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Garagenanlage in Orschel-Hagen wegen akuter Einsturzgefahr gesperrt

Eigentümer und Mieter einer Anlage in Orschel-Hagen müssen wegen Einsturzgefahr kurzfristig ihre Garagen räumen. Die GWG als Bauherrin erklärt, wie es dazu kam.

Errol Gerstbauer (links) und Bernhard Mayer von der Teileigentümergemeinschaft vor der seit 8. August abgesperrten  Garagenanlag
Errol Gerstbauer (links) und Bernhard Mayer von der Teileigentümergemeinschaft vor der seit 8. August abgesperrten Garagenanlage in Orschel-Hagen. Foto: Claudia Reicherter
Errol Gerstbauer (links) und Bernhard Mayer von der Teileigentümergemeinschaft vor der seit 8. August abgesperrten Garagenanlage in Orschel-Hagen.
Foto: Claudia Reicherter

REUTLINGEN. Hilflos und verärgert stehen Bernhard Mayer und Errol Gerstbauer vor ihren Garagen in Orschel-Hagen. Die sind Teil einer Anlage aus den 1980er-Jahren, wenige Schritte von ihren Wohnhäusern entfernt. Seit Donnerstag vergangener Woche versperren jedoch mannshohe Gitter den Zugang, sowohl oben vom Berliner Ring als auch unten von der Zufahrt Nördlinger Straße her. Der Grund: akute Einsturzgefahr. Nachdem vergangene Woche im rheinland-pfälzischen Kröv ein Hotel eingestürzt ist und zwei Todesopfer gefordert hat, lässt das die Alarmglocken schrillen.

Erst waren 1982 zwischen Berliner Ring und Heidenheimer Straße zweimal neun Parkboxen in zwei gegenüberliegenden Reihen errichtet worden. Auf die wurden 1988 auf beiden Seiten nochmal je neun Garagen draufgesetzt. Die unteren hat die Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft (GWG) der Stadt Reutlingen 1983 an Privatleute verkauft, die oberen gehören ihr bis heute und sind – oder waren bis vor Kurzem – vermietet. Mayer hatte seine 1990 dem Erstbesitzer abgekauft. Gerstbauer besitzt eine Garage im 1. und ist Mieter einer weiteren im 2. Stock.

Mängel sind nicht neu

Die beiden Vertreter der Teileigentümergemeinschaft des Bauwerks »Berliner Ring 135/137« fühlen sich deshalb so hilflos und verärgert, weil diese Situation nicht neu sei. Bereits seit 2020 mahnten Statiker den prekären Zustand der Anlage an, erzählen sie. Seit Längerem müsste dringend saniert werden. Zuletzt wurde in einer Eigentümerversammlung im September 2023 über Möglichkeiten von Reparaturen sowie Abriss und Neubau gesprochen. Geschehen sei aber erneut nichts. Nicht mal das Gutachten liege ihnen als Vertreter der Privateigentümer vor. Und auch eine überarbeitete Kostenschätzung nach zuletzt drastisch gestiegenen Baupreisen stehe aus. Nachdem die GWG jüngst nicht auf ihre Klagen reagiert hatte, wandten sie sich an die Öffentlichkeit.

Denn den Grund für den miserablen Zustand der Garagen sehen sie im späteren Draufsatteln. Und in der die beiden Garagenblöcke verbindenden Bodenplatte für die Zufahrt vom Berliner Ring. Die weist in der Tat Risse auf. An Stützstreben und Pfeilern darunter ragen rostende Eisenteile hervor, Teile des Betons sind abgeplatzt. Wegen verstopfter Rinnen oben laufe Regenwasser nicht ab, erklärt Gerstbauer. Stattdessen sammelte es sich im hinteren Teil der im Lauf der Jahre nach hinten abgesackten Garagen. Generell griffen auch Streusalz und Kälte die Substanz an.

Errol Gerstbauer (links) und Bernhard Mayer von den Eigentümern der einsturzgefährdeten Garagenanlage in Orschel-Hagen schlagen
Errol Gerstbauer (links) und Bernhard Mayer von den Eigentümern der einsturzgefährdeten Garagenanlage in Orschel-Hagen schlagen Alarm. Foto: Claudia Reicherter
Errol Gerstbauer (links) und Bernhard Mayer von den Eigentümern der einsturzgefährdeten Garagenanlage in Orschel-Hagen schlagen Alarm.
Foto: Claudia Reicherter

Der GWG gehören demnach nicht nur 50 Prozent der Anlage, sondern mit den Garagen im 2. Stock zudem genau diejenigen, die für die Schäden verantwortlich sind. Nun wolle sich der städtische Betrieb, dessen häufig wechselnde Ansprechpartner die Verhandlungen erschwerten, »moralisch und finanziell« aus der Verantwortung stehlen, mutmaßen Errol Gerstbauer und Bernhard Mayer beim Vor-Ort-Termin mit dem GEA. Denn die anstehenden Kosten sollen zu gleichen Teilen auf alle Eigentümer umgelegt werden. Es gehe um mindestens 800.000 Euro, das wäre pro Partei mehr als 22.000. Das sehen Mayer und Gerstbauer nicht ein: Ohne die später darauf gesattelten Garagen wären ihre Boxen, für die die ersten Eigentümer an die GWG einst 16.500 DM bezahlt hatten, schließlich nicht derart beschädigt.

Nicht nur wegen der Bushaltestelle direkt an der versperrten Zufahrt am Berliner Ring scheint das Thema Stadtteilgespräch. Kaum dass sich Mayer und Gerstbauer dort die gleich wieder aufgebrochenen Gitter anschauen, kommen zwei Mieter aufgeregt hinzu: »Darf ich da noch rein und wenigstens mein Fahrrad rausholen?«, fragt eine Frau. Sie bezahle doch Miete für das Objekt, das sie nun nicht mehr nutzen könne. Ein Bewohner der gegenüberliegenden Wohnblöcke erzählt, er habe als Garagenmieter zwar einen Brief von der GWG erhalten, er solle sein Fahrzeug rausfahren. Allerdings kam der, während er im Urlaub war. Und bei seiner Rückkehr war das Gelände schon nicht mehr zu betreten.

Das sagt die GWG dazu

Die GWG bestätigt auf GEA-Nachfrage, es habe bereits vor Jahren statische Untersuchungen der Anlage gegeben. »In den Eigentümerversammlungen im Jahr 2020 wurden die Eigentümer darüber informiert, dass eine Instandsetzung der Garagen in den folgenden Jahren notwendig ist und dass eine Nutzung der Garagen ohne eine solche Sanierung nur noch befristet möglich sein wird«, teilt Michelle Gruszka, die Abteilungsleiterin Unternehmenskommunikation und Marketing der GWG – Wohnungsgesellschaft Reutlingen mbH, mit.

Nachdem die Garagenzeilen von Beginn an zweistöckig geplant waren, sei »wie bei jeder baulichen Maßnahme« damals »eine statische Prüfung durchgeführt« worden. Nach mehr als 40 Jahren sei Materialermüdung aber nicht auszuschließen. Von einer Absenkung sei der GWG nichts bekannt.

Die Mieter der Garagen im oberen Stock wurden aufgefordert, ihre Parkboxen zu räumen.  In der Ferienzeit zu kurzfristig, wie es
Die Mieter der Garagen im oberen Stock wurden aufgefordert, ihre Parkboxen zu räumen. In der Ferienzeit zu kurzfristig, wie es scheint: Schon einen Tag, nachdem die Absperrgitter mit »Betreten verboten«-Schild angebracht worden waren, hat sich offenbar doch noch jemand Zutritt verschafft. Foto: Claudia Reicherter
Die Mieter der Garagen im oberen Stock wurden aufgefordert, ihre Parkboxen zu räumen. In der Ferienzeit zu kurzfristig, wie es scheint: Schon einen Tag, nachdem die Absperrgitter mit »Betreten verboten«-Schild angebracht worden waren, hat sich offenbar doch noch jemand Zutritt verschafft.
Foto: Claudia Reicherter

Dass man angesichts der Schäden untätig war, weist sie zurück: »Seit etwa fünf Jahren sind bereits Abstützungsmaßnahmen zur Sicherstellung der Tragfähigkeit angebracht.« Vor einigen Wochen habe die GWG die Garagen von einem Statiker erneut prüfen lassen – der war dazu allerdings nicht vor Ort. Dies ergab, »dass die Garagen jederzeit einsturzgefährdet sind und entsprechend sofort gehandelt werden muss«. Eigentümer wie Mieter wurden informiert und die Anlage gesperrt. »Leider wurde diese Sperrung nicht ernst genommen. Da teilweise auch Kinder vor Ort spielen, wurden nun Bauzäune angebracht, um deren Sicherheit nicht zu gefährden. Die Absperrung wurde widerrechtlich entfernt und von Mitarbeitenden der GWG erneut angebracht.« Anzeige sei nicht erstattet worden.

Die Mietverträge für die Garagen seien bereits vor ein paar Wochen gekündigt worden, erklärt die Pressesprecherin weiter. Entsprechend falle keine Miete mehr an.

Vorgehen noch unklar

Gerstbauer als Anwalt fände eine monatliche Entschädigung für die Garagen wegen Nutzungsausfalls angebracht. Diesbezüglich erhielten er und Mayer Ende vergangener Woche aber eine Absage. Immerhin: Einen Termin bei der GWG-Geschäftsführung haben sie bekommen. Die berufe sich aber weiterhin strikt auf eine 1995 von allen Eigentümern unterzeichnete Teilungserklärung. »Da hat’s mir gleich wieder den Blutdruck hochgetrieben«, sagt Bernhard Mayer. Er und Errol Gerstbauer fänden es gerechter, wenn die 18 Privateigentümer des 1. Stocks nur 33 Prozent des Schadens und die GWG als Besitzerin der Garagen im 2. Stock den Rest übernähme.

Beide Seiten bedauern, dass es bislang zu keinem Beschluss in den Eigentümerversammlungen gekommen ist. Das liegt daran, dass weder die privaten Garagenbesitzer noch die GWG die Mehrheit haben. Man ist also aufeinander angewiesen. In den kommenden Wochen sei ein gemeinsamer Termin mit allen Beteiligten geplant, teilt Michelle Gruszka mit. »In den kommenden Eigentümerversammlungen wird darüber abgestimmt, ob die Garagen saniert oder abgerissen werden sollen.« Sobald ein Beschluss gefasst ist, sollen alle Beteiligten über das weitere Vorgehen informiert werden. (GEA)