REUTLINGEN-GÖNNINGEN. »Die Überschwemmungen in Gönningen waren nicht so massiv wie in Bronnweiler oder Betzingen. Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen«, sagte Bezirksbürgermeisterin Christel Pahl bei der jüngsten Sitzung des Ortschaftsrates. Dennoch müsse man sich für die Zukunft wappnen. Torsten Müller, Fachgebietsleiter der Stadtentwässerung Reutlingen (SER), referierte zum Sachstand des Hochwasser- und Starkregenrisikomanagements in Reutlingen.
Arbeitsschwerpunkt Hochwasser
Von November 2021 bis Februar 2022 berichtet Müller in den Reutlinger Ortsteilen. »Die SER hat mit den Themen Starkregen und Hochwasser einen Schwerpunkt ihrer Arbeit gesetzt«, so der Referent. Massive Schäden wie Überschwemmungen von Gebäuden, Uferabbrüche oder Zerstörungen von Brücken, zuletzt am 23. und 28. Juni 2021, hätten gezeigt, wie wichtig die Infrastrukturanpassung der SER an die Folgen des Klimawandels sei.
Unterschieden werde in Starkregenereignisse, gekennzeichnet durch extrem kurze Vorwarnzeiten und sehr hohe Niederschlagsmengen innerhalb kurzer Zeit, und Hochwasser, ausgelöst durch über die Ufer getretene Flüsse und Bäche.
Aktuell werden die Hotspots, erfasst unter anderem durch Feuerwehreinsätze von 2002 bis 2020, ausgewertet. Im Zuge der Umsetzung der Europäischen Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie hat das Land Baden-Württemberg Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten erstellt, die auf dem Hochwasserportal eingesehen werden können.
Die SER ist aktuell dabei, weitere Karten für kleinere Einzugsgebiete zu erstellen. Die Fertigstellung ist bis 2023 geplant. Die Karten bilden die Basis für Handlungskonzepte.
Nach dem Starkregenereignis im Juni 2013, das in Gönningen zu zahlreichen Schäden geführt hatte, waren bereits Maßnahmen zum Schutz vor Schäden durch Oberflächenwasser beschlossen worden. Die SER hatte 2018 Oberflächenabflusskarten erstellt, jedoch, so Müller, noch nicht nach den heute gültigen Richtlinien des Landes. 2018/2019 wurde als eine der Maßnahmen der Seebach an der Roßbergschule offengelegt. »Beim Starkregen am 28. Juni 2021 kam es hier zu keinen Ausuferungen«, sagte Müller.
Auf die Frage von Christel Pahl, ob man bereits jetzt kurzfristige Maßnahmen durchführen könne, meinte Müller, aktuell würden Schäden beseitigt und Anlagen wiederhergestellt. »Doch sehr wichtig, auch für die Förderfähigkeit des Landes von 70 Prozent, ist die Fertigstellung der Gefahrenkarten.« Für den Ortschaftsrat von Interesse waren auch Tipps für Eigenheimbesitzer, um sich vor Schäden zu wappnen. Auf die Schnelle hatte Müller eine ganze Reihe von Ratschlägen parat, die sich bereits beim Bau einplanen ließen. »Manchmal ist schon relativ viel einfach zu erreichen.«
Doch auf die Frage, ob auch in Gönningen Katastrophen wie im Ahrtal eintreten könnten, wollte Müller keine Prognose abgeben. »Das ist nicht jenseits der Vorstellungskraft, aber solche Ereignisse hängen von vielen verschiedenen Faktoren ab, sodass keine Vorhersage getroffen werden kann.«
Die Gefahrenkarten sollen nach ihrer Fertigstellung online gestellt werden und werden auch dem Gemeinderat erläutert, sagte Müller.
Offener Brief zu »Hinter Höfen«
In der Bürgerfragestunde übergab Elke Rogge von der Bürgerinitiative gegen das geplante Neubaugebiet »Hinter Höfen« einen offenen Brief an die Bezirksbürgermeisterin, adressiert an Oberbürgermeister Thomas Keck. Darin wird erneut gefordert, die Pläne aufzugeben und »jahrhundertealte Kulturlandschaft zu erhalten«. Stattdessen solle »intelligent« Wohnraum geschaffen werden durch Bebauung vorhandener Lücken, Leerstandsnutzung und Altbausanierung. (gb)