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Aktuell Lokaltermin

GEA vor Ort in der Reutlinger Oststadt: Topthema Verkehr

Im Rahmen seiner Teilorts- und Quartiersbesuche hat der GEA Station in der Oststadt gemacht. Topthemen waren hier die Verkehrssituation und die Zukunft des Heinzelmann-Areals.

Angeregte Diskussionen in der Oststadt.
Angeregte Diskussionen in der Oststadt. Foto: Steffen Schanz
Angeregte Diskussionen in der Oststadt.
Foto: Steffen Schanz

REUTLINGEN. In diesem Punkt sind sich die Teilnehmer des GEA-Lokaltermins einig: Es lebt sich höchst angenehm in der Reutlinger Oststadt. Das Viertel hat Flair. Es punktet – dank Planie und Stadtgarten – mit viel öffentlichem Naherholungs-Grün und mit seiner Judendstil-Architektur. Die Einwohner, so der Tenor, sind bemerkenswert kommunikationsfreudig, und das nachbarschaftliche Miteinander wird als gut empfunden – über alle Generationen und Nationalitäten hinweg.

Während manch anderes Wohnquartier erheblich unter Vandalismus und Vermüllung leidet, bleibt die Oststadt nach Beobachtung ihrer Bewohner von derlei Umtrieben weitgehend verschont. Naja: fast. Denn der aktuelle Zustand des Heinzelmann-Areals, das vor gefühlten Ewigkeiten von der Stadt an einen Investor veräußert wurde, spottet jeder Beschreibung (und zieht Brandstifter an, sieht Polizeimeldung). »Wir hoffen sehr, dass sich da endlich etwas tut«, sagt Matthias Schmied. »Die Pläne« (angedacht ist ein Mix aus Gewerbe, Gastronomie und Wohnen), fordert er, »müssen dringend realisiert werden«, weil die in Teilen denkmalgeschützte Planie 22 andernfalls dem sicheren Verfall preisgegeben sei.

Vermüllt und dem Verfall preisgegeben: das Heinzelmann-Areal.
Vermüllt und dem Verfall preisgegeben: das Heinzelmann-Areal. Foto: Trinkhaus
Vermüllt und dem Verfall preisgegeben: das Heinzelmann-Areal.
Foto: Trinkhaus

Eine Befürchtung, die von Gerlinde Trinkhaus geteilt wird. Sie hat den aktuellen Zustand des Grundstücks fotografisch dokumentiert, und was ihr da vor die Linse kam, sorgt für kollektives Entsetzen. Zerborstene Fensterscheiben, Abfallberge, zerdeppertes Mobiliar – ein Bild der Verwüstung ist’s. Nichts erinnert mehr an die Zeiten vor der Räumung des Gebäudeensembles, als, so Schmied, »das Leben auf dem Areal blühte«. Trinkhaus: »Damals gab es die Prinzenbar, eine Spielstätte des Tonne-Theaters, etliche Künstler-Ateliers und Galerien, das Depot des Naturkundemuseums, Start-ups und vieles mehr. 1991 wurden hier sogar die Landeskulturwochen ausgetragen. Mir tut es weh, zu sehen, was daraus geworden ist.«

»Der Verkauf des Heinzelmann-Areals war ein Kardinalfehler«

Womit sie Gabriele Janz aus dem Herzen spricht. »Der Verkauf des Heinzelmann-Areals«, findet die Ilos-Aktivistin (Initiative lebenswerte Oststadt), »war ein Kardinalfehler«. Man hätte die Mieter nicht ohne Not, quasi »auf Verdacht vertreiben« dürfen. Denn einerseits bescherten sie der Stadt ja schließlich Einnahmen, andererseits bewahrten sie die Gebäude vor dem Verlottern. »Dauerhafte Leerstände sind immer von Übel«, so Janz, die in diesem Zusammenhang auch an die seit Jahren verwaiste Leonhardskirche denkt. Ob auch sie das Schicksal der Planie ereilen wird? Renate Müller ist davon jedenfalls überzeugt.

Mehr noch: Sie wittert hinter den Untätigkeiten hier wie da eine bewusste Strategie des Verfallenlassens. »Wenn denkmalgeschützte Gebäude substanziell erst völlig kaputt sind, können sie abgerissen werden. Wahrscheinlich spekulieren die Investoren genau darauf. Das hat meines Erachtens Methode.« Weshalb die 56-Jährige schon heute mit Grausen an den künftigen Umzug des Landratsamts und seiner oststädtischen Dependancen denkt. »Was«, fragt sie sich, »wird mit den Immobilien passieren?«

»Ich trete als Autofahrer zurück und nehme Einschränkungen gerne in Kauf«: Martin Röder (Mitte) will Fußgängern und Radfahrern R
»Ich trete als Autofahrer zurück und nehme Einschränkungen gerne in Kauf«: Martin Röder (Mitte) will Fußgängern und Radfahrern Raum geben. Foto: Steffen Schanz
»Ich trete als Autofahrer zurück und nehme Einschränkungen gerne in Kauf«: Martin Röder (Mitte) will Fußgängern und Radfahrern Raum geben.
Foto: Steffen Schanz

Eine Frage, die auch Katharina Wiebel umtreibt. Sie befürchtet, dass die quartiersbildprägenden Gebäude mit ihrer Gründerzeit-Architektur womöglich »plattgemacht« werden. So, wie zum tiefen Bedauern der 72-Jährigen auch viele Privatgärten im Viertel binnen der zurückliegenden acht, neun Jahre plattgemacht wurden. »Viel Grün ist bereits verschwunden zugunsten von Neubauten und Parkplätzen.« Was Letztere betrifft, hätten sie mit Einführung der kommunalen Parkraumbewirtschaftung einen »Boom« erfahren, »weil sich die Leute die Gebühr für Anwohnerparkausweise sparen wollen«. Was einerseits verständlich sei, andererseits aber schädlich: »Dieser Trend darf sich unter keinen Umständen fortsetzen«.

»Es gibt zu viele, die schreien, man muss den Verkehr weiter beruhigen«

Auch Kurt Schneider sorgt sich um die »annähernd dreißig Gebäude«, in denen derzeit noch das Landratsamt residiert. Er weiß, dass die Stadt aktuell sondiert. Konkret: Sollten die Immobilien zum Verkauf anstehen, hätte Reutlingen immerhin ein Vorkaufsrecht. Was hoffen lasse, dass stadtbildprägende Architektur erhalten bleibt.

Ein Aspekt, der nicht zuletzt auch Karl-Heinz Krauß wichtig ist. Er fordert außerdem den Erhalt des oststädtischen Grüns. Bäume, Natur, betont er, seien gut und wichtig – schon allein, weil der Klimawandel immer heißere Phasen bringen werde. Dazu müsse man allerdings wissen, dass die meisten Bäume in der Oststadt auf Privatgrund stehen. Bei Verkauf und Neubauten auf Grundstücken, müsse die Stadt darum darauf dringen, dass Bäume erhalten bleiben – übrigens auch das urbane Grün hinter der Leonhardskirche.

Und immer wieder das Thema Verkehr ...
Und immer wieder das Thema Verkehr ... Foto: Steffen Schanz
Und immer wieder das Thema Verkehr ...
Foto: Steffen Schanz

Derweil der Leonhardsplatz vom ruhenden Verkehr und den dort aufgestellten Containern – sie ziehen offenbar Ratten an, weil dort, wie Marion Fischer beobachtet hat, Leute ihren Hausmüll entsorgen – befreit werden sollte. Viel zu schade, heißt es, sei die Fläche, um als Parkplatz benutzt zu werden. Weshalb die Bürgerinitiative Ilos an einem Nutzungskonzept mit Bewegungs- und Spielmöglichkeiten sowie Sitzgelegenheiten arbeitet, das sie demnächst öffentlich machen möchte.

Breiten Raum nimmt beim GEA-Lokaltermin das Thema Fuß-, Rad- und Autoverkehr ein. »Es gibt zu viele, die schreien, man muss den Verkehr weiter beruhigen«, klagt Lars Hetzel, der zusammen mit seiner Frau Sandra Initiator einer Petition gegen die Einbahnstraßenregelung in der Fahrradstraße Charlottenstraße war. Es gebe nur Start- und Zielverkehr in der Oststadt, behauptet er. Viele Anwohner seien »aufs Auto angewiesen«. Eine »Zumutung für Berufspendler« sei es nun, aus der Oststadt herauszukommen.

»Die Stadt muss ihre Regelungen auch überprüfen. Nur Schilder aufstellen reicht nicht«

Seine Frau (»Ich bin begeisterte Oststädterin«) ist in Reutlingen fast nur mit dem Rad unterwegs. Sie wünscht sich vom Autoverkehr abgetrennte Radwege. Wie das im begrenzten Stadtraum gehen soll? Dazu hat die Schillerstraßenbewohnerin keine Idee. Aber sie ist weiterhin erbitterte Gegnerin der Einbahnstraßenregelung in der Charlottenstraße: Auch, weil sie selbst diese Straße als Radfahrerin nie nutze.

Dieter Janz befürwortet hingegen die Lösung: »Das funktioniert doch!« Er lobt den deutlich verringerten Autoverkehr als Sicherheitsgewinn, insbesondere für die Schüler von Isolde-Kurz-Gymnasium und Begerschule. Mit Blick auf die seitens der Stadt geplanten Bevorrechtigung der Radachse Planie hält er es für sinnvoll, die Geschwindigkeit auf der Bismarckstraße weiter zu drosseln.

Als Gewinn für nicht motorisierte Verkehrsteilnehmer empfinden neben Janz auch Sandra Neudert, Felix Renz, Christoph Dohse und Eva Zindel die zunehmende Radfahrerfreundlichkeit und Entschleunigung der Oststadt. Zindel: »Wir fahren alles mit dem Rad.« Die Idee, die Planie durchzuziehen, findet sie »toll«, und die Charlottenstraße sei nun angenehm und sicher für die Schüler. Als negativ bewertet Zindel demgegenüber die Entwicklung auf der Panoramastraße, die nun von Autofahrern als Schleichweg benutzt werde. An der Ecke Sommerhalde sei eine gefährliche Kreuzung entstanden.

Michael Hönes wünscht sich hier, aber auch andernorts mehr Kontrollen – etwa in der verkehrsberuhigten Luisenstraße. »Die Stadt muss ihre Regelungen auch überprüfen, nur Schilder aufstellen reicht nicht!« Das gelte auch für die Charlottenstraße. Dort werde weiter gegen die Einbahnstraße gefahren – teils auch von Mitarbeitern der Technischen Betriebsdienste und der Polizei. Für ihn dürften Radler mehr Raum bekommen. »Warum gibt es auf der Kaiserstraße keine Radspur, sie ist doch breit genug«, fragt er sich.

»Warum gibt es auf der Kaiserstraße keine Radspur? Die ist doch breit genug dafür«

Und Dr. Heinz Tochtermann? Als Zahnarzt mit Praxis an der Planie bemängelt er die zu wenigen Parkplätze für Autos. Er selbst fährt indes nahezu alle Strecken mit dem Fahrrad. Weshalb er aus eigenem Erleben um den teils bedenklich schlechten Belagszustand in der Planie weiß. Den Fußgänger- und Radbereich zwischen Kaiser- und Gartenstraße stuft er sogar als »extrem gefährlich« ein.

Dem kann Sophie Reining nur beipflichten: Diese Schlaglochpiste mit dem Rollator zu begehen, sei ihr zu gefährlich. Obwohl ihr das Gehen schwerfalle, nehme sie lieber Umwege in Kauf, als einen Sturz zu riskieren. Über den Stolperfallen-Charakter der Planie trösten die Seniorin auch nicht jene Frühblüher hinweg, die Gudrun Mehlo heuer solchermaßen begeistert haben, dass sie sich für das (inzwischen verblühte Blütenband) in der Planie telefonisch bei der Stadt bedankt hat. Voll des Lobes ist sie für derlei Verschönerungsbemühungen. Ihre Anregung: zusätzliche Sitzgelegenheiten in der Planie, gerne im Rund platziert, schaffen, damit Gemeinschaft und Kommunikation entstehen. (GEA)