noch übertroffen vom großen Bruder, dem VW-Bus.
»Der Boxer-Sound aus den beiden Endrohren ist Oldtimer pur«
Paul Amlinger hatte damals einen VW Käfer Baujahr 1967, dem Jahr des »Summer of Love«. Danach hatte er viele Golfs und zwischendrin gut und gerne 15 BMW. Insgesamt dürften es 50 Autos gewesen sein, die durch seine Hände gingen, schätzt er. Jahrzehnte später wünschte er sich wie viele Männer im besten Alter sein erstes Auto zurück - nicht für einen Neuanfang, sondern als Erinnerung. Heute, ein halbes Jahrhundert später, hat er seinen Traum verwirklicht. Es ist ein Cabrio in »Lotosweiß«. Er hat es in der Originalfarbe lackieren lassen. Bis dahin war es ein weiter Weg. »Es war eine Baustelle«, erinnert sich der gelernte Elektriker an den Kauf vor acht Jahren. Wäre der Käfer eine Limousine gewesen, wäre er auf dem Schrottplatz gelandet. Aber es war ein Cabrio. Amlinger war sich der Aufgabe bewusst und kaufte ihn nur deshalb, weil jede Menge Original-Ersatzteile dabei waren. Neue Bodenbleche, neuer Rahmenkopf, neue Schweller, beide Seitenwände hinten neu, ein neues Dach, ein überholter Motor - acht Jahre lang schraubte er mehr oder weniger intensiv in seiner Garage in Degerschlacht, um ihn wieder auf die Straße zu stellen. Wer heute am Zündschlüssel dreht, lässt den »Summer of Love« aus der Flasche. Der Boxer-Sound aus den beiden Endrohren ist Oldtimer pur. Der 1500er-Motor hat keine Wasserkühlung, sodass die Geräusche ungedämmt zum Fahrer dringen. Der Griff ins Leere nach den Sicherheitsgurten (gab es erst ab 1968), erster Gang rein mit dem niedlichen Stöckchen in der Mitte, Kupplung kommen lassen und schon fliegen »Jefferson Airplane« und die »Animals« mit. Der »Esbella-Buckel« in Kirchentellinsfurt wird zur »Lombard Street« in San Francisco, die Hauptstraße durch Degerschlacht führt geradewegs nach Woodstock. Wobei sich der Käfer erstaunlich modern fährt - ordentlicher Abzug, vier Scheibenbremsen, extrabreite Schlappen auf Tiefbettfelgen, natürlich mit verchromten Radkappen. 140 Sachen hatte Amlinger mal auf dem Tacho. Aber das war nur zum Testen. Im Normalfall lässt er es gemütlich angehen. Am Wochenende waren Amlingers mit ihren Freunden von der Oldtimer-Abteilung des »Automobilclubs Reutlingen« mal wieder unterwegs - 750 Kilometer am Stück ohne Probleme. Da nahm dann auch mal Margarete Amlinger das Steuer in die Hand. Und spürte die Kraft der Straße: Ohne Servo-Lenkung muss man ganz schön ziehen, wenn es um die Kurve geht. Ein bisschen träumt sie noch vom Golf I GTI, den sie früher mal hatten, doch ohne Zweifel gehören die Amlingers nicht der »Generation Golf« an. Da reicht ein Blick in die Garage: Nicht nur ein Käfer Cabrio steht da, sondern drei. Einer ist Baujahr '66 und war »ein Versehen«, sagt Paul, weil er da sein Lieblingsmodell aus 1967 noch nicht hatte. Der Dritte ist Baujahr 1978 und gehört Margarete. Alle sind fahrbereit, aber nur einer ist angemeldet. Gefahren wird nur der Favorit Baujahr 1967. Drei Käfer Cabrio und vier Enkel - das wird mal schwierig beim Verteilen. Vorsorglich hat ein Enkel schon mal geheiratet - mit dem »Lotosweißen« als Brautauto. Aber bevor's ans Erben geht, lassen sich die Amlingers noch einige Sommer lang den Spirit des »Summer of Love« um die Nase wehen. (GEA)